(Gegenwind 295, April 2013)

Tom Buk-Swienty: Schlachtbank Düppel. Geschichte einer Schlacht. Übersetzt von Ulrich Sonnenberg. Osborg Verlag, Berlin 2011, 360 Seiten, 24,90 Euro
Tom Buk-Swienty: Schlachtbank Düppel. Geschichte einer Schlacht. Übersetzt von Ulrich Sonnenberg. Osborg Verlag, Berlin 2011, 360 Seiten, 24,90 Euro

Buch

Das Ende Dänemarks als Großmacht

Am 18. April 1864 verlor Dänemark den Krieg gegen Preußen und Österreich. Es musste Lauenburg und Schleswig an Preußen abtreten, Holstein ging an Österreich. Damit wurde Dänemark um ein Drittel reduziert, verlor fast die Hälfte seiner Bevölkerung. Dänemark wurde reduziert zum heutigen Kleinstaat.

Sehr bald setzte sich in Dänemark eine Geschichtsschreibung durch, die sich als Opfer sah. man sah sich als Opfer Preußens, dass mit den Kriegen 1864 gegen Dänemark, dann 1866 gegen Österreich und 1870 gegen Frankreich die Gründung des Deutschen Reiches 1871 vorbereitete und abschloss. Man stellte sich als Opfer eines Überfalls durch Bismarck dar.

Mit dieser einseitigen Darstellung machte Tom Buk-Swienty 2008 Schluss. In seinem Buch „Schlachtbank Düppel”, das in Dänemark zum Bestseller wurde, in Deutschland erst mehrere Jahre später einen Verleger fand, sieht er vor allem die dänische Regierung, und zwar den König, den Ministerpräsidenten und die Armeeführung in der Verantwortung. Die Regierung beschloss 1863 eine neue Verfassung, die der König in Kraft setzte, mit der Schleswig zum Teil des Königreiches mit Dänisch als Staatssprache wurde, ein klarer Verstoß gegen das Londoner Protokoll, mit dem der deutsch-dänisch-schleswig-holsteinische Krieg 1852 beendet wurde. Die Regierung überschätzte die internationale Unterstützung durch Großbritannien und Russland, die Armeeführung überschätzte die eigene Kampfstärke und leistete keinen Widerstand gegen völlig unrealistische Vorgaben. Der König blieb schwach und schwankte, tat aber letztlich das Falsche.

Nach Ansicht der Autors, der Historiker und Journalist ist, trieb die dänische Regierung das Land zum Krieg, und Bismarck ergriff die Chance schnell und freudig. Die preußische Armee war nicht nur überlegen durch eine Übermacht von Soldaten, sie verfügte auch über eine moderne Artillerie. So wurde der Krieg, ausgetragen auf einem kleinen Gebiet der „Düppeler Schanzen” zwischen Flensburg und Sonderburg, zu einem zumindest auf deutscher Seite industriellen Vernichtungskrieg, der einen ersten Vorgeschmack auf die Schlachten in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges lieferte. Die dänische Seite, vor allem die einzelnen Soldaten, wurden zum erleiden dieses Krieges verurteilt. In wenigen Stunden wurden Tausende getötet und noch mehr Soldaten verstümmelt.

Der Autor hat viele Archive in Deutschland und Dänemark ausgewertet, darunter auch erstmals bisher verschlossene Archive des dänischen Königshauses. Er hat die Geschichte einzelner Soldaten, Offiziere wie Mannschaften, anhand von Briefen und Berichten nachvollziehen können - Soldaten und Offizieren, die sich am 18. April direkt gegenüber standen oder -lagen. Er beschreibt den Weg in den Krieg, und zwar nicht nur auf Regierungsebene, auf der Ebene der europäischen und deutsch-dänischen Politik, sondern auch auf der Ebene der beteiligten Soldaten. Es sind Männer, die sich von Frau und Kindern verabschieden, die in Briefen Hoffnungen, Erwartungen und Ängste äußern, die mutig oder ängstlich in den Krieg ziehen oder ziehen müssen.

Der deutsch-dänische Krieg 1864 war der erste Krieg, in dem das neu gegründete Rote Kreuz präsent war. Es handelte sich noch nicht um einen routinierten Einsatz, sondern um das erste Auftauchen mit entsprechenden Unsicherheiten auf deutscher und dänischer Seite. Der Autor beschreibt in einem langen Kapitel zum 18. April, dem entscheidenden Tag der Schlacht nach vierwöchiger Beschießung, akribisch die Metzelei, das Erstechen und Erschlagen, das Erschießen und Verbluten. Er beschreibt die Tätigkeit der Ärzte des Roten Kreuzes anhand von Berichten und Augenzeugenberichten, wie sie tagelang zerfetzte Arme und Beine abschneiden, wie sie mit unzureichenden Mitteln versuchen, einzelne Schwerverletzte zu retten, wie sie sortieren und diejenigen auswählen, bei denen sich eine Behandlung noch lohnt.

Die Lektüre wird dadurch noch schwerer, weil jetzt auch Menschen sterben, meist sehr jämmerlich und langsam, die wir auf den hundert Seiten zuvor gut kennen gelernt haben. Wir kennen ihre Familie, wie kennen die Briefe und Bilder ihrer Kinder, wir kennen ihre Pläne für die Zeit nach dem Krieg. Sie werden jetzt auf der Schlachtbank geopfert, Opfer einer dänischen und einer preußischen Politik, die auf einzelne Menschen, auf die eigenen Soldaten keine Rücksicht nehmen.

Was bleibt, ist die Bewältigung und Überlieferung auf beiden Seiten. Auf deutscher Seite wird in Berlin die „Siegessäule” erbaut, die an den Sieg erinnern soll, aber heute niemanden mehr an irgend etwas erinnert. Hunderte von Straßen werden nach dem Ort der Schlacht „Düppelstraße” oder nach dem deutschen Oberbefehlshaber „Wrangelstraße” genannt, auch das sagt heute kaum jemandem etwas. Auf dänischer Seite bleibt die Erinnerung an eine verheerende Niederlage, die aus Dänemark einen Kleinstaat machte, der in Europa nichts mehr zu sagen hatte. Die Niederlage wirkte fort, als Deutschland 1940 Dänemark angriff, verzichtete der Staat auf jede Verteidigung und ließ sich widerstandslos besetzen.

Was in dem Buch vollkommen fehlt, ist eine Berücksichtigung von Schleswig-Holstein. Denn 1948 handelte es sich keineswegs, wie der Autor in Nebenbemerkungen schreibt, um einzelne „Aufständische”, die gegen die dänische Herrschaft rebellierten. Und auch 1871 war es für viele Schleswig-Holsteiner keineswegs eine logische Folge des deutschen Sieges bei den Düppeler Schanzen, dass sie Teil des Deutschen Reiches wurden, es gab durchaus aus 1964 und in den Jahren danach Träume von der Unabhängigkeit.

Aber vielleicht ist es auch besser, dass der dänische Autor sich auf Dänemark konzentriert und 150-jährige Mythen nicht nur auf den Prüfstand stellt, sondern auch entschlossen und rücksichtslos zerstört. Und gleichzeitig hat er ein aufrüttelndes romanähnliches Sachbuch geschaffen, dass einen den Krieg auf unterster Ebene, im Schlamm der Schützengräben, hautnah miterleben lässt und daran erinnert, dass es doch schön ist, Bücher lesen zu müssen, weil es in unserem Leben einen Krieg in Schleswig-Holstein nicht mehr gab.

Reinhard Pohl

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