(Gegenwind 292, Januar 2013)
Das Spielbrett zeigt ein Dorf: Links oben den Markt, direkt daneben Gebäude von Handwerkern und eine Mühle. Links unten die Kirche. Rechts in der Mitte liegt das Rathaus. Und direkt darüber zeigt ein Tor den Ausgang, dahinter liegen Straßen und weitere Orte - für alle, die das Dorf verlassen und sich auf eine Reise begeben wollen.
Alle Spieler haben vor sich noch ein kleines Tableau, das den eigenen Hof zeigt. Zu Beginn stehen hier vier eigene Familienmitglieder, die vier Figuren sind jeweils mit einer „1” gekennzeichnet. Im Vorrat liegen sieben weitere Figuren der eigenen Farbe, jeweils mit einer „2”, „3” oder „4” gekennzeichnet, das sind die folgenden Generationen. Rund um den eigenen Hof verläuft eine Zeitskale, auf der ein Anzeigen immer weiter zieht. Jedes Mal, wenn er eine Runde vollendet hat, stirbt ein Familienmitglied.
Das Sterben eines Familienmitglieds mag zwar für den Betroffenen traurig sein, für die Familie ist das aber nicht immer ein Nachteil. Denn auf dem Spielplan finden wir rechts unten die „Dorfchronik”, in die verdiente Dorfbewohner aufgenommen werden. Das können Bauern vom Hof sein, aber auch Handwerker, Ratsherren und -frauen, Geistliche oder Reisende.
Wer an der Reihe ist, hat sieben Zugmöglichkeiten. Man kann ein Familienmitglied als Handwerker ausbilden und ein Produkt herstellen, wahlweise ein Produkt kaufen. Angebote wird Pferd oder Ochse, Pflug oder eine Schriftrolle. Wahlweise kann man dort, wo produziert wird, auch Korn mahlen und erhält für das Mehl Geld. Zweitens kann man Produkte auf dem Markt anbieten, wo Käufer warten. Die kleinen Käufer-Kärtchen, vom verdeckten Stapel aufgedeckt, zeigen was begehrt wird und wieviel (in Siegpunkten) dafür geboten wird. Die dritte Zugmöglichkeit ist die Reise, ein eigenes Familienmitglied kann in entfernte Städte reisen und dort Siegpunkte oder Geld bekommen. Die vierte Zugmöglichkeit ist die Ernte, die natürlich beim Besitz von Ochse oder Pferd sowie Pflug weitaus lohnender ausfällt als wenn nur ein Bauer alleine arbeitet. Die fünfte Zugmöglichkeit ist die Geburt eines neuen Familienmitglieds. Die sechste Zugmöglichkeit ist der Einzug ins Rathaus, die siebente der Einzug in die Kirche.
Bei jedem Zug erhält man ein kleines Holzklötzchen. Die farbigen könne bei vielen Gelegenheiten als Zahlungsmittel benutzt werden. Die schwarzen bringen die Pest, der Marker der Zeitleiste rückt weiter vor, vielleicht stirbt jetzt ein Familienmitglied. Wenn man die Ernte zur Mühle bringt oder reist, kann man auch Geld verdienen, diese geldstücke können jedes Holzklötzchen ersetzen und erweitern damit die eigenen Möglichkeiten.
Immer, wenn eigene Familienmitglieder den Hof verlassen, um Handwerker oder Ratsherr zu werden oder auch um zu reisen, muss der Zeitmarker um einige Felder vorgezogen werden. Die vier ersten Familienmitglieder, die sterben, sind diejenigen mit der „1”. Die ersten Neugeborenen sind diejenigen mit der Zahl „2”, die entsprechend später im Spiel sterben. Man muss den Tod von Familienmitglieder nicht unbedingt verzögern. Zwar fehlen sie für die anstehenden Arbeiten, aber die „Dorfchronik”, in der verdiente Einwohner aufgenommen werden, bringt am Schluss auch Siegpunkte. Doch die Plätze sind begrenzt: Nur die ersten fünf gestorbenen Bauern, nur die ersten drei gestorbenen Handwerker kommen in die Chronik, alle späteren Toten werden anonym hinter der Kirche begraben (ohne Punkte).
Aber man muss sich keineswegs darauf versteifen, in die Dorfchronik zu kommen. Wer frühzeitig den eigenen Hof mit Ochse und Pflug ausstattet, die Ernte immer fleißig zur Mühle bringt und dann Familienmitglieder auf Reisen schickt, kann ebenso viele Siegpunkte bekommen. Oder man konzentriert sich auf das Rathaus, denn wer als Ratsherr oder Ratsfrau aufsteigt, bekommt auch Produkte, die von Handwerkern hergestellt werden, und kann diese sofort auf dem Markt in Siegpunkte umsetzen. Ebenso wird am Ende jeder Runde gezählt, wer die Mehrheit des Personals in der Kirche stellt - wer sich hier frühzeitig eine Mehrheit sichert und diese nicht mehr abgibt, bekommt in jeder Runde zwei Siegpunkte.
Insofern stimmt es nicht, was einige SpielerInnen nach ein oder zwei Probespielen auf Internet-Portalen veröffentlicht haben: Es geht keineswegs darum, die eigenen Familienmitglieder so schnell wie möglich ins Jenseits zu befördern. Andere Mechanismen dieses Spiels erschließen sich vielleicht erst in der vierten oder fünften Partie, bringen aber genauso gut Erfolg wie andere.
Man sollte sich bloß nicht verzetteln. Eine Familie, die einen Handwerker, einen Reisenden, einen Ratherrn und einen Geistlichen hat, landet in jeder einzelnen Wertung auf dem letzten Platz und wird das Spiel nicht erfolgreich abschließen können. Man muss sich für eine bestimmte Strategie entscheiden, die zwei oder höchstens drei Bereiche umfassen sollte, und dann konsequent vorantreiben. Und: Man sollte das Spiel öfter spielen, um wirklich die Feinheiten kennen zu lernen. Denn die Regeln sind relativ komplex, so dass die ersten Spiele nicht in den auf der Schachtel aufgedruckten 60 bis 90 Minuten zu schaffen sind, sondern eher drei bis vier Stunden dauern. Die Spielregel, die man zuerst öfter zu Rate ziehen muss, ist aber sehr übersichtlich gestaltet und enthält farblich abgesetzt Spiel-Beispiele, so dass man Unklarheiten schnell klären kann.
„Village” ist im Jahre 2012 zum „Kenner - Spiel des Jahres” gewählt worden. Zu Recht!
Reinhard Pohl
Village. Ein Spiel von Inka und Markus Brand, erschienen bei Pegasus. Für 2 bis 4 SpielerInnen ab 12 Jahre, dauert ungefähr 2 Stunden, kostet ungefähr 30 Euro.