(Gegenwind 286, Juli 2012)
Die Internationale Energieagentur geht in Afrika aufgrund des Bevölkerungswachstums und der wirtschaftlichen Entwicklung der Länder davon aus, dass sich allein von 2006 bis 2030 der Elektrizitätsbedarfs verdoppeln wird. Während man also in Deutschland eifrig über die Energiewende diskutiert, ist die viel entscheidendere Frage, wie in solch aufstrebenden Kontinenten wie Afrika in Zukunft Energie hergestellt und verteilt wird.
Auch afrikanische Länder erkennen immer mehr das Potential, hier ebenfalls eine Wende einzuleiten: Weg von fossilen Energieträger, hinzu Erneuerbaren Energien.
Und die physischen Voraussetzungen sind dafür noch weitaus besser: In Afrika sind Windkraft, Geothermie oder Solarenergie fast überall in nahezu unbegrenzter Menge vorhanden. Das afrikanische Energiepolitik-Netzwerk AFREPREN errechnete z.B. für Kenia, dass die Sonneneinstrahlung im Land äquivalent zu ungefähr 300 Millionen Tonnen Öl pro Tag ist. Entscheidend ist nur, dass man diese Möglichkeiten auch nutzt.
Doch bis dahin müssen noch viele Widerstände überwunden werden, denn die Frage der Energie- und Stromproduktion ist auch eine handfeste Machtfrage.
Deutlich wird dies, wenn man sich anschaut, wer in afrikanischen Ländern überhaupt Zugang zu Strom hat: In Sub-Sahara-Afrika haben nur knapp ein Drittel der Menschen Zugang zu Elektrizität, wobei in ländlichen Regionen dieser Wert noch erheblich sinkt. Im Regelfall liegen dort die Elektrifizierungsraten bei unter zehn Prozent. Der Zugang zu Elektrizität, und damit zu Informationen, Märkten und einem höheren Lebensstandard sind extrem ungleich verteilt, eine wahre Spaltung der Länder Afrikas in marginalisierte und angeschlossene Regionen.
Und genau hier stellt sich die Machtfrage: Wie schafft man es, abgelegene Regionen ebenfalls mit Strom zu versorgen: baut man ein zentral-koordiniertes Stromnetz oder nutzt man dezentrale Lösungen, die flexibel vor Ort eingesetzt werden können?
In Afrika sind Entfernungen bekanntlich größer und das Stromnetz erstreckt sich zudem in vielen Ländern nur auf Ballungszentren. Es erscheint unsinnig, Kabel bis in die letzten Ecken des Kontinents zu verlegen, doch bisher war dies immer die favorisierte Option der Politik. Ghana z.B. startete schon Ende der 1980er Jahre ein staatliches Elektrifizierungsprogramm, mit massiver Unterstützung ausländischer Geber, in erster Linie der Weltbank. Hauptaugenmerk lag dabei immer auf dem Netzausbau, nur am Rande wurden dezentrale Solarprojekte gefördert, gelegentlich öffentliche Gebäude mit Fotovoltaik-Anlagen bebaut oder in abgelegenen Regionen installiert - viel zu wenig, um ländliche Regionen zu beleben, dort wirtschaftliche Entwicklung anzustoßen und den Menschen Perspektive zu geben.
Laut Hermann Scheer, 2010 verstorbener Abgeordneter des Deutschen Bundestags, Präsident der Europäischen Vereinigung für Erneuerbare Energien EUROSOLAR e.V. und Vorsitzender des Weltrats für Erneuerbare Energien (WCRE), wurde international jahrzehntelang versucht, Energiesysteme der Industriestaaten auf die sogenannte Dritte Welt aufzuoktroyieren, konträr zur soziologischen Struktur in den Ländern. Seiner Ansicht nach bräuchten die Menschen die Technologie dort, wo sie arbeiteten und lebten. Dies könne nur dezentrale solare Energie leisten. Sie stelle ein natürliches Energieangebot dar, müsse nicht teuer importiert werden, vermeide immense Infrastrukturkosten und könne ländliche Räume „revitalisieren”.
Soweit die Idealvorstellung. Zur Realisierung müssen aber noch dicke Bretter gebohrt werden. Es bedarf des Aufbaus von Kapazitäten, Strukturen und Know-How vor Ort. Wie es gehen kann, zeigt Kenia, wo schon in den 1980er Jahren durch Bildungs- und Aufklärungsarbeit von Entwicklungsorganisationen ein Gruppe engagierter Solar-Unternehmer entstand, die lokal angepasste Lösungen entwickelten. Heute ist Kenia das Land mit den höchsten Verkaufszahlen für Solarmodule in Afrika und dies alles ohne staatliche Unterstützung.
Diese wird aber nötig sein, um den nächsten Schritt zu einer massenwirksamen Entwicklung von Erneuerbaren Energien zu gehen, gerade wenn man sich anschaut, welch massive Subventionen fossile Energieträger immer noch erhalten. Ein Umschichten dieser Gelder in „gute Subventionen” für Erneuerbare Energien ist unerlässlich und könnte dezentrale Lösungen unterstützen, die zudem weitaus mehr Arbeitsplätze schaffen als zentrale Großanlagen.
Ein Umdenken ist in jedem Fall nötig. In Ghana hat mittlerweile auch die Regierung erkannt, und auch die Weltbank nimmt dies zur Kenntnis: der Ausbau des nationalen Stromnetzes (welches mittlerweile mehr als 50% des Landes abdeckt) wird schlicht zu teuer! Andere, dezentrale Lösungen sollen nun den Strombedarf in ländlichen Regionen decken und Erneuerbare Energien gefördert werden. Ein Schritt in die richtige Richtung, den andere Länder viel früher gehen könnten.
Unterstützt von sinkenden Weltmarktpreisen z.B. für Solarmodule, können Erneuerbare Energien immer mehr zur kostengünstigen Alternative werden. In diesem von der UN ausgerufenen Jahr für „Sustainable Energy for All” besteht also die Hoffnung, dass nun mehr in post-fossil dezentrale Energiesysteme in Afrika investiert wird und die Menschen in den betroffenen Ländern die Möglichkeit bekommen, sich mit eigener, nachhaltiger Energie autonom ihre Zukunft gestalten zu können. Mit jedem Aufbau einer Solarzelle vor Ort rückt diese Zukunft näher...
Markus Schwarz
seit Mai 2012 Promotor für nachhaltige Beschaffung beim Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein, BEI. Er beschäftigte sich in seinem Studium in Berlin mit Fragen der ländlichen Entwicklung und schrieb seine Abschlussarbeit zu der Frage, welchen Beitrag Solarenergie dazu leisten kann. Er koordiniert nun von seiner Einsatzstelle im Weltladen Heide aus die Aktivitäten für mehr Bewusstsein in öffentlichen Einrichtungen für Nachhaltigkeit und Fairen Handel.