(Gegenwind 285, Juni 2012)
„Reisen Sie mit 100% Strom aus erneuerbaren Energien quer durch Deutschland”, verspricht neuerdings die Deutsche Bahn AG und bewirbt damit ihre neue BahnCard 25, die das Reisen mit der Bahn noch klimafreundlicher machen soll. Wer also eine solche Karte erwirbt, erhält 25 Prozent Rabatt auf den Normalpreis und fährt angeblich ausschließlich mit Ökostrom. Dafür berechnet der Konzern 59 Euro für ein gesamtes Jahr und jeweils monatlich einen Euro Aufpreis, um damit die Mehrkosten für den Ökostrom decken zu können. Somit kostet die grüne BahnCard insgesamt 71 Euro und soll den Strommix der Deutschen Bahn zukünftig umweltfreundlicher machen. Wer bis zum 30.06.2012 bestellt, kann dieses Angebot für 29 Euro (inklusive Ökostrom-Aufpreis) 4 Monate lang testen.
Auf den ersten Blick wirkt dieses Angebot sehr interessant und lobenswert und doch sollte man genauer hinsehen, was tatsächlich dahinter steckt. Schließlich ist Greenwashing momentan in aller Munde und gerade große Konzerne, die weltweit für Hunger, Ausbeutung, Umweltzerstörung und Kriege sorgen, können sich auf diese Weise ein nachhaltiges und verantwortungsvolles Image verpassen. Zunächst bleibt offen, woher der Strom eingekauft wird und in welcher Höhe der Ausbau neuer Anlagen gefördert wird. Außerdem ist es doch ungerechtfertigt, dass den umweltbewussten Kunden die Mehrkosten auferlegt werden sollen, oder?
Um genau solche Fragen beantworten zu können, wurde extra von der DB eine Seite eingerichtet, die Transparenz schaffen soll. Demnach kann jeder Besitzer dieser BahnCard 25 umweltfreundlich reisen und seine eigene Klimabilanz verbessern, weil die DB den durchschnittlichen Energiebedarf von Inhabern dieser Karte ermittelt hat und diese Strommengen aus 100 Prozent erneuerbaren Energien zusätzlich eingekauft werden. Außerdem fördert jeder Besitzer den Zubau von Neuanlagen mit 3 Euro je Megawattstunde. Besonders diese Investitionen sind wichtig, damit nicht nur aktuell Ökostrom bezogen werden kann, sondern auch zukünftig mehr neue Anlagen zur Verfügung stehen.
Aber warum sollte ich jährlich 12 Euro mehr zahlen, wenn die Bahn doch sowieso das umweltfreundlichste Verkehrsmittel ist? - Gewiss eine berechtigte Frage, die man allerdings differenzierter betrachten muss. Es stimmt natürlich, dass ein Flugzeug auf der gleichen Strecke 8x und das Auto 6x soviel CO2 wie ein ICE ausstößt und trotzdem ist der Strommix der Deutschen Bahn längst nicht so umweltfreundlich, wie er eigentlich sein müsste. 2011 setzte sich dieser aus 31,8 Prozent Steinkohle, 22,3 Prozent Kernenergie, 21,8 Prozent erneuerbaren Energien sowie 13,4 Prozent Braunkohle zusammen. Außerdem entfallen 9 Prozent auf Erdgas und weitere 1,7 Prozent auf sonstige Energieträger. Ganz offensichtlich ist dieser Mix noch sehr klimaschädlich und basiert zumeist auf fossilen Energieträgern und gefährlicher Atomkraft. Langfristig muss der Konzern seinen Strom ausschließlich aus erneuerbaren Quellen beziehen, um eine Vorreiterrolle einnehmen und das Reisen mit der Bahn wirklich klimafreundlich machen zu können. Deshalb kann die Bahn die Verantwortung nicht ausschließlich auf die Reisenden übertragen, sondern muss auch selbst tätig werden. Noch müssten die Kunden die Mehrkosten für den zusätzlichen Ökostrom selbst tragen, weil die DB diese Aktion als freiwilliges Angebot neben den selbst gesetzten Zielen eingeführt hat. Bis 2020 möchte der Konzern seinen Anteil an erneuerbaren Energien auf mindestens 35 Prozent erhöht haben.
Es klingt irgendwie perfekt, weil jeder umweltbewusste Verbraucher nun noch umweltfreundlicher reisen kann und die breite Masse hier viel bewegen könnte. Doch ganz so schön ist es letztlich doch nicht, weil die DB im Juli 2011 mit dem Stromkonzern RWE einen Milliarden-Deal abgeschlossen hat. Dieser besagt, dass die DB rund 900 Millionen Kilowattstunden Strom aus Wasserkraft für die Jahre 2014 bis 2028 geliefert bekommt und dafür 1,3 Milliarden Euro bezahlt. RWE verdient ganz offen mit Kohle- und Atomstrom und investiert im Ausland weiterhin in sehr unsichere Kraftwerke, die teilweise in erdbebengefährdeten Regionen liegen. Irgendwie doch nicht alles so grün, oder? Zurecht macht sich jetzt Verunsicherung breit und es entsteht ein Konflikt, der nur schwer gelöst werden kann. Natürlich möchte man als umweltbewusster Verbraucher gerne mehr zahlen, wenn damit die Umwelt entlastet werden und man langfristig ein Zeichen setzen kann. Außerdem ist es gewiss ein guter Schritt, wenn ein Konzern den Anteil der erneuerbaren Energien ausbauen möchte und doch passt RWE nicht in dieses ganze Konzept hinein. Warum ausgerechnet ein Vertrag mit diesem Stromkonzern gemacht wurde, lässt sich möglicherweise auf den sehr hohen jährlichen Verbrauch von 16 Terrawattstunden zurückführen. Doch selbst das ist kein ernstzunehmendes Argument.
Offensichtlich finanziert jeder Bahn-Kunde indirekt den Stromriesen RWE, egal ob mit oder ohne dieser BahnCard. Deshalb allerdings die Bahn als Fortbewegungsmittel zu vermeiden, wäre der falsche Weg. Diese neue BahnCard finanziert den Stromkonzern zusätzlich, damit weiterer Ökostrom zugekauft werden kann. Doch so richtig kann auch hier nicht von Ökostrom die Rede sein, weil eben durch den Bezug dieses Stroms auch indirekt Kohle- und Atomstrom mitfinanziert werden. Ich halte diese Aktion letztlich für Greenwashing, weil zu viele Ungereimtheiten auftreten und man als umweltbewusster Konsument zu krasse Kompromisse eingehen müsste. Natürlich werde auch ich weiterhin mit der Bahn reisen, um die Umwelt zu entlasten und doch bin ich nicht bereit für diese angeblich grüne BahnCard zusätzliche Kosten tragen zu müssen. Die Fahrkartenpreise wurden in den letzten Jahren schon auf eine unzumutbare Höhe angehoben, sodass die Leute doch lieber wieder mit dem Auto fahren, was immer noch günstiger ist. Statt also 12 Euro für angebliche Mehrkosten zu verlangen, muss die Deutsche Bahn komplett vergesellschaftet werden und ihren Status als Aktiengesellschaft aufgeben. Die Bürger müssen das Recht auf bezahlbare und umweltfreundliche Mobilität haben, was leider momentan nicht immer gegeben ist. Außerdem sollte der Verkehrskonzern nicht weiter Verträge mit einem kriminellen Konzern wie RWE abschließen, der beispielsweise gegen das Atomausstiegsgesetz der Bundesregierung geklagt hat und weiterhin massiv auf den Ausbau von Kohle- und Atomkraft setzt.
Sollten die Preise für Fahrkarten gesenkt werden und der Konzern seinen Strom ausschließlich von einem echten Ökostromanbieter beziehen, bin auch ich gerne bereit diese angeblichen Mehrkosten zu tragen. Bis dahin möchte ich nicht noch stärker das Image der Deutschen Bahn grün färben und die Geschäftsbeziehung mit RWE aufrechterhalten. Da hilft auch kein Zertifikat vom TÜV SÜD, dass 100 Prozent erneuerbare Energien für alle Karteninhaber sowie den Anlagenausbau garantiert. Die Bahn hat als großer Konzern wirklich eine Chance, etwas zu bewegen. So zumindest wird das allerdings nie klappen...
Thorge Ott