(Gegenwind 284, Mai 2012)
Es muss schon als ein besonderer Glücksfall bewertet werden, wenn sich Bürger aus einer Region zusammenfinden, um sich für ihre Region zu engagieren, nicht nur um als Betroffene ganz spezielle Nachteile abzuwehren und nicht um parteipolitischer oder persönlicher finanzieller Vorteile willen. Seit 2008 versucht das Eiderstedter Forum im südlichen Teil des Kreises Nordfriesland für die Halbinsel Eiderstedt, eine durch Landwirtschaft und Tourismus geprägte Landschaft, die immerhin aber auch potenzielles Landschaftsschutzgebiet, historische Kulturlandschaft und teilweise Vogelschutzgebiet, Bestandteil des europäischen Schutzgebietskonzepts Natura 2000 ist, Bewusstsein für die Qualität und die Potentiale der Region zu schaffen, einerseits Entwicklungsanstöße zu geben und andererseits Fehlentwicklungen zu verhindern.
Wie so oft, sind es Bürger, die von außen kommen, die, nachdem sie einen Ort oder eine Region kennengelernt haben, feststellen, dass Defizite und Entwicklungspotentiale vorhanden sind und dass Handlungsbedarf besteht. Die Kommunalpolitiker vor Ort, Heimatvereine oder Wirtschaftsförderungsvereinigungen sind allzu oft entweder überfordert, betriebsblind, zu einseitig ausgerichtet oder durch Filz und Kirchturmpolitik nicht ausreichend handlungsfähig. Wenn eine Region wirtschaftliche besonders attraktiv ist, geht vieles wie von selbst, doch auch dann kann es sehr leicht zu Fehlentwicklungen kommen: bauliche Verunstaltungen, Landschafts- und Umweltbeeinträchtigungen oder gar -zerstörungen, Benachteiligungen bestimmter Bevölkerungsgruppen, Aufteilung der Bevölkerung in Gewinner und Verlierer.
Neue Herausforderungen wie der demografische Wandel, die Energiewende, die Globalisierung machen es nicht gerade einfacher, die Lebensbedingungen in den strukturschwachen Regionen zu sichern und eine nachhaltige Regionalentwicklung auf den Weg zu bringen. Dies kann heute ohnehin nur mit Hilfe von außen, durch Beratung, durch die Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel, gelingen. Doch zunächst einmal muss erkannt werden, welche Potenziale und Risiken, welche Stärken und Schwächen vorhanden sind. Es muss der Wille vorhanden sein, sich den Herausforderungen zu stellen und nicht in Gleichgültig oder Resignation abzugleiten. Wut und Empörung sind andere mögliche Reaktionen - die Hoffnung auf Wunder oder die „unsichtbare Hand” ist allerdings nicht hilfreich. Selbst von der Landes- und Bundespolitik ist nicht viel zu erwarten, es sei denn, es kommt zu massiverem und anhaltendem Druck.
Das Eiderstedter Forum hat in den letzten Jahren durch mehrere Veranstaltungen mit Experten einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht und sich als kompetentes regionales Bürgerbündnis profiliert. Die Aktivitäten des Eiderstedter Forums werden von Beate Leibrandt koordiniert. 30 bis 50 Bürgerinnen und Bürger, die teilweise in örtlichen Bürgerinitiativen oder in Umwelt- und Naturschutzverbänden wie NABU und BUND aktiv oder auch kommunalpolitisch tätig sind, kommen zu Veranstaltungen zusammen, darüber hinaus finden regelmäßige Treffen zur Vorbereitung von Veranstaltungen und Aktivitäten statt. Im Unterschied zu anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen hat sich das Eiderstedt Forum mit einer großen Bandbreite regionaler Themen befasst, mit der Regional- und Ortsentwicklung, mit dem Natur- und Artenschutz, mit Energiefragen, mit der Landwirtschaft und dem Tourismus in der Region. Durch Unterstützung örtlicher Initiativen oder Betroffenen konnte schon mehrfach konkrete Hilfe geleistet werden.
Zur Umsetzung der vielfältigen Anregungen bedarf es naturgemäß der Unterstützung, vor allem der Kommunalpolitiker. Die Kommunalpolitiker tun sich in ihrer Mehrheit allerdings sehr schwer, Anregungen aufzunehmen und sich im Sinne des Eiderstedter Forums zu engagieren. Grundsätzlich bestehen erhebliche Defizite bei der Bürgerbeteiligung. Selbst die regelmäßig und bei besonderen Anlässen durchzuführenden Einwohnerversammlungen werden in vielen Gemeinden nur äußerst selten angeboten. Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger beschränken sich meist auf Fragen bei Gemeindevertretersitzungen.
Die Einwohnerversammlungen bieten prinzipiell gute Möglichkeiten, Themen ausführlich zu diskutieren und auch Abstimmungen durchzuführen. Bei Planungsvorhaben können fundierte Stellungnahmen zu Änderungen der Planungen führen. Die Unterstützung durch Experten kann im Einzelfall jedoch Kosten im vier- und fünfstelligen Bereich verursachen. Gegebenenfalls ist auch noch eine juristische Klärung herbeizuführen, die ein finanzielles Risiko beinhaltet.
Das klassische Instrument der Öffentlichkeitsarbeit sind Medien- und Bürgerinformationen. Darüber hinaus können Briefe an Entscheidungsträger, vor allem auch an Abgeordnete, insbesondere auch mit Unterschriftenlisten und Leserbriefe, möglichst selbstverständlich in größerer Zahl, wirksam eingesetzt werden.
Schließlich bleibt noch die Organisation von und die Teilnahmen an Kundgebungen und Demonstrationen. Bei begrenzten Kapazitäten muss naturgemäß eine Auswahl der Handlungsoptionen getroffen werden, zumal die tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeiten eher bei kleinen Probleme und Forderungen vorhanden sind. Nur selten lässt sich die monopolistische Lokalpresse motivieren, die Themen wie die des Eiderstedter Forums ausführlich darzustellen oder gar dessen Forderungen gegenüber tradierten Mehrheitsmeinungen und Verhaltensweisen offensiv zu unterstützen.
Die Bereitschaft der zuständigen Entscheidungsträger angemessener Beteiligung der Bürger muss letztlich politisch erkämpft werden. Ansatzpunkte gibt es genug. Zu häufig wird auf allen politischen Ebenen und beim Verwaltungshandeln der durch die Verfassung vorgegebene Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Die Auslegung der gesetzlichen, auch der grundgesetzlichen Vorgaben, wird durch die Entscheidungsträger gern zu ihren Gunsten vorgenommen. Die juristische Einforderung der Verhältnismäßigkeit von mehr Gerechtigkeit und Demokratie gestaltet sich noch außerordentlich schwierig. Es kommt jedoch bekanntlich immer wieder vor, dass das Bundesverfassungsgericht oder andere Gerichte Korrekturen vornehmen bzw. fordern müssen.
Auf der letzten Veranstaltung des Eiderstedter Forums sollten den Bürgermeistern der Region mit einem Katalog von Problemen und Anregungen der Mitglieder des Forums vorgestellt werden. Ein wesentlicher Grund für die Erstellung dieses Katalogs war die Ablehnung der externen Erarbeitung einer „Machbarkeitsstudie zur Erhöhung der Wertschöpfung in der Region” durch drei Gemeinden. Bedauerlicherweise war zur Veranstaltung in Garding nur eine Minderheit der Bürgermeister erschienen. Die anwesenden Bürgermeister, einer davon Amtsvorsteher, wurden insbesondere mit Fragen zur konzeptionellen Entwicklung und zur Bürgerbeteiligung konfrontiert. In den Reaktionen kam zum Ausdruck, dass die Bedeutung der Bürgerbeteiligung noch zu wenig erkannt, von dem meisten Kommunalpolitikern eine weitergehende Beteiligung mit dem formalen Bezug auf ihr demokratisch legitimiertes Mandat abgelehnt wird. Kommunalpolitiker verweisen auch gern - nicht völlig zu Unrecht - auf die geringe Finanzausstattung er Kommunen, darüber hinaus wird mehr oder weniger offen zugegeben, dass sie sich, auch aus finanziellen Gründen, den Wünschen großer Investoren beugen. Die Erwartungen an die Landespolitik beschränkten sich auf der Veranstaltung des Eiderstedter Forums dann auch vor allem auf eine bessere Finanzausstattung. Mit der mangelnden Legitimation der Amtsausschüsse bei gemeindeübergreifenden Entscheidungen, die kürzlich noch geringfügig geändert worden ist, hat man sich offensichtlich weitgehend abgefunden.
So blieb ziemlich unklar, wie es weiter gehen soll. Den Mitgliedern des Amtsausschusses ist eine schriftliche Ausarbeitung mit der Problem- und Anregungskatalog mit der Bitte um eine Stellungnahme überreicht worden. Diese Stellungnahme wird auszuwerten sein. Für das Eiderstedter Forum gibt es noch viel zu tun.
Diese Entwicklungspotenziale sollten möglichst in ein ganzheitliches Konzept für die Region und in die entsprechenden Entwicklungskonzepte der größeren Gemeinden aufgenommen werden. Die Konzepte sollten auch Vorgaben für die Erhaltung, Wiederherstellung und Gestaltung der Ortsbilder enthalten.
Klaus Peters