(Gegenwind 281, Februar 2012)


LOKALES: Glinde

Glinder Protest gegen Rechtsextremismus

Glinde, eine kleine Stadt im Landkreis Stormarn, war bisher nicht für Nazi-Umtriebe bekannt. So sorgte es für einen Schock, als Mitte September ein Tønsberg-Laden mit dem Vertrieb von Thor-Steinar-Kleidung begann. Seitdem leistet Glinde Widerstand: mit Mahnwachen, mit Demonstrationen und natürlich ständiger Information und Aufklärung.

Der Ort Glinde

Glinde, eine kleine Stadt mit etwas über 17 000 Einwohnerinnen und Einwohnern, liegt im Süden des Schleswig-Holsteiner Landkreises Stormarns. Glinde ist ca. 20 Kilometer von Hamburg entfernt und Teil der Metropolregion. In der Stadtvertretung sind CDU, SPD und Grüne vertreten. Rechtsextreme sind nicht in der Stadtvertretung. Glinde bietet ein umfangreiches Angebot an Einkaufsmöglichkeiten und Infrastruktur. Glinde investiert in Kinderbetreuung und verfügt über Grundschulen, Gemeinschaftsschule sowie ein Schulzentrum mit Gymnasium und einer weiteren Gemeinschaftsschule.

Rechtsextremismus in Stormarn

Der Verfassungsschutzbericht für Schleswig-Holstein 2010 beschreibt, daß es in fast allen Landesteilen zumindest Ansatzpunkte für rechtsextremistische Strukturen gibt, generell aber eine leicht rückläufige Tendenz des Rechtsextremismus festzustellen ist. Die Situation sei in Stormarn allerdings eher gegenläufig. Die Region sei lange Zeit unterdurchschnittlich von rechtsextremen Bestrebungen betroffen gewesen. In 2010 hätten erstmals lose rechtsextreme Strukturen festgestellt werden können. Zurückgeführt wird dies auf zunehmende Auseinandersetzungen zwischen „rechts-” und „links-”gerichteten Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die in gewalttätige Auseinandersetzungen gemündet seien. Hervorgehoben wird eine „Mahnwache” „gegen linke Gewalt”, die am 19. Juni 2010 im Kreisgebiet stattfand und an der 60 Aktivisten der rechten Szene teilgenommen hätten. Diese Gelegenheit hätten auch überregional bekannte Rechtsextremisten genutzt, um öffentlich aufzutreten. In einem am 3. Januar 2012 erschienenen Interview mit Innenminister Schlie erklärt dieser, dass sich die rechtsextreme Gruppierung „Autonome Nationalisten Stormarn” im zweiten Halbjahr fester strukturiert habe. Diese Gruppierung umfasse rund 30 Personen. Allerdings sei in Stormarn die Tendenz erkennbar, daß die Zahl rechtsextremer Aktionen abnehme. Von anderer Seite gibt es die Einschätzung, dass Stormarn verglichen mit anderen Kreisen eine recht aktive rechte Szene habe. Zumindest subjektiv haben einige Menschen im Kreisgebiet den Eindruck, dass rechtsextreme Schmierereien und Aufkleber und damit die Präsenz neonazistischer Elemente zunimmt.

In Ahrensburg, der größten Stadt Stormarns, wurde aufgrund von rechten Schmierereien und verstärkter Plakatierung rechtsextremistischer Parolen auf politischen Beschluss hin ein Bericht der Verwaltung aktuell vorgelegt. Er kommt zu dem Schluss, dass es in Ahrensburg zur Zeit keine Hinweise auf fest oder lose strukturierte rechtsextremistische Strukturen gäbe. Polizeilich bekannt sei in Ahrensburg eine „handvoll” junger Menschen, die dem rechtsextremistischen Spektrum zuzurechnen seien. VertreterInnen der Vereins Jugendkulturinitiative Ahrensburg und Umgebung und andere kritische BürgerInnen sind allerdings von dem Bericht enttäuscht.

Thor-Steinar-Laden in Glinde

Am 16. September 2011 eröffnete in Glinde ein Tønsberg-Geschäft, das auch Kleidung der Marke „Thor-Steinar” vertreibt. Diese Kleidung ist in der rechtsradikalen Szene beliebt und es gibt Befürchtungen, dass der Laden Rechtsradikale anzieht und sich das Geschäft zum Treffpunkt für Nazis entwickelt und zur Kontaktpflege genutzt wird. Es gibt bereits Beobachtungen, dass sogar KundInnen aus anderen Bundesländern - auch weiter entfernten - das Geschäft aufsuchen. Darüber hinaus könnte sich eine rechte Szene entwickeln und festsetzen.

Seitdem hat sich ein buntes Bündnis vieler Parteien, Vereine und Organisationen gebildet, das sich mit Engagement, Unerschütterlichkeit und Durchhaltevermögen gegen den Laden einsetzt und immer wieder öffentlich dazu Stellung bezieht. Dazu gehören tägliche Mahnwachen, Marktstände, Plakatstände.... Am 26. November 2011 fand eine Kundgebung statt, die den durch alle Bevölkerungsgruppen gehenden Glinder Widerstand gegen Naziumtriebe deutlich machte. VertreterInnen von Grünen, SPD, CDU, Linken, kirchlichen Gruppen, das Glinder „Theoter ut de Möhl”, der TSV Glinde und vor allem viele Bürgerinnen und Bürger - insgesamt zwischen 500 und 750 Demonstrantinnen und Demonstranten - wanderten vom Marktplatz bis zum Glinder Berg, dem Standort des Tønsberg-Ladens. Ein friedlicher, aber in Teilen lautstarker und entschiedener Protest gegen die braune Szene. Vor dem Laden - der inzwischen für diesen Tag geschlossen worden war - wurde bei einer Kundgebung durch den Bürgermeister, den Bürgervorsteher sowie einer Vertreterin der Bürgerinitiative gegen Rechts betont, dass man Nazis keinen Fußbreit Raum geben dürfe, dass man den Kampf gegen die braune Szene weiterführen wolle, und zum Durchhalten bei den Protestaktionen aufgerufen.

Am 14. Dezember 2011 wurde eine Menschenkette von der Initiative „Glinde gegen rechts” organisiert. Eine Lichterkette sollte als stiller Protest an die Opfer des Rechtsextremismus erinnern. Rund 500 Menschen mit Lichtern zeigten, dass sie sich gegen rechte Tendenzen in Glinde wehren.

Am 14. Januar soll es einen Neujahrsempfang ab 13 Uhr zur Mahnwache bei dem Tønsfeld-Laden geben. Und die Initiative plant weitere Aktionen, z. B. einen Markt der Nationen zu veranstalten.

Keine Frage: Glinde ist bunt und nicht braun.

Sabine Rautenberg

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