(Gegenwind 279, Dezember 2011)

Engagieren sich im Projekt „Dialog lokal - global”: Pastor Ralf Greßmann, Anani Moumouni, Diana Jeruto Lagat, Pastor Balozi Mruttu, Sarah Strutz und Albert Röhl (von links)
Engagieren sich im Projekt „Dialog lokal - global”: Pastor Ralf Greßmann, Anani Moumouni, Diana Jeruto Lagat, Pastor Balozi Mruttu, Sarah Strutz und Albert Röhl (von links)

Eine Welt

Gerechtigkeit beginnt im Dialog

„Warum essen die Menschen in Kenia nicht ihre Ananas selbst, wenn sie Hunger haben, sondern exportieren die Früchte ins Ausland!” Es wird kurz still im Raum angesichts der spontanen Bemerkung einer Vorkonfirmandin, welche schlaglichtartig die Konsequenzen globaler wirtschaftlicher Verflechtungen in Frage stellt.

Während einer Kirchenfreizeit beschäftigten sich rund 40 VorkonfirmandInnen aus der Kirchengemeinde Münsterdorf Ende Oktober mit der Bedeutung des Fairen Handels bei dem Aufbau gerechterer Wirtschaftsstrukturen nicht nur in Kenia. Zu einer dreistündigen Unterrichtseinheit in der Jugendherberge in Glücksstadt hatte Pastor Ralf Greßmann Diana Jeruto Lagat, Anani Moumouni sowie Ursula und Albert Röhl aus dem Weltladen TOP 21 eingeladen. In Kooperation mit der „Stube Nord” des Diakonischen Werks Hamburg bietet der Elmshorner Weltladen landesweit noch bis Sommer 2012 Schulen, Kirchen und anderen Trägern der Jugendarbeit die Veranstaltungsreihe „Dialog lokal - global” an. „Unser Ziel ist, zum Nord-Süd-Dialog beizutragen, indem wir jungen Menschen die Möglichkeit zum Austausch mit ausländischen Studenten und Studentinnen bieten”, erklärte Veranstaltungsinitiator Albert Röhl. Bereits im Bereich „Globales Lernen” geschulte ausländische StudentInnen berichten bei ihren Besuchen beispielsweise bei Kirchenfreizeiten oder an Schulen über die Lebensverhältnisse in ihren Herkunftsländern in Asien, Afrika oder Lateinamerika.

BEI-Mitgliedsgruppen

PERSPECTIVES KAMERUN e.V.
Harmsstraße 72, 24114 Kiel
Kontakt: Lazare Tomdio
Telefon: 0431-6613944
Email: contact@perspectives-kamerun.com
Website: www.perspectives-kamerun.com

Brücken bauen zwischen Menschen: Über die Jahre hinweg hat der Verein in verschiedenen Regionen in Kamerun Bildungsarbeit geleistet. Seit 2008 arbeiten die Vereinsmitglieder international. Sie setzen sich für eine zielgerichtete Förderung der Ärmsten der Armen in Kamerun ein.

Der Verein legt großen Wert auf Gesundheit, Ernährung und Umweltschutz und arbeitet direkt mit zuverlässigen und regierungsunabhängigen Dorfgemeinschaften und ProjektpartnerInnen in „Hilfe zu Selbsthilfe”-Projekten zusammen, deren Nachhaltigkeit überprüft wird. So werden Projekte unterstützt, die erneuerbare Energiequellen nutzen, die zur Verbesserung der Trinkwasserqualität führen oder im Gesundheitswesen, der Ernährungsberatung und in der Bildungsarbeit angesiedelt sind. Das Ziel ist, den bedürftigen und armen Menschen zu ermöglichen, ihr eigenes Leben entscheidend zu verbessern und neue Perspektiven zu entwickeln.

Das langfristige Ziel ist, eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit Schulen, Krankenstationen und Dorfgemeinden aus dem Einzugsgebiet der Armenviertel und den armen Regionen Kameruns zu etablieren. Den Kindern sollen die benötigen Schulmaterialien bereit gestellt, Krankenstationen mit medizinischem Gerät und Pflege-Hilfsmitteln ausgestattet und Ausbildungswerkstätten geschaffen werden.

Finanziert werden die Projekte von Spenden. Ausgeführt werden sie von den Betroffenen selbst unter Anleitung von einheimischen Projektleitern, Mitgliedern des Vereins.

Aktuelles Projekt: Sauberes Trinkwasser für die Gemeinde und Dorfbewohner von Malende, ein Dorf zirka 7 Kilometer von Kumba entfernt, im Südwesten von Kamerun: „Trinkwasser für Malende” wurde von den der Dorfgemeinschaft als das dringendste Projekt bestimmt, denn das Dorf Malende verfügt über kein Leitungswasser.

Dass viele kenianische Bauern von den Einkünften landwirtschaftlicher Exportgüter wie Ananas und Passionsfrucht nicht leben können, erfuhren die jungen Menschen. Und dass die Abholzung in dem ostafrikanischen Land die landwirtschaftliche Nutzung gefährdet - schließlich kann niemand von Ananas allein leben, informierte Diana Jeruto Lagat ihre ZuhörerInnen. Auf die Frage nach den Auswirkungen der ungerechten internationalen Handelsbeziehungen konnte Diana Jeruto Lagat den jungen Menschen nur ihre Fassungslosigkeit zeigen: „Fast die Hälfte der Menschen in Kenia haben nur zwei Euro am Tag zum Leben und in Deutschland können sich Menschen drei Passionsfrüchte für zwei Euro leisten. Was bei uns billig hergestellt wird, verkaufen andere teuer im Ausland. Warum ist die Welt so ungerecht?” Während einige Jugendliche ganz aufmerksam dem Bericht folgen, sind andere nicht mehr bei der Sache. Zu wenig fassbar mag der Bezug zu ihrem Handeln bleiben und zu ausfüllend mögen die eigenen Belange erscheinen. „Würdet ihr einen Euro mehr für dasselbe Produkt zahlen, wenn dafür die Menschen Löhne bekämen, von denen sie auch leben können?” Eine Handvoll wusste, dass die eigenen Eltern regelmäßig fair gehandelte Lebensmittel kaufen.

Seit acht Jahren lebt Diana Jeruto Lagat in Deutschland. In Kenia war sie im Umweltschutz und in der Frauenbewegung aktiv, bevor sie nach Deutschland zum Soziologiestudium kam. „Mit vier Jahren ist mein Vater von einem Auto überfahren worden, so etwas passiert in Kenia immer wieder”, erzählte Diana Jeruto Lagat. Trotz schwieriger finanzieller Bedingungen ging sie in die Schule. „Heute ist die Schule kostenfrei, das war bei mir noch nicht so. Manches Mal konnte meine Mutter das Schulgeld nicht bezahlen und ich konnte daher dann nicht zum Unterricht gehen.” Früh hat sie daher mitgeholfen, das eigene Schulgeld und auch das für die Geschwister in der Landwirtschaft zu verdienen wie Anani Moumouni auch: „Ich bin für meine Geschwister ein Vorbild, da ich aus eigener Anstrengung geschafft habe, nach Deutschland zum Studium zu kommen.” Inzwischen schreibt er an seiner Doktorarbeit an der erziehungswissenschaftlichen Fakultät in Hamburg.

„Wie ist das eigentlich, wenn ihr Euer Handy verloren habt oder es gestohlen wurde?”, wendete sich der Togolese einem anderen Thema zu. „Wie lange müsst ihr dann auf ein neues Telefon warten?” Die VorkonfirmandInnen waren schnell einer Meinung: Höchstens ein paar Tage könnten sie ohne ein Handy auskommen. „Ihr seid verwöhnt und habt wenig Durchhaltevermögen”, fasste Anani Moumouni das Ergebnis aus seiner Sicht zusammen und berichtete von seinen vergleichenden Beobachtungen junger Menschen in Togo und in Deutschland. Viele junge Togolesen seien ohne berufliche Perspektive und daher mutlos und depressiv. „Das ist nicht wie hier, wo schon die jungen Leute ganz gestresst vom Leben sind.” Andererseits beobachtete er, dass sich viele junge Menschen in Deutschland mit viel Engagement für die Belange ihrer Umwelt einsetzten, „da könnten sich die jungen Leute in Togo eine Scheibe abschneiden.” Mit der Zeit, die er in Deutschland lebe, und immer mehr Verständnis für die deutsche Lebensart gewinne, sei die Wertschätzung für die Kultur in Togo gewachsen. „Wir könnten viel voneinander lernen”, ist er überzeugt.

Beeindruckt zeigte sich Pastor Ralf Greßmann. „Wenn wir uns für Gerechtigkeit engagieren, bedeutet es, dass wir uns mit den Belangen anderer aus ihrer Sicht auseinandersetzen.” Gerechtigkeit beginne im Dialog.

Nicole Gifhorn

Kontaktadresse „Dialog lokal - global”: Weltladen Top 21 e. V, Holstenstraße 19, 25335 Elmshorn, Tel.: 04121 8989762, Email: info@weltladen-top21.de

Weitere Adresse: Im Internet-Portal www.daara.de sind Referent/innen und Lernorte des Globalen Lernens zusammengestellt, die für Schulen, Kindertagesstätten und Jugendeinrichtungen in Schleswig-Holstein zur Verfügung stehen.

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