(Gegenwind 276, September 2011)
Die Aleviten sind eine Glaubensgemeinschaft aus der Türkei, die dort allerdings über Jahrhunderte unterdrückt wurde. Erst in Deutschland wurden in den 80er Jahren die ersten Vereine gegründet, inzwischen treten sie auch in der Türkei öffentlich auf. In Schleswig-Holstein gibt es fünf Gemeinden (Neumünster, Lübeck, Kiel, Geesthacht und Wedel). Wir planen, in einigen Monaten die Aleviten Schleswig-Holsteins hier im Gegenwind ausführlich vorzustellen. Vorab haben wir schon mal einige Mitglieder der Alevitischen Jugend in Neumünster besucht und uns von ihrer Arbeit dort bereichten lassen.
Gegenwind:
Wie lange gibt es die Alevitische Jugend in Neumünster schon? Könnt Ihr erzählen was passiert ist bevor Ihr aktiv wurdet?
Yagmur:
Die Alevitische Jugend in Neumünster gibt es seit 2005. Damals wurde angefangen, die Arbeit aufzubauen. Die Jüngeren wurden dann allmählich einbezogen, und seit 2009 ist die zweite Generation dran. Sie führt die Arbeit jetzt weiter als neuer Vorstand.
Gegenwind:
Was hat denn der Vorstand vor Euch gemacht? Wie alt warst Du damals?
Yagmur:
Als es anfing, war ich 14 Jahre alt. Da die Altersbegrenzung erst ab 16 Jahren war, durfte ich an den Aktivitäten nicht teilnehmen. Damals haben sie den Raum gestaltet, das war in den alten Vereinsräumen. Desweiteren haben sie sich mit anderen Vereinen getroffen und an Seminaren teilgenommen, auch außerhalb von Schleswig-Holstein. Und diese Arbeit setzen wir jetzt fort.
Gegenwind:
Was ist denn das Besondere an den Aleviten, was seht Ihr als das Wichtigste in eurer Religion an?
Sükran:
Wichtig ist, dass es eine offene Religion ist. Mann und Frau sind bei uns gleich, haben gleiche Rechte.
Sükran:
Es gibt keine allgemeine und einheitliche Definiton des Alevitentums. Es ist schwer, das Alevitentum in ein paar Sätzen zu beschreiben. Aber typisch ist, dass das Alevitentum ein toleranter, lieberaler, humanistischer und offener Glaube ist. Wir legen sehr viel Wert auf die Glaubensfreiheit, Einhaltung der Menschenrechte und auf die Gleichberechtigung. Bei uns sind Mann und Frau gleich. Es gibt auch keine räumliche Trennung beim Gottesdient. Wir beten alle zusammen.
Gegenwind:
Seit wann seid Ihr in dieser Gruppe aktiv?
Sükran:
Wir sind seit 2009 aktiv. Am Anfang haben wir uns nur unter uns getroffen, haben Film- & Spielabende organisiert, damit wir uns besser kennen lernen. Im nachhinein haben wir uns regelmäßig getroffen und unsere bevorstehende Arbeit besprochen.
Gegenwind:
Habt Ihr denn etwas anders gemacht als der vorige Vorstand?
Sükran:
Wir haben ein regelmäßiges Treffen eingeführt, in einigen Zeiten jede Woche, aber mindestens jede zweite Woche. Dort besprechen wir, was wir besser machen können und was wir ändern sollten. Wir haben viel Kontakt mit anderen Verbänden und Alevitischen Jugendgruppen aufgenommen und uns bemüht immer in Kontakt zu bleiben.
Gegenwind:
Wie viele seid Ihr jetzt? Wer kann in der alevitischen Jugend Mitglied werden?
Sükran:
Wir sind ungefähr zwanzig feste Mitglieder, die aktiv sind, das sind alle Jugendliche aus alevitischen Familien.
Yagmur:
Ich hatte ja schon vorhin erwähnt, dass man vor einigen Jahren mindestens 16 Jahre alt sein musste, um mitmachen zu dürfen. Wir haben keine bestimmte Alterbegrenzung, unser jüngstes Mitglied ist 15 Jahre alt. Wir nehmen jetzt aber auch Jüngere auf, die unter 15 sind und versuchen, dass diese alles kennen lernen, damit sie mal unsere Nachfolger werden können. Nach oben gibt es keine Begrenzung. Diejenigen, die vor uns im Vorstand waren, haben mit ungefähr 25 Jahren aufgehört.
Gegenwind:
Was macht Ihr denn? Was habt Ihr für Angebote, auch für Nicht-Mitglieder?
Sükran:
Wir bieten einen Sazkurs, Foklorekurs und Nachhilfe an, welches jeweils einmal in der Woche stattfindet und wo sich alle beteiligen können.
Yagmur:
Wir organisieren einmal im Jahr einen Ausflug in den Heidepark, wir bereiten außerdem unsere Gottesdienste vor und im Juni machen wir immer ein Grillfest, auch da sind alle außerhalb des Vereins herzlich eingeladen.
Gegenwind:
Mit welchen anderen Vereinen arbeitet Ihr zusammen?
Yagmur:
Wir haben zu den Jugendgruppen in Hamburg, Geesthacht, Kiel und Lübeck kontakt. Dann gibt es noch Kontakte über das Internet mit anderen Jugendgruppen oder einzelnen Mitgliedern.
Bei anderen Vereinen sind es hier in Neumünster die Jusos, also die SPD-Jugend, und wir sind Mitglied im Kreisjugendring und treffen dort alle anderen Mitgliedsgruppen.
Gegenwind:
Mischt Ihr Euch in aktuelle Diskussionen zur Integration ein?
Yagmur:
Ja. Wir waren letztens bei einer Veranstaltung der SPD Neumünster zur Integration. Wenn wir von solchen Veranstaltung hören, gehen wir auch hin.
Gegenwind:
Ich habe mich nun mit Vertretern der alevitischen Jugend verabredet. Als ich herkam, warteten hier drei junge Frauen. Ist das Zufall? Gibt es auch männliche Jugendliche, die aktiv sind?
Yagmur:
Das ist Zufall. Wir sind eine gemischte Gruppe und zu den Treffen kommen auch häufig die Jugendlichen einer Familie gemeinsam, Brüder, Schwestern und Cousins.
Wir achten darauf, dass wir immer einen Jungen und ein Mädchen als Vorsitzende haben. Sowohl unsere Jugend als auch der Vorstand ist eine gemischte Gruppe.
Gegenwind:
Wie ist es bei den Vorständen der örtlichen Vereine der Aleviten?
Yagmur:
Da sind mehr Männer. Die Frauen, die im Vorstand sind, sind meistens unter dreißig. Aber wir sorgen auf jeden Fall dafür, dass sich das ändert.
Gegenwind:
Welche Aufgaben hat denn bei Euch der Bundesverband?
Sükran:
Der Bund der Alevitischen Jugend ist sehr hilfreich. Wenn eine Veranstaltung bevorsteht, sind sie stehts zur Hilfe. Zum Beispiel hatten wir im Jahre 2010 ein Tagesseminar veranstaltet, wobei wir die volle Unterstützung des Bundesverbandes hatten.
Gegenwind:
Gibt es das auch umgekehrt? Gibt es andere Jugendgruppen, denen Ihr Tipps geben könnt?
Yagmur:
Ja. Zum Beispiel habe ich Freunde in Bayern, die neu eine Jugengruppe gegründet haben und mich fragten, wie wir angefangen haben, wie wir es soweit geschafft haben. Wir helfen uns immer gegenseitig.
Gegenwind:
Wenn Ihr eine Veranstaltung machen wollt, muss das der Vorstand vom Alevitischen Kulturverein genehmigen und bezahlen?
Sükran:
Grundsätzlich ja. Wir gehen immer zu den Vorstandssitzungen hin und dort wird das gemeinsam besprochen. Die Veranstaltungen, wobei wir finanzielle Unterstützung benötigen, müssen dort beschlossen werden.
Yagmur:
Aber wir suchen auch Sponsoren und haben Bekannte, die auch mal was umsonst machen.
Interview: Reinhard Pohl