(Gegenwind 273, Juni 2011)
Dies ist unser erster Rundbrief. Deshalb stellen wir unsere Arbeit noch einmal kurz vor, bevor wir über unsere bisherige Aktivitäten berichten. Unterstützung wird übrigens noch intensiv gesucht! Interessierte sind herzlich eingeladen zum Einführungstermin am 29.06.2011 von 17-19 Uhr - genauere Informationen finden Sie am Ende des Artikels.
Schätzungsweise eine halbe bis eine Million Menschen ohne Papiere leben in Deutschland, die meisten von ihnen in ständiger Angst, entdeckt und abgeschoben zu werden. Deshalb trauen sich viele von ihnen nicht zum Arzt. Sie sind nicht krankenversichert und könnten die Behandlungskosten selbst nicht tragen. So bleiben Erkrankungen oft lange unbehandelt. Folgen sind chronische oder gar lebensgefährliche Erkrankungen.
Vor diesem Hintergrund gründete sich 2010 das Medibüro Kiel. Vorbilder wie das Medibüro Berlin gab es bereits. Heute ist das Medibüro Kiel eine Anlaufstelle, die ein Mal wöchentlich anonym und kostenlos Menschen ohne Papiere an ÄrztInnen, Hebammen oder andere medizinische Facheinrichtungen vermittelt. Finanziert wird das Medibüro Kiel über Spenden.
Das Medibüro Kiel ist nicht nur ein rein humanitär-soziales Projekt, sondern möchte Politik und Gesellschaft auf die Situation von illegalisierten MigrantInnen aufmerksam machen und diese verbessern. Der Ausschluss von Illegalisierten aus dem regulären Gesundheitssystem hat politische Gründe - deshalb fordert das Medibüro Kiel politische Lösungen und macht konkrete Vorschläge, denn das Recht auf Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht für alle - unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus.
Das Medibüro Kiel organisierte dazu Veranstaltungen an der Uni, an Fachhochschulen sowie in medizinischen Fachkreisen und beteiligte sich mit Infoständen und Beiträgen an politischen Aktionen und Festen. Diese Aktivitäten werden wir fortsetzen, u.a. mit unserem Stand am 1. Juni auf dem Bundesweiten Ärztetag in Kiel.
Jeden Dienstag von 14:30 bis 16:30 Uhr vermittelt das Medibüro-Team anonym und unentgeltlich in der ZBBS e.V., Sophienblatt 64a medizinische Hilfe. Kosten für Medikamente, Hilfsmittel oder bildgebende Verfahren werden über Spendenmittel und - wenn möglich - Eigenbeteiligung der PatientInnen finanziert. Zur Beratung in rechtlichen und sozialen Fragen vermittelt das Medibüro an ein Netzwerk von erfahrenen flüchtlings- und migrationsspezifischen Beratungsstellen.
Nicht nur Menschen ohne Aufenthaltsstatus suchen das Medibüro Kiel auf, sondern auch EU-BürgerInnen aus Bulgarien und Rumänien. Sie sind zwar legal in Deutschland, haben aber ebenfalls keinen Zugang zu Sozialleistungen, da sie bisher in Deutschland legal nicht erwerbstätig sein konnten. Oft sind es Angehörige von Minderheiten wie z. B. Roma, die in ihren Herkunftsländern unter Diskriminierung leiden. Das Medibüro Kiel unterstützt auch sie und steht im Austausch mit dem Amt für Familie und Soziales, um zu einer politischen Lösung dieses Problems beizutragen.
Das Medibüro Kiel besteht aus einer buntgemischten Gruppe engagierter Menschen mit verschiedensten Hintergründen. Die MedibürolerInnen haben sich zu Themen wie Ausländerrecht, zur Situation von Illegalisierten in Schleswig-Holstein und zur Pressearbeit fortgebildet. Zudem gab es einen Austausch mit Projekten in Hamburg und Bad Segeberg. Kontakt besteht auch zum Landesjustiz- und Innenministerium, um dort über die Arbeit des Medibüros zu informieren.
Das Medibüro Kiel ist jetzt online: Sie erreichen uns unter www.medibuero-kiel.de. Für ÄrztInnen, die das Medibüro unterstützen wollen, stehen ein Informationsblatt und ein Ärzteleitfaden zur Verfügung. Gerne können Sie uns auch direkt kontaktieren: info@medibuero-kiel.de.
Seit unserem Start im Oktober 2010 konnten wir (bis Mai 2011) 34 PatientInnen vermitteln, unter ihnen fünf Schwangere. Die PatientInnen stammten unter anderem aus Kamerun, Irak, Ukraine und Algerien, zudem vermittelten wir auch BürgerInnen aus neueren EU-Mitgliedsstaaten wie Bulgarien und Rumänien.
Wir danken hier ganz herzlich den Arztpraxen, Hebammen und anderen Einrichtungen, die mit uns zusammenarbeiten! Vielen Dank auch an die SpenderInnen, die uns durch Überweisungen unterstützen, für uns Solikonzerte und -frühstücks organisierten und unsere Spendendosen füllen!
Neben den wöchentlichen Sprechstunden treffen sich die Medibüro-AktivistInnen jeden zweiten Mittwoch von 17-19 Uhr in der ZBBS e.V. (Sophienblatt 64a) zu Informationsaustausch, Diskussion von aktuellen Fragestellungen sowie zur Planung von Veranstaltungen und Lobbyarbeit. Neue MitstreiterInnen sind immer willkommen, um Spenden zu sammeln, Flyer zu verteilen, aber auch sich in den verschiedenen Arbeitsgruppen einzubringen!
Wir möchten jede Sprechstunde mit zwei MitarbeiterInnen besetzen, jeweils einer Frau und einem Mann sowie jeweils einer medizinisch- und einer sozial-beratungs-kompetenten Person. Für beide Bereiche werden noch engagierte Leute gesucht, die dienstags in der Zeit von 14.30 bis 16.30 Uhr Zeit haben und alle 4-6 Wochen eine Sprechstunde übernehmen können. Zur Unterstützung bestehen hilfreiche Leitfäden, die über Fragen in Zusammenhang mit der Sprechstunde informieren. Interessierte werden eingearbeitet, indem sie bei erfahrenen Teams hospitieren.
Am Mittwoch, 29.06.2011 von 17-19 Uhr bieten wir außerdem eine spezielle Einführung in die Vermittlungstätigkeit sowie in unser PC-System mit Daten zu Arztpraxen, Vernetzungspartnern und Hilfsangeboten an. Sie findet in den Räumen der ZBBS in Kiel (Sophienblatt 64a) statt. Melden Sie sich bitte an unter info@medibuero-kiel.de . Oder kommen Sie bei einem unserer Mittwochstreffen einfach schon einmal vorbei - die Termine finden Sie unter //www.medibuero-kiel.de/hintergrund/aktuelles/!
Medibüro Kiel