(Gegenwind 268, Januar 2011)


Lehrreiche Pflegearbeiten im Tomatengewächshaus: Carsten Mey vom Demeterhof Dannwisch erklärt den Schüler/innen Zusammenhänge.

Ein Arbeitsschwerpunkt mit Entwicklungspotential

Globales Lernen im BEI

Die entwicklungspolitische Bildung ist seit jeher eines der Arbeitsfelder des Bündnis' Eine Welt Schleswig-Holstein (BEI) im Rahmen der sogenannten entwicklungspolitischen Inlandsarbeit. Das Landesnetzwerk konzentriert sich auf die Vermittlung und Weiterentwicklung der entwicklungspolitischen Perspektive im Inland, also in Schleswig-Holstein. Damit ergänzt das BEI die Arbeit seiner Mitgliedsgruppen, die sich z.B. in Partnerschaftsinitiativen in den Ländern des Südens engagieren.

Der Fokus der Bildungsarbeit im entwicklungspolitischen Bereich hat sich in den vergangenen 10 bis 15 Jahren gewandelt. Die Situation in den Ländern des Südens und die Frage, wie das Leben der Menschen dort zu verbessern sei, wurde erweitert um die Frage, was die wirtschaftliche, ökologische oder politische Lage dort mit unserem Leben hier zu tun hat. Die weltweiten Verknüpfungen sind stärker in das Blickfeld gekommen und eine selbstkritische Betrachtung unseres Lebensstils als Ausgangspunkt und als Folge globaler Entwicklungen hat sich zur Analyse hinzu gesellt.

Das Globale Lernen und der Lernbereich globale Entwicklung sind mit anderen Bildungsbereichen wie der Umweltbildung, der politischen Bildung und der interkulturellen Erziehung zu einem ganzheitlichen Konzept zusammengewachsen. Sowohl in Schulen als auch im außerschulischen Bereich spielt die Auseinandersetzung mit komplexen gesellschaftspolitischen Themen und Fragestellungen eine immer wichtigere Rolle. Angesichts globaler Herausforderungen wie dem Klimawandel, internationaler Migration, dem Artensterben, der Menschenrechtslage oder den weltweiten Waren- und Kommunikationsströmen hat dieses Bildungskonzept zum Ziel, Menschen mit Fähigkeiten und Kompetenzen auszustatten, die ihnen ein Leben in und ein Mitgestalten der globalisierten Welt ermöglicht.

Das BEI führt seit vielen Jahren Projekte durch, die in Schulen, in außerschulischen Angeboten und nun auch auf universitärem Feld das Globale Lernen befördern.

2007 erhielten bundesweit die Bemühungen zur Stärkung des Globalen Lernens zusätzlichen Schub, als der „Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung” als gemeinsame Empfehlung von der Kultusministerkonferenz und dem Bundesentwicklungsministerium veröffentlicht wurde. An einem Umsetzungsprojekt in Schleswig-Holstein nahmen mehrere Schulen teil. Sie erprobten Wege, wie die gegebenen Empfehlungen in der Schulpraxis implementiert werden können.


Lernstoff: Konkurrenz im Pflanzenreich, Methode: "Unkraut"-Jäten im Tomatenbeet. Zusätzliche Erkenntnis: In Lebensmitteln steckt viel Arbeit.

In der Pinneberger Johannes Brahms-Schule machten sich mehrere Lehrkräfte auf den Weg, den Lernbereich Globale Entwicklung einzuführen. Anlass war die Idee einer kleinen Gruppe von Lehrer/innen, Schüler/innen und Eltern, auf dem Schuldach eine Photovoltaik-Anlage zu installieren. Diese sollte nicht nur aus den finanziellen Überschüssen der Stromeinspeisung Gelder für eine Schulpartnerschaft erwirtschaften. Sie sollte auch Anlässe für die Schule schaffen, sich mit dem Thema Energie und Klimaschutz zu befassen - und das auf eine fächerübergreifende Weise. Mit Unterstützung des BEI und des IQSH (Institut für die Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein) wurden Anknüpfungspunkte für den Unterricht identifiziert und Überlegungen entwickelt, wie in verschiedenen Klassenstufen das Thema behandelt werden könnte. Pädagogisches Selbstverständnis bei der Einführung des Lernbereichs ist, die Schüler/innen selbst aktiv werden zu lassen und damit die Lerneffekte über die Erfolge im Unterricht hinaus zu heben. Die Umsetzung der Ideen läuft. „Landwirtschaft” wurde als weiteres Thema des Lernbereichs gewählt: Jede/r Schüler/in soll in der Schulkarriere mindestens dreimal mit dem Themenfeld Landwirtschaft in Kontakt kommen und so aufeinander aufbauend ein möglichst umfassendes Bild der komplexen Verflechtungen auf regionaler und auf globaler Ebene im landwirtschaftlichen Sektor gewinnen.

Zwei fünfte Klassen machten den Anfang und besuchten fünfmal einen ökologischen Bauernhof, mit dem die Schule eine Partnerschaft eingegangen war. Die Kinder lernten durch Erkundung, Mitarbeit in verschiedenen Betriebsbereichen und durch Gespräche mit den auf dem Hof beschäftigten Menschen viel über die moderne ökologische Landwirtschaft. Im Unterricht tauchten einzelne Themen wieder auf und so konnten die Erfahrungen „im richtigen Leben” Anlässe für Aufgabenstellungen im Fachunterricht sein. Wie berechne ich die Fläche eines Gewächshauses? Was sind arttypische Verhaltensweisen von Hühnern, auf die bei einer artgerechten Hühnerhaltung geachtet werden sollte? Welche Faktoren beeinflussen das Wachstum von Gurken, Tomaten oder Ackerbohnen? Wie heißen die gelernten Begriffe aus der Landwirtschaft auf Englisch?

Wertschätzung für die Arbeit in der Landwirtschaft; ein Verständnis für ökologische Zusammenhänge; ein Gefühl dafür, wie Arbeiten auf dem landwirtschaftlichen Betrieb organisiert werden müssen; das Kennenlernen von Tieren und Pflanzen, die unsere Nahrung sind: Ein Vielzahl von Erfahrungen und Erkenntnissen sowie das Wissen um eigene Handlungsmöglichkeiten nehmen die Kinder aus dem Projekt mit. Sie werden dieses Kenntnisse erweitern und vertiefen, wenn sie in Klasse 8 wieder mit Themen aus der Landwirtschaft beschäftigen. Das Konzept für die nächsten Schritte wird jetzt erarbeitet.

Globales Lernen geht, wie es die Lehrpläne in Schleswig-Holstein verlangen, von der Lebenswelt der Schüler/innen aus. In fächerverbindender Weise werden Themenfelder aus unterschiedlichen Perspektiven behandelt und dabei kommen die verschiedenen Dimensionen der Nachhaltigkeit (Ökonomie, Ökologie, Gesellschaft, Politik, Kultur) zur Sprache. Die Art der Aufbereitung und der Bearbeitung soll die Kinder und Jugendlichen anregen, kritisch und selbstkritisch ihre Welt zu betrachten und an deren Gestaltung teilzuhaben. Nach meiner eigenen Einschätzung ist bei den Schüler/innen aus Pinneberg einiges in Bewegung gekommen.

In Schleswig-Holstein gibt es mittlerweile an vielen Schulen Aktivitäten zu Themen aus dem Lernbereich Globale Entwicklung. Auch in den Universitäten wächst das Interesse, zum Beispiel in der Ausbildung der Lehrkräfte das Globale Lernen als modernes Konzept der schulischen Bildung zu vermitteln. Noch liegt die Implementierung des Globalen Lernens oft auf den Schultern einzelner engagierter Personen. Als entwicklungspolitisches Landesnetzwerk bemühen wir uns, die Akteure zusammenzubringen und Kräfte und Ideen zu bündeln, um den Lernbereich Globale Entwicklung auch institutionell zu verankern. Das liegt nicht nur im Interesse entwicklungspolitischer Ziele, sondern ist auch für eine nachhaltige Entwicklung in unserem alltäglichen Leben unabdingbar.

Heike Hackmann
Referentin für Globales Lernen

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