(Gegenwind 267, Dezember 2010)

Gebäuder der HSH Nordbank

LANDTAG Schleswig-Holstein

Kurze Durchfahrt oder das erwartbare Ende eines Gastspieles

Prof. Dr. Dirk Jens Nonnenmacher, seit November 2008 Vorstandsvorsitzender der HSH Nordbank, steht vor der Entlassung. Das erwartbare Ende eines kurzen Gastspieles soll genutzt werden, um Dr. No, wie er rasch genannt wurde, und seine Arbeit für die HSH Nordbank zu würdigen.

Als Prof. Dr. Dirk Jens Nonnenmacher im Oktober 2007 als Finanzvorstand, amerikanisch: Chief Financial Officer (CFO) in den Vorstand der HSH Nordbank eintrat, brannte die Hütte bereits lichterloh. Anfang August 2007 hatte sich die Kapitalschwemme im internationalen Finanzsektor innerhalb weniger Tage in eine Kapitalknappheit gewandelt. Seither war Liquidität in der Bank ein Thema, denn es wurde für die HSH Nordbank stetig aufwändiger ihre Geschäfte zu refinanzieren. Dies war umso bedrückender, als die Bank darauf angewiesen war ihre KreditderivateAnm. 1 alle drei Monate voll zu refinanzieren. Am 26. August zeigte sich die Sachsen LB unfähig, dieses Problem zu lösen und ging über einem Finanzloch von 17 Milliarden Euro zu Grunde.

Bereits einige Wochen vorher hatte man in der HSH Nordbank wachsende Verluste registriert und versucht das gesamte Kreditderivategeschäft abzustoßen. Da dieses „Erwachen” weltweit parallel geschah wurden die Kreditbündel schlagartig unverkäuflichAnm. 2. Diesen Verlauf hatte ein Hedgefonds-Manager namens Michael Burry im Frühjahr 2005 vorausgesehen. Nun kam seine große Stunde. Gemeinsam mit der Deutschen Bank und Goldman Sachs hatte er in großem Stil Gegenposition bezogen und auf den Zusammenbruch des Schneeballsystems Kreditderivate auf amerikanische Immobilien gesetzt. Burry verdiente mit seiner Wette 720 Millionen DollarAnm. 3; Geld das auch von Schleswig-Holstein und Hamburg aufgebracht werden musste, um die Verluste der HSH Nordbank auszugleichen. Geld entsteht nicht oder verschwindet einfach so. Was Einer nicht mehr hat, hat jemand AnderesAnm. 4.

Doch zurück zu Dirk Jens Nonnenmacher. Als er in die Bank kam, wurde nicht nur das Geld knapp, sondern auch der Börsengang entpuppte sich als Illusion. Wenn sich Bankenzusammenbrüche häufen kann man nicht erwarten, dass Private in Banken investieren. Zugleich brauchte die Bank dringender denn je Geld. Neugeschäfte waren kaum zu finanzieren - man denke an den Eiertanz um LindenauAnm. 5. Die Kreditausfälle steigerten sich, die Refinanzierung wurde schwieriger. Die Verluste aus den Kreditderivaten überschritten die Eine-Milliarde-Euro-Grenze. Also musste ein Dreh gefunden werden, die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein dazu zu bringen, ihre Stillen Einlagen in Eigenkapital zu verwandeln und darüber hinaus mit dem Privatinvestor Flowers zu einer Kapitalerhöhung zu kommen.

Das war die Bewährungsstunde des Mathematikprofessors Nonnenmacher. Fortan war es seine Aufgabe mit mathematischen Modellen die aufkommende Besorgnis über die Lage der Bank zu zerstreuen. Dies war recht einfach, weil die HSH Nordbank schon 2005 entschieden hatte, die Steuerung der Bank umzustellen. Dazu wurden eigene historische Daten der Landesbanken verwendet, um die neuen Geschäfte der HSH Nordbank zu beurteilen. Dies führte aufgrund der mangelnden Ausfallerfahrung im eigenen historischen Datenbestand zu einer massiven Kapitalentlastung der internen Steuerungssysteme, insbesondere für die US-Immobilienrisiken. Man hat also die Datenbasis, die man benötigt um Risiken von Geschäften mit Differentialgleichungen abzuschätzen aus dem alten öffentlichen Geschäftsmodell der LB genommen und diese auf das neue private Geschäftsmodell der HSH angewendet und alleine dadurch einen Wirtschaftserfolg erzeugt.

Die Kalkulation von Verlustrisiken aus Derivatgeschäften lief über so genannte Monte-Carlo-Simulationen. Nonnenmacher verwendete nach eigenen Aussagen bis in 2009 hinein ein Gauß-Copula-Modell, über das die Risiken gepoolter Kreditforderungen ermittelt wurden. Das Handelsblatt berichtete am 11. Mai 2009 über eine Analyse der Finanzexpertin Susan Lee zu den finanzmathematischen Ursachen der Finanzkrise. Diese wird unter der Überschrift: „Gauß-Copula - Die Formel aus der Hölle” folgendermaßen zitiert: Eigentlich sei die Gauß-Copula eine normale statistische Berechnungsvariante gewesen, bis: „[...] in 2000, a numbers guy at JPMorgan Chase tricked it out as a quick and dirty way to quantify risk in very complex financial instruments.” Mit anderen Worten, der Mathematikprofessor Nonnenmacher hat schmutzige mathematische Methoden verwendet, um die HSH Nordbank sauber aussehen zu lassen.

Es handelt sich um ein grundlegendes Problem. Noch in der letzten Anhörung vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss versuchte Nonnenmacher klarzumachen, wie bedeutend Vertrauen für die Bank sei. Ganz nach dem Motto der Deutschen Bank: „Vertrauen ist der Anfang von Allem”Anm. 6 breitete er seine Meinung darüber aus, dass Banken im Grunde mit Vertrauen handeln würden. Aber das tun sie nicht. Und auch jeder Bürger ist gut beraten dort Vertrauen zu schenken, wo es tatsächlich angebracht ist und zugleich immer wieder zu prüfen, ob es auch gerechtfertigt ist. Gegenüber Banken, so kann heute zusammenfassend festgehalten werden, ist es generell nicht zu rechtfertigen. Trotzdem handeln Banken und zwar deshalb, weil sie nicht mit Vertrauen, sondern mit Risiken handelnAnm. 7. In Kritik an gängigen Sicherheitsvorstellungen hatte Niklas Luhmann 1991 einen weitreichenden Vorschlag gemacht: Die Differenz lautet nicht Risiko/Sicherheit sondern Risiko/GefahrAnm. 8. Er geht von der Überlegung aus, dass jedes menschliche Handeln in sozialen Kontexten riskant ist, weil diese nicht trivial sind und in der Folge auch keine Sicherheit in Hinsicht auf das Handeln Anderer bereitstellen. Kommunikation wird erst möglich, wenn nicht determiniert ist, was das Gegenüber antworten wird. Also ist alles riskant. Und die Leistung der sozialen Systeme besteht darin, diese Risiken berechenbar zu machen. Gefährlich sind hingegen unberechenbare Ereignisse, wie das Auftauchen von Haien an einer Badestelle. Dirk Baecker entfaltet dann den Gedanken, dass Banken mit Risiken handeln, das heißt ihre Funktion besteht darin, dass sie Risiken des wirtschaftlichen Handelns managen. Das schon tragische Missverstehen, es ginge um Vertrauen, führte Nonnenmacher in die Irre. Er hätte sich als Risikomanager zu bewähren gehabt.

Das Jahr 2008 verging so mit laufenden Verlusten aus dem Kreditderivatgeschäft und der Schönrechnerei der Bank. Noch wenige Tage vor dem Zusammenbruch der Lehman Bank Anfang September 2008 verkündigte der damalige Vorstandsvorsitzende der HSH Nordbank Hans Berger ganz im Sinne einer vertrauensbildenden Maßnahme eine Gewinnerwartung von 100 Millionen Euro für 2008. Bekanntermaßen wurden daraus drei Milliarden Verlust. Im November krachte das Vertrauenskonstrukt der HSH Nordbank zusammen. Innerhalb weniger Tage trat Hans Berger zurück und Dirk Jens Nonnenmacher wurde neuer Vorstandsvorsitzender der HSH Nordbank. Das große Bedienen hub an, weil die Zukunft der Bank ins Ungefähre rückte. Die einen bekamen Halteprämien, die Anderen Prämien für den Ausstieg.

Was mag die Landesregierungen von Hamburg und Schleswig-Holstein bewogen haben, sich für den Herrn Nonnenmacher zu entscheiden? Hätte man nicht auch das Scheitern der Privatisierung einräumen können und einen ausgewiesenen Bankensanierer heuern können? So z.B. den jetzt ins Spiel gebrachte Jan Eric KvarnströmAnm. 9. Wäre es nicht Zeit für die Einsicht gewesen, dass die Länder die Bank nie im Griff hatten und diese folglich besser in den Händen des SoFFin aufgehoben wäre? Wahrscheinlich ist Folgendes passiert: Die Landesregierungen blickten im November 2008 kurz in die Abgründe der Bank und entschlossen sich dazu diese im Dunkeln zu belassen. Das Vertrauensspiel sollte weiter gespielt werden, obwohl die Bank selbst keine Anhalte des Vertrauens bieten konnte. Vielmehr war es erst das staatliche Eingreifen, das wieder Vertrauen aufbauen konnte. Der Staat kann etwas, was kein Unternehmen kann: sich mit Sicherheit refinanzieren. Und dies weil er über Gewaltmittel Zahlungen erzwingen kann. Deshalb ist der Staat die einzige sichere Bank. Man beschloss stattdessen, jemanden zu nehmen, der die Abgründe als Ebenen und Höhen darstellen konnte - und das mit mathematischen Modellen.

Seit der drei Milliarden betragenden Rekapitalisierung der HSH Nordbank durch die Länder Schleswig-Holstein und Hamburg im Frühjahr 2009 ging es für Nonnenmacher also darum, die Bank hübsch aussehen zu lassen. Und dazu gehörte auch, hässliche Informationen aus der Wirklichkeit der Bank nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Das ist der Hintergrund der Nonnenmacher-Scans nach „Informationslecks” in der Bank. Dafür war die Prevent AG beauftragt worden. Mit den AufträgenAnm. 10: „1. Verdeckte Besuche von öffentlichen Veranstaltungen und geladener Gesellschaften zum Thema HSH 2. Hintergrundgespräche zum Thema bei verantwortlichen Politikern aller in den Parlamenten vertretenen Parteien 3. Identifizierung von Übermittlungswegen für vertrauliche Informationen” sollten Vorstände der Bank, Abgeordnete und Mitarbeiter bespitzelt werden. Wahrscheinlich hatte er auch den Auftrag unliebsame Mitarbeiter abzuservieren. Darauf deutet jedenfalls das Legen einer Kinderporno- Spur beim missliebigen New Yorker Filialleiter hin. Paradox führte also das Bemühen Nonnenmachers, die Bank sauber aussehen zu lassen dazu, die Bank ins Zwielicht zu rücken

Es war das stete Bemühen des Landesvaters und seines Finanzministers, für Vertrauen in die HSH Nordbank zu sorgen. Das ist jetzt gescheitert. Die Personalie Nonnenmacher hat sich vor allem deshalb als Übergangslösung entpuppt, weil dieser den innigen Wunsch der Landesregierung, die HSH Nordbank hübsch aussehen zu lassen, nicht erfüllen konnte. Nach wie vor drängt sich der Eindruck auf, dass sich die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein mit dem Privatisierungsprojekt HSH Nordbank maßlos überhoben haben. Vor allem will die Transformation einer sicheren (weil staatlichen)Bank zu einer riskanten (weil privaten) Bank nicht gelingen. Die Wahrscheinlichkeit da mit Vertrauen raus zu kommen, ist gleich Null.

Dr. Thomas Herrmann
Wissenschaftlicher Referent für Wirtschaft und Finanzen, Fraktion DIE LINKE. im Schleswig-Holsteinischen Landtag

Anmerkungen

  1. Kreditderivate sind abgeleitete Kredite. Das heißt, die Bank hat nicht selbst einen Kredit vergeben, sondern gebündelte Kredittranchen anderer Banken gekauft. Das war ein gutes Geschäft solange die Kredite im üblichen Rahmen bedient wurden und laufend frisches Kapital ins System kam. Mit dem Rückgang der Hauspreise in den USA versiegte auch der Kapitalzustrom und so setzte eine Spirale nach unten ein.
  2. Bis auf wenige Ausnahmen. Der Deutschen Bank ist es noch 2008 gelungen, ein größeres Bündel an die IKB zu verkaufen.
  3. Vgl. Die Schrott-Händler von Paricia Döhle in brand eins, Juni 2010, S. 66 - 72.
  4. Was die spannende Frage aufwirft, wie denn nach durch Zahlungen herbeigeführter Zahlungsunfähigkeit Zahlungsfähigkeit wieder hergestellt wird.
  5. Die Bank zahlte in der Folge eine Reihe von Kreditverträgen wegen „banküblichen Vorbehalten” nicht aus. Nicht zuletzt dies mag Werner Marnette mit bekannt guten Kontakten zu Hamburger Reedern dazu bewogen haben, die Lage der Bank früh realistisch einzuschätzen.
  6. Der Slogan „Aus Ideen werden Märkte” markiert bereits die soziale Katastrophe. Die Deutsche Bank drückt die laufende Regression allen menschlichen Handelns ins wirtschaftliche Handeln aus. Brutaler geht es nicht.
  7. Dirk Baecker, Womit handeln Banken? Eine Studie zur Risikoverarbeitung in der Wirtschaft,
  8. mit einem Vorwort von Niklas Luhmann, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1991
  9. Niklas Luhmann, Soziologie des Risikos, Berlin: de Gruyer, 1991.
  10. Zu lesen im Handelsblatt vom 9.11.2010
  11. Das sind nur drei von 15 Aufträgen. Vgl. Drucksache 19/7612, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, 19. Wahlperiode.
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