(Gegenwind 260, Mai 2010)

Sebastian Jabbusch

Interview mit Sebastian Jabbusch, dem Sprecher der Greifswalder Initiative „Uni-ohne-Arndt”

„Das schlägt eine tiefe Wunde”

Gegenwind:

Am 17. März hat der Senat der Universität Greifswald entschieden, dass der antisemitische und rassistische Ernst Moritz Arndt weiterhin Namenspatron der Uni bleibt. Wie bewertest Du diese Entscheidung?

Sebastian Jabbusch:

Ich persönlich bin entsetzt und sprachlos mit welcher Eindeutigkeit dies passiert ist. Man hat damit die Namensverleihung von Herman Göring aus dem Jahr 1933 bestätigt und sich dem Druck der überwiegend älteren Greifswalder gebeugt. Dieser Druck hat sich ja teilweise in persönlichen und öffentlichen Drohgebärden geäußert.

Vor allem aber fehlte mir eine Begründung des Votums. Man ging über die Beurteilung von über 30 Historikern und Arndt-Experten einfach hinweg, die Rassismus, Antisemitismus, Völkischen Nationalismus, sowie schlicht Arndts Fanatismus bestätigten. Ferner empfahlen 19 dieser Historiker der Uni dringend die Ablegung des Namens - ein einmaliger Prozess, der in der sonst politisch eher neutralen Wissenschaftswelt sehr selten ist. Ebenfalls ignoriert wurden die über drei Vollversammlungen der letzten Jahre, die über 700 Mitglieder der Initiative „Uni ohne Arndt”, sowie die Forderung fast der Hälfte der Studenten bei der Urabstimmung.

Nur ein Senator begründete sein Votum pro Arndt mit gerade einmal zwei Argumenten. Zum einen sei Arndt ein „echter Charakter” gewesen, der sich nicht habe verbiegen lassen. Eine Aussage die man wohl auf viele Diktatoren dieser Welt problemlos übertragen könnte. Wohlweislich hat der Professor es vermieden darauf einzugehen „wofür” sich Arndt eingesetzt hatte. Zum anderen würde die Uni nicht einfach „jedem modernden Zeitgeist” hinterherlaufen. Bei dieser Aussage wurde mir richtig übel, da der Professor überhaupt nicht reflektierte, wessen Zeitgeist er da verteidigte.

Also: Die Universität bleibt - wie schon bisher - eine Erklärung, warum sie an Arndt festhält, schuldig. Das schlägt eine tiefe Wunde und erschüttert mein Vertrauen in eine Demokratie. Sollten in „unserem System” nicht Argumente mehr wert sein als Geld, Macht und Drohungen?

Gegenwind:

Dennoch gibt es doch auch Positives zu erwähnen. Wie habt Ihr es etwa geschafft dieses für Greifswalder Verhältnisse schier unglaubliche Medieninteresse auszulösen? So gut wie alle seriösen Zeitungen in Deutschland haben über Euch berichtet. In der Süddeutschen habt Ihr es sogar auf die Titelseite geschafft!

Sebastian Jabbusch:

Ja - ein Professor hat ja sogar behauptet, wir würden quasi alle Medien „fernsteuern” und hat damit, ob bewusst oder unbewusst, an alte jüdische Vorurteile angeknüpft. Tatsächlich haben wir die wenigsten Medien angeschrieben. Vielmehr war für die meisten Journalisten das Thema schlicht spannend. Und das ist es ja auch. Den einzigen „Trick”, den wir angewandt haben, war es die Debatte spannend zu gestalten und eine Art Kampagne zu planen. Das begann mit der öffentlichen Arndt-Lesung bei der die Greifswalder - wie erwartet - die Polizei wegen Volksverhetzung anriefen. Die Polizei räumte uns ebenfalls wie erwartet weg. Die große Vollversammlung der letzen Jahrzehnte und die erste Urabstimmung in der Geschichte der Uni waren ebenfalls Teil dieser Kampagne. Journalisten, die sich einmal für das Thema interessiert haben, haben wir dann regelmäßig auf dem Laufenden gehalten.

Wenn man aber wirklich richtig gute Pressearbeit gemacht hätte, hätte man weit mehr rausholen können. Aber da wir alle ehrenamtlich und ohne jegliche Aufwandsentschädigung gearbeitet haben, war mehr leider nicht möglich.

Vollversammlung der Greifswalder Studenten
Vollversammlung der Greifswalder Studenten

Gegenwind:

Inwiefern hat die Nutzung des Internets bei der Kampagne eine Rolle gespielt?

Sebastian Jabbusch:

Es geht nicht um „das Internet”. Es geht generell darum Informationen an möglichst viele Menschen zu transportieren. Dazu gehörten in unserer Kampagne Flyer, Plakate, Fahrradbändchen, Twitter, Studi-VZ, Facebook, Interviews in Radios und Zeitungen, Presseerklärungen, aber auch Veranstaltungen aller Art. Alles gehört zusammen. Eine gute Internetseite ist definitiv nur ein Teil des Ganzen, auf der alles sehr schön übersichtlich präsentiert werden kann. Auch so als eine Art Archiv. Tatsächlich lagen die Abrufzahlen nie über 200 Leser am Tag. Wir haben also über unsere Internetseite längst nicht so viele Menschen erreicht, wie über Zeitungen, Radio, Plakate und ähnliches.

In Greifswald hatten wir jedoch die Sondersituation, dass der zuständige Lokalredakteur sehr voreingenommen pro Arndt war und seine politische Einstellung auch in fast alle Artikel einfloss. Hier war unsere Internetseite die Möglichkeit, für die Interessierten eine Gegenöffentlichkeit aufzubauen. Aus ähnlichen Gründen hatte ich früher ja den Stupa-Infoblog gegründet, den ich später als webMoritz an das Studierendenparlament verkaufte. Wer Politik gestalten will, muss Mehrheiten gewinnen. Und um Mehrheiten zu gewinnen, ist es wichtig, die Argumente direkt und ungefiltert an die Zielgruppe zu bringen. Deshalb braucht heute wie früher jede Kampagne ein Informationsportal.

Gegenwind:

Könntest Du vielleicht den Lesern ein paar Ratschläge geben, wie man erfolgreich eine Kampagne durchführt?

Sebastian Jabbusch:

Das wichtigste ist die „Warum”-Frage. Du musst sehr genau abklären, ob das, was Du vorhast, Sinn hat. Wenn man ein Produkt oder eine Idee verkaufen will, sollte man zunächst sicher stellen, dass das Produkt oder die Idee gut ist. Nur wenn Du selbst zu 100 % davon überzeugt bist, kannst Du auch andere Menschen davon oder dafür überzeugen. Das heißt: Möglichst viele Fragen vorher abklären. Die „Uni ohne Arndt”-Kampagne hatte das Glück, dass es schon seit 2001 extrem umfangreiche Informationen zur Ablegung des Namenspatrons gab. Wir brauchten de facto kaum eine eigene Argumentation aufbauen, sondern konnten uns auf einen wissenschaftlichen Konsens berufen. Es fehlte lediglich „etwas Druck”. Wie wir gesehen haben, konnten wir diesen öffentlichen Druck trotz alledem nicht erzeugen.

Publikum bei einer Arndt-Podiumsdiskussion in Greifswald
Publikum bei einer Arndt-Podiumsdiskussion in Greifswald

Ansonsten gibt es viele Tipps, die jedoch für ein solches Interview zu lang sind und wahrscheinlich eher Bücher füllen. Wie sieht die Finanzierung der Kampagne aus? Hast Du Dich um eine umfangreiche Vernetzung und Kooperation gekümmert? Wie ist die Strategie? Was sind Höhepunkte der Kampagne für die Medien? Welche Bilder kannst Du verkaufen? Welche Emotionen willst Du ansprechen? An wen richtet sich die Kampagne? Wie kann man diese am besten erreichen? Wer ist die Gegengruppe und wie geht man mit ihr um?

Gegenwind:

Hast Du vor, in Zukunft weitere Kampagnen zu starten und, wenn ja, welche?

Sebastian Jabbusch:

Diese Kampagne hat mir fast ein ganzes Lebensjahr geraubt und mich finanziell stark belastet. Ganz zu schweigen von den fehlenden Einzahlungen in diverse Rentenkassen und dem großen Minus auf dem Konto meiner Mutter. Faktisch kann ich mir solche Experimente schlicht nicht leisten. Wenn es mal ein „bedingungsloses Grundeinkommen” gibt, bin ich gerne dazu bereit, weiter zu versuchen, die Welt ein wenig erträglicher zu machen. Ansonsten muss ich jetzt natürlich sehen, dass ich in Lohn und Brot komme, da sich mein Studium dem Ende nähert. Trotzdem sind die jetzt gemachten Erfahrungen natürlich durchaus hilfreich. Vielleicht gibt es ja einmal Parteien oder Stiftungen, die ähnliche Kampagnen planen müssen.

Interview: Fiete Kalscheuer

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