(Gegenwind 259, April 2010)
Wir haben in unserer vorigen Ausgabe ausführlich darüber berichtet, wie sich die Stadt Lübeck und die Flughafen-Lübeck GmbH die Zukunft des Luftverkehrs auf ihrem Regionalflughafen vorstellen (Take-off-Konzept). Die Kritik, die unser Autor an dem Aufschwung-Szenario anbrachte, findet sich inzwischen großen Teils bestätigt in einem Bericht des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Schleswig-Holsteins vom 10. Februar 2010 (Landtagsdrucksache 17/238). Aus Lübeck gibt es eine Revision des Take-off-Konzepts vom 12. März 2010. Für den 25. April ist ein BürgerInnenentscheid über die Zukunft des Flughafens vorgesehen: „Soll die Hansestadt Lübeck den Lübecker Flughafen abweichend vom Bürgerschaftsbeschluss vom 26.11.2009 in Eigenregie ausbauen und nach erfolgtem Ausbau bis einschließlich 2012 weiterführen, auch wenn vorher kein privater Investor gefunden wird?” Wir setzen unsere Darstellung heute fort.
Der Eindruck, dass die Bürgerinnen und Bürger über die wahren finanziellen Ausmaße des Flughafenausbaus im Unklaren gelassen werden sollten, hat sich bestätigt. Das Wirtschaftsministerium des Landes schreibt, die von Lübeck angegebenen Beträge „reichen bei weitem nicht aus, um die weiteren Ausbaustufen nach dem Planfestellungsbeschluss zu finanzieren” und erkennt richtig, dass die Lübecker Bürgerschaft nicht einmal die minimalen und unzureichenden Investitionsmittel in Höhe von vier Millionen Euro autorisiert hat. „Eine gerichtliche Bestätigung des Planfeststellungsbeschlusses kann nur erfolgen, wenn alle in ihm beschriebenen Maßnahmen luftrechtlich geboten sind. Nach dem Take-off-Konzept soll aber nur noch ein Teil der Maßnahmen durchgeführt werden, der größere Teil des Gesamtvorhabens wird nicht mehr konkret verfolgt.”
Nur wenn eine Basis für Ryanair eingerichtet wird, meint der Verkehrsminister, wird alles gut: „Nur mit einem bedingungslosen Bekenntnis der Hansestadt Lübeck zum Flughafenausbau wird der Planfeststellungsbeschluss rechtskräftig werden können, der Hauptkunde Ryanair an Lübeck gebunden werden und auf diesem Wege auch ein privater Investor gefunden werden können.” Nur dann sei auch mit einer Erhöhung der Passagierzahlen zu rechnen. Die Firma Ryanair habe wiederholt erklärt, an der Einrichtung einer Basis festzuhalten. Bemerkenswert ist der Glaube der Politik in Lübeck und Kiel an diese Billligfluggesellschaft. „Am Willen von Ryanair, eine Basis in Lübeck zu errichten, ist dabei kein grundsätzlicher Zweifel angezeigt.” Den Willen der Fluggesellschaft entnimmt das Ministerium der Presse: „Nach Presseberichten” hätten diesen Willen „Vertreter Ryanairs beim Gespräch mit Vertretern der Hansestadt Lübeck und der FLG [Flughafen Lübeck GmbH] am 15.01.2010 in Dublin erneut bekräftigt.” Das Wirtschaftsministerium fordert den Lübecker Bürgermeister gleichzeitig auf, „eine Absichtserklärung des Hauptkunden Ryanair zur Einrichtung einer Base” einzuholen. Der Bürgermeister von Lübeck antwortet in seinem Take-off-II-Konzept, dass Ryanair diese Absicht während einer Pressekonferenz am 26. Februar 2010 erneuert habe und dass die irische Firma den Flughafen „weiterhin als lukrativ betrachten und eine Basis einrichten” werde.
Der Bürgermeister hat allerdings ein Problem damit, Absicht und Wille seines Hauptkunden gegenüber der Bürgerschaft zu dokumentieren. Am 25. Februar 2010 muss er der Gemeindevertretung, die Pressekonferenzen nicht gern zu ihren Entscheidungsgrundlagen zählt, berichten: „Aufgrund der nach wie vor unsicheren politischen Lage für die FLG liegen derzeit weder Erklärungen von möglichen Investoren zu einem Mehrheits-Einstieg in die FLG vor, noch ist Ryanair derzeit bereit, eine derartige Erklärung abzugeben. Nichtsdestotrotz wird sowohl das Verfahren zur Suche eine neuen Mehrheitseigners für die FLG fortgeführt als auch der Kontakt zu Ryanair in Sachen Zukunftsstrategien und -perspektiven engstens aufrechterhalten.”
In den zurückliegenden Monaten war die Landesregierung von verschiedenen Seiten aufgefordert worden, sich am Flughafen Lübeck zu beteiligen, wenn kein Investor gefunden wird. Die Antwort in der Landtagsdrucksache vom 10. Februar 2010 ist eindeutig: „Eine Beteiligung des Landes an der FLG als Mehrheitsgesellschafter wäre wirtschaftlich und ordnungspolitisch nicht sinnvoll. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Mehrheitsbeteiligung an der FLG im Sinne des § 65 der Landeshaushaltsordnung ein wichtiges Interesse des Landes erfüllt [...]” Um so unverständlicher ist es, wenn der Lübecker Bürgermeister in der Fortschreibung des Take-off-Konzepts am 12. März 2010 wiederholt, „das Land Schleswig-Holstein könnte erklären, anstelle des Alleingesellschafters die Finanzierung der Investitionen aus dem Planfeststellungsbeschluss zu übernehmen.” Diese Wiederholung kommt gleich doppelt: „Da die FLG aus eigener Kraft [zur Umsetzung der im Planfeststellungsbeschluss festgesetzten Maßnahmen] nicht in der Lage sein wird, sind der Hauptgesellschafter und das Land gefordert, glaubhaft und ohne Vorbehalte die Investitionsbereitschaft zur Umsetzung des Planfeststellungsbeschlusses zu erklären.”
Die Landesregierung teilt auch nicht die Auffassung, der Regionalflughafen Lübeck könne als Ergänzungsflughafen des Großflughafens Hamburg-Fuhlsbüttel gelten: „Es ist anzunehmen, dass der Hamburger Flughafen kurz- bis mittelfristig ausreichende Kapazitätsreserven hat. In der Praxis dient Lübeck-Blankensee derzeit nur selten als Ausweichflughafen für Hamburg in Fällen von Überlastung, in Notfällen oder bei schlechter Wetterlage.” Und etwas beziehungslos folgt der Satz: „Gleichwohl ist der Erhalt einer nahegelegenen Landebahn auch für die Perspektive des Flughafens Hamburg-Fuhlsbüttel von Bedeutung.” Warum die Kommune Lübeck aus ihrer leeren Stadtkasse mit einem zweistelligen Millionenbetrag dem Hamburger Flughafen eine nahegelegene Landebahn erhalten sollte, wird nicht recht ersichtlich.
Fördermittel des Landes für den Ausbau des Lübecker Flughafens nach der Flugplatzinvestitionszuschussrichtlinie könne die Stadt nur unter folgenden Voraussetzungen erhalten: wenn sie dauerhaft sowohl die Sicherung der Liquidität als auch die Investitionen zur vollständigen Umsetzung des Planfeststellungsbeschlusses beschließt, weiterhin einen privaten Investor sucht, die ersten Ausbauphasen vollzieht und dies alles dem Oberverwaltungsgericht in den bevorstehenden Verhandlungen darlegt.
Das Take-off-II-Konzept ist zuversichtlich: „Auch im Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Lübecker Flughafens ist ausdrücklich erwähnt, dass zwar kein konkreter Nachweis über die umfassende Finanzierung des Vorhabens erbracht worden sei, aber nach den dortigen Feststellungen auch nicht festgestellt werden könne, dass das Ausbauvorhaben aus finanziellen Gründen nicht realisiert werden könnte.” Das ist doch mal eindeutig.
Hans-Jürgen Schubert