(Gegenwind 252, September 2009)
Nachdem sich die Kieler Kommunalpolitik mit großer Mehrheit gegen den Bau eines neuen Kohlekraftwerks auf dem Ostufer ausgesprochen hatte, nahmen nun auch die Kieler Stadtwerke die politischen Realitäten zur Kenntnis und pfiffen die Kohlepläne ab.
Gerüchte über einen Schwenk des Stadtwerkevorstands hatte es schon in Vorfeld gegeben. Am 14. Juli 2009 war es soweit, eine Pressemeldung erschien mit der Überschrift: "Kraftwerksprojekt geändert: Stadtwerke prüfen Alternativen für Kiel". Der Vorstandsvorsitzende Stefan Grützmacher erklärte, dass nun der Neubau eines Gaskraftwerks geprüft wird.
Das entstehende Konzept der Stadtwerke soll mit den Vorstellungen der Stadt Kiel für ein klimaverträgliches Energieerzeugungs- und Versorgungskonzept kompatibel sein. Die entsprechenden Gutachten hat die Stadt Kiel im Juni 2009 in Auftrag gegeben. Insofern akzeptieren die Stadtwerke die politischen Vorgaben der Ratsversammlung. Das ist ein großer Erfolg für alle aktiven BürgerInnen, die sich für eine dezentrale Energieversorgung in der Kieler Region ohne Kohle eingesetzt haben.
Diese Entwicklung ist beileibe kein Selbstgänger gewesen. Das Thema Kohlekraftwerk und mögliche Alternativen gehörte zu den Inhalten des Kommunalwahlkampfes 2008, alle Parteien mit klarer Haltung gegen Kohle konnten hohe Stimmenzuwächse einfahren, Bündnis 90 / DIE GRÜNEN, die Linke und die FDP. Die neue Ratsmehrheit aus GRÜNEN, SPD und SSW fasste sehr schnell einen Grundsatzbeschluss gegen den Neubau eines Kohlekraftwerks. Des weiteren wurde ein Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan Hasselfelde erwirkt, der eine Kraftwerksgrößenbeschränkung enthält und Willi Voigt wurde von der Ratsversammlung in den Konsortialausschuss und den Aufsichtsrat der Stadtwerke gewählt. Die Versuche der Stadtwerke, an den Beschlüssen der Ratsversammlung vorbei vom Land grünes Licht für das Kohlekraftwerk zu bekommen, scheiterten zwei mal. Das Innenministerium lehnte es ab, ein Raumordnungsverfahren für den Kraftwerksbau einzuleiten. Begründung: die Stadt Kiel will kein Kohlekraftwerk.
Nicht zuletzt der große Widerstand der Bevölkerung in Nordfriesland und Schleswig-Flensburg gegen die dort geplante Endlagerung von CO2 hat deutlich gemacht, dass die Pläne für eine unterirdische Verpressung von CO2 keine Akzeptanz erfahren.
Ist nun alles in Butter? Nicht ganz, noch regt sich die Kohle-Lobby. Die IHK (Industrie- und Handelskammer) zu Kiel hat bei ihren Mitgliedern eine Umfrage zur Fernwärmeversorgung gestartet, um u.a. zu erfahren wie hoch die Bereitschaft ist, höhere Preise für erneuerbare Energien zu zahlen. Es wird dabei mit zwei Unterstellungen gearbeitet: erstens wird so getan, als ob die Entscheidung über den Bau eines Kohlekraftwerks noch völlig offen ist und zweitens, dass die Fernwärmepreise nur bei Kohleverbrennung nicht ansteigen. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben das Gegenteil bewiesen. Aber auch dieses Störfeuer wird vorübergehen und Kiel kann sich auf eine zukunftsfähige, klimaverträgliche Energieversorgung ohne Kohle freuen.
Lutz Oschmann
Fraktionsvorsitzender Bündnis 90 / DIE GRÜNEN in der Kieler Ratsversammlung und Direktkandidat zur Bundestagswahl