(Gegenwind 248, Mai 2009)

Die Krise der HSH Nordbank

"Mehr oder weniger besoffen"

"Es hat mir bisher sehr viel Freude bereitet, als Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr für das Land Schleswig-Holstein tätig sein zu dürfen. (...) Allerdings ist mein Vertrauen in die Arbeit der Landesregierung in den vergangenen Wochen und Monaten zunehmend erschüttert worden. (...) Daher bin ich davon überzeugt, dass die Landesregierung in ihrer Rolle als Miteigentümer der HSH Nordbank unser Land durch schlechtes und unprofessionelles Krisenmanagement, durch Vernachlässigung der Kontroll- und Sorgfaltspflicht in eine sehr schwierige Lage gebracht hat."

Das waren zentrale Sätze aus einem Fax, das Wirtschaftsminister Marnette am 29. März an den Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen schickte. Carstensens Reaktion: Er berichtete Journalisten, die Fax-Kennung des Wirtschaftsministers habe am 29. März noch Winterzeit angezeigt, obwohl in der Nacht die Uhren umgestellt worden seien. Das sollte uns wohl sagen: Auch Wirtschaftsminister Marnette hat Probleme beim professionellen Krisenmanagement.

Die Professionalität scheint das allgemeine Problem der Krise zu sein. Aus der Krise der HSH Nordbank wurde schnell eine Krise der Landesregierung Schleswig-Holstein.

Die wesentlichen Entscheidungen fielen noch in der Zeit der rot-grünen Koalition unter Heide Simonis. Damals war die Landesbank Schleswig-Holstein eine normale Landesbank. Sie war eine Art "Dachorganisation" der Sparkassen, dafür zuständig, im Lande die Wirtschaft mit größeren Krediten zu fördern. Die Grenze liegt bei ungefähr 50 Millionen Euro - kleinere Kredite soll die örtliche Sparkasse (davon gibt es in Schleswig-Holstein fünfzehn), größere die Landesbank vergeben.

Gewährsträgerhaftung

Die Sparkassen, und dazu gehörten auch die Landesbanken, sind die "dritte Säule" des Bankensystems der Bundesrepublik Deutschland. Während die Banken (Deutsche Bank, Commerzbank und so weiter) privat sind, genauso wie die Genossenschaftsbanken, sind die Sparkassen öffentlich. Sie sind im Besitz des Landes und der Kommunen, die auch für sie garantieren.

Diese Haftung hat immer dafür gesorgt, dass Sparkassen und Landesbanken wenig Eigenkapital brauchten. Denn ihr Eigentümer ist der Staat, den Kreditgebern ist es egal, ob die Kommune, das Land oder der Bund. Wie man an der Hypo Real Estate sieht, also der Bank, von der wir alle unsere Bundesschatzbriefe kaufen: Eine solche Bank kann machen was sie will, am Ende haftet die Steuerzahlerin für alles. So manche Sparkasse ist ja angesichts dieser Aussichten auch schon leichtsinnig geworden. Aber die Bonität, neuerdings das Rating wird dadurch eben nicht beeinträchtigt.

Das änderte sich 2001. Die EU beschloss, dass die Gewährsträgerhaftung die Konkurrenz verzerrt. Denn die öffentlich-rechtliche Bank namens Sparkasse ist schon eine besonders deutsche Spezialität. Deutschland wurde verurteilt, bis 2005 die Gewährsträgerhaftung abzuschaffen.

Panik bei der Landesbank

Schleswig-Holstein und Hamburg reagierten mit einer Zusammenlegung ihrer Landesbanken, die ihrerseits gerade auf dem Weg zu den ganz großen Geschäften waren. Die vier Jahre Frist nutzte die HSH Nordbank dazu, alles Geld zu leihen, das zu bekommen war. Denn die Gewährsträgerhaftung bestand ja bis 2005 noch, und für die bis dahin aufgenommenen Kredite hafteten die Bundesländer Schleswig-Holstein und Hamburg weiter. Die Bilanzsumme wurde auf 200 Milliarden Euro aufgeblasen, Filialen in London, New York und auf den Cayman-Inseln gegründet.

Ews wurden weit mehr Kredite aufgenommen, als in der heimatlichen Wirtschaft oder bei den weltweiten Finanzierungen von Schiffsneubauten unterzubringen waren. Die HSH Nordbank musste das Geld anlegen, da boten sich die boomenden Immobiliengeschäfte in den USA an. Das reichte nicht, also wurden die damals neu erfundenen Derivate gekauft. Das sind Wetten auf Kursgewinne oder Kursverluste, komplizierte Anlagen mit zum Teil bis zu tausend-seitigen Verträgen über Bedingungen und Risiken. Niemand bei der HSH Nordbank hatte die Zeit, alles zu lesen.

2003 wurde die HSH Nordbank offiziell aus der Fusion der beiden Landesbanken gegründet. Beide Partner brachten schon Papiere im Wert von 27 Milliarden Euro in Form dieser sogenannten "Kreditersatzgeschäfte" in die gemeinsame Firma ein.

Hier zeigte sich die Schwäche der Konstruktion, die heute solche Probleme macht: Die Bank wurde von Landespolitikern und Sparkassenvertretern beaufsichtigt, die nichts von dem verstanden, was die gelernten Banker ihnen auch nicht erklären konnten. Die Vorstände der HSH Nordbank versprachen den Landespolitikern eine Rendite von 15 Prozent. Die Bilanzsumme im Jahre nach der Fusion, 2004, betrug 164 Milliarden Euro, 2007 waren es 205 Milliarden. Das ist das Zwanzigfache der Haushalte der Eigentümer Hamburg und Schleswig-Holstein.

Rating

Seit dem Basel-II-Abkommen gibt es das Rating. Rating-Agenturen bewerten Firmen, sie bewerten Kredite und Sicherheiten. Dabei müssen "Global Player", und das wollte die HSH Nordbank sein, sich nicht mit dem Rating A zufrieden geben. Es sollte schon AA oder AAA sein, die höchste Sicherheit.

Rating-Agenturen sind aber auch Privatfirmen, die von Bankern und Finanzfachleuten geführt werden. Und die fanden damals die Kreditersatzgeschäfte genauso faszinierend wie die Vorstände fast aller großen Banken. Die HSH Nordbank kaufte Derivate, die Rating-Agenturen bestätigten ihre Sicherheit durch AAA-Zertifikate, und die Politiker, die die Aufsicht führen sollten, glaubten das einfach.

"Wir waren alle mehr oder weniger besoffen von der Idee, dass die HSH Nordbank als Global Player immer satte Gewinne einfährt", sagt Heide Simonis jetzt (Stern vom 16.4.2009). Sie übersahen: Die Fonds mit US-amerikanischen Immobilien kaufte die HSH Nordbank nicht in den USA, sondern von der Deutschen Bank, die sich gerade damals von diesen Papieren trennte. Und die Schiffsfinanzierungen, die übernommen wurden, wiesen keineswegs ein Rating von A auf, sondern lagen zu zwei Dritteln darunter.

Hören wir noch mal Werner Marnette, ehemaliger Wirtschaftsminister in Kiel: "Die HSH Nordbank hat gut 33 Milliarden Euro Volumen bei der Schiffsfinanzierung. Wollen Sie mir erzählen, dass das Ausfallrisiko da unter einem Prozent liegt?" Hintergrund dieser rhetorischen Frage ist, dass die HSH Nordbank nur 600 Millionen Euro Rücklagen als Risiko in der Bilanz bis 2012 stehen hat. "Und das, obwohl aus den Unterlagen, die ich in der knappen Zeit einsehen konnte, hervorgeht, dass 64 Prozent des finanzierten Schiffsportfolios von den Rating-Agenturen schlechter als A eingestuft wurde. Das sind alles Wackelkandidaten." (Spiegel-Interview, 6. April 2009)

64 Prozent von 33 Milliarden Euro sind über 20 Milliarden Euro, die jetzt beschlossene Bürgschaft von Schleswig-Holstein und Hamburg beträgt 10 Milliarden Euro. Und die Schiffsfinanzierung ist das "Kerngeschäft" der HSH Nordbank, auf die man sich jetzt mit Halbierung der Bilanzsumme zurückziehen will, die Hälfte der Geschäfte soll in eine Abbaubank ausgelagert werden.

Unfähig zu reagieren

Die verbrieften US-Immobilienkredite betrafen nicht nur die Häuschen der US-BürgerInnen, die sich zu teure Kredite hatten aufschwatzen lassen. Die HSH Nordbank finanzierte auch Büro-Häuser, die in einer Krise mit insolventen Firmen nichts einbringen können. Die ersten Anzeichen der Krise zeigten sich 2007.

Damals war das Vorstandsmitglied Franz Waas, verantwortlich für die Anlagen auf dem Kapitalmarkt, gerade ausgeschieden. Später sollte Eckehard Dettinger-Klemm Nachfolger werden, der war damals aber noch nicht da. Also gab es keinen Verantwortlichen für diese Anlagen im Gesamtwert von 30 Milliarden Euro. Sie wurden vom Vorstandsvorsitzenden Berger mit verwaltet. Der kümmerte sich aber 2007 um die Vorbereitung des beabsichtigten Börsengangs der Bank und hatte keine Zeit zu entscheiden, ob und welche Anlagen verkauft werden sollte. So mussten die Kredite, die in Pleite-Projekte investiert waren, am Ende des Jahres abgeschrieben werden - die erste Milliarde Euro Verlust war da.

Das wurde einigen Aufsichtsratsmitgliedern Anfang Dezember 2007 mitgeteilt, dem gesamten Aufsichtsrat im April 2008. Dort saß damals nicht mehr Ralf Stegner, sondern Rainer Wiegard.

Der informierte nicht den Landtag Schleswig-Holstein, nicht einmal den Beteiligungsausschuss des Landes. Er brachte allerdings den Antrag in den Landtag ein, das Kapital der Landesbank um 800 Millionen Euro zu erhöhen. Der Landtag stimmte zu - heute sagt die Opposition, bei ehrlicher Information hätte der Landtag nicht zugestimmt und verlangt den Rücktritt Wiegard.

Der sieht keine Verbindung zwischen beiden Vorgängen. Auf den Bericht über die Risiken habe man reagiert und Kontrollgremien innerhalb der Bank eingesetzt, um das Risiko in Zukunft besser abschätzen zu können. Und die Kapitalerhöhung sei für den geplanten Börsengang nötig gewesen.

2008 betrug der Verlust dann 2,8 Milliarden Euro. So behauptet zumindest die HSH Nordbank. Denn Verluste entstehen dadurch, dass Kredite abgeschrieben werden, wenn die Bank zur Beurteilung kommt, dass zum Beispiels Reedereien sie nicht zurückzahlen können.

Wer im April aufmerksam Zeitung las, las dort allerdings auch: Nicht nur im Kieler Hafen, sind nur im Lübecker Hafen machen immer mehr Frachter für Monate fest, weil sie ohne Ladung und ohne Aufträge sind. Auch die Geltinger Bucht wird wieder zum Liegeplatz für Überseesschiffe, die nicht eingesetzt werden. Welche von der HSH Nordbank finanzierten Schiffsneubauten sich da wirklich so lohnen, dass die Kredite in einer Gesamthöhe von 33 Milliarden Euro zurück kommen, ist da wirklich die Frage. Die HSH Nordbank rechnet damit, dass die Weltwirtschaft sich erholt. Deshalb wies sie "nur" einen Verlust von 2,8 Milliarden Euro aus.

Konzepte für die Zukunft?

Die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein haben jetzt eine neue Gesellschaft gegründet, die sich erst mal 3 Milliarden Euro geliehen und der Bank als zusätzliches Kapital gegeben hat. Außerdem bürgt diese Gesellschaft für weitere 10 Milliarden. Und für die Gesellschaft bürgen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Das zusätzliche Kapital von 3 Milliarden Euro besitzt die Gesellschaft in Form von Aktien der HSH Nordbank. Theoretisch ist es so: Wenn es der Bank 2012 gut geht, sie Gewinne macht, können diese Aktien für 4 oder 5 Milliarden Euro verkauft werden. Wenn...

In Hamburg hat die SPD die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses beantragt, um Verantwortliche und Schuldige festzustellen. In Kiel könnte sich die SPD dazu nicht aufraffen, weil sie in der Regierung ist und ihre Spitzenpolitiker in der Gefahr schweben, zum Objekt der Untersuchung zu werden. Deshalb mussten sich FDP und Grüne zusammen raufen, sie werden die Einrichtung eines entsprechenden Untersuchungsausschusses auch in Kiel durchsetzen.

Schließlich gibt es noch eine Anzeige des bekannten Hamburger Anwalts Gerhard Strate. Er hat die Verantwortlichen der HSH Nordbank angezeigt, und zwar Vorstand und Aufsichtsrat, sie hätten durch ihre Fehler Geld von Steuerzahlern veruntreut. Angezeigt hat er auch die Prüfer, die die Jahresabschlüsse und Bilanzen der Bank abgesegnet haben. Auch sie hätten sehen müssen, dass Milliarden von Euro in zweifelhaften Anlagen steckten, und sie wären verpflichtet gewesen, Alarm zu schlagen.

Die Anzeige hat die Geschäfte der Bank bis zurück nach 2004, also die Zeit von Heide Simonis und ihrem Finanzminister Ralf Stegner zum Inhalt, denn die damaligen Entscheidungen sind strafrechtlich noch nicht verjährt.

Das Problem ist eben: Wenn Landespolitiker als Aufsichtsräte damit überfordert sind, weltweite Geschäfte zu beaufsichtigen, müssen sie diese verhindern. Oder die Bank verkaufen, damit Steuerzahler nicht mehr haften. Nichts davon verstehen, alles laufen lassen ist die schlechteste Möglichkeit.

Es geht auch anders: NordLB macht Gewinn

Vorsichtiger als die Konkurrenz agierte die NordLB, die ehemalige Landesbank von Niedersachsen. Sie widerstand der Versuchung, bis 2005 Geld um jeden Preis aufzunehmen und in Anlagen jeden Risikos zu investieren. So blieb sie zwar etwas kleiner als die anderen, aber sie schloss 2008 mit einem (minimalen) Gewinn ab.

Im Gegensatz zur HSH Nordbank ist die NordLB auch kein "Global Player", sondern - auch - eine ganz normale Sparkasse. In Hannover kann man seine Ersparnisse zur Nord LB bringen und ein normales Konto eröffnen.

So kündigte die NordLB im April an, sie wollte jetzt den Unternehmen in Schleswig-Holstein Kredite anbieten. Die 15 Sparkassen des Landes, allesamt Anteilseigner der HSH Nordbank, scheinen sich schon entschieden zu haben: An der Kapitalerhöhung der HSH Nordbank beteiligen sie sich nicht, ihr Anteil und Einfluss dort ist durch die Kapitalerhöhung durch die beiden Bundesländer drastisch gesunken. Dafür wickelt jetzt nicht mehr die HSH Nordbank ihre Auslandsüberweisungen ab, ab dem 1. April sind sie geschlossen zur Nord LB in Hannover gewechselt.

Gefährliche Konstruktion

Sicher ist inzwischen, dass die HSH Nordbank ihre Funktion als Landesbank verloren hat. Sie kann die regionale Wirtschaft nicht mehr mit Krediten versorgen, und das ist auch nicht nötig: Die niedersächsische Landesbank will und kann.

Andererseits kann man sie auch nicht einfach schließen. Denn sie hält noch Kredite und Beteiligungen von rund 80 Milliarden Euro, für die die Gewährsträgerhaftung von Schleswig-Holstein und Hamburg noch in Kraft ist, denn sie wurden vor Juli 2005 aufgenommen. Wenn die Bank jetzt geschlossen wird, muss sofort geguckt werden, welche Kredite davon noch "gut" sind.

Die jetzige Konstruktion ist gefährlich. Die gemeinsame Gesellschaft Schleswig-Holstein und Hamburgs, die mit 10 Milliarden Euro bürgt, muss nach Einschätzung von Werner Marnette noch 2009 weiteres Geld nachschießen. So reicht die "Lösung" nicht mal bis zur Landtagswahl, die SPD und CDU weiterhin tapfer mit "Mai 2010" ankündigen.

Die Halbierung der HSH Nordbank in eine 100 Milliarden schwere "Abbaubank" mit allen schlechten Papieren ("Bad Bank") und eine 100 Milliarden schwere Landesbank, die weltweit größter Schiffsfinanzierer bleiben will, überzeugt nicht. Die Landtagsabgeordneten, die Ende März dieser Lösung zustimmten, sagten dann auch zumeist, es wäre die einzige Möglichkeit - und wenn es andere Möglichkeiten nicht (mehr) gibt, kommt es auf die Qualität des Konzeptes eben nicht mehr an.

Insbesondere innerhalb der CDU knallte es. Als der Wirtschaftsminister am 29. März zurücktrat, traf es den Ministerpräsidenten in einem ungünstigen Moment. Er wollte schließlich am Montag, dem 30. März zusammen mit dem Minister nach Dänemark, wo es unter anderem um die Rieseninvestition in die Fehmarnbelt-Querung ging. Diese, so erzählt uns der Finanzexperte Peter Harry Carstensen, ist total rentabel und ein Segen für das Land.

Auf die Schnelle holte er sich Sonntag nachmittag den IHK-Geschäftsführer Jörn Biel (parteilos) als neuen Wirtschaftsminister ins Kabinett. Er wurde Montag morgens auf dem Weg nach Dänemark in Schleswig ernannt, um anschließend alleine nach Dänemark zu fahren. Denn Carstensen erreichten so viele wütende Anrufe aus der CDU-Fraktion, dass er noch mal nach Kiel zurückfuhr, um die Abgeordneten der Regierungspartei zu beruhigen.

Wie zukunftsfähig diese Lösung ist, lässt sich leicht feststellen. Denn Jörn Biel, unser neuer Wirtschaftsminister, erklärte erst mal fröhlich, er wüsste noch nicht, ob er für die CDU Wahlkampf machen würde. Und bei der IHK hat er vorsichtshalber auch nicht gekündigt, dort ist er nach wie vor Geschäftsführer in Kiel. Bis zum Mai 2010 hat er sich lediglich beurlauben lassen.

Reinhard Pohl

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