(Gegenwind 246, März 2009)

Iulia Lazarescu

Dolmetscher-Treffen

"Ich glaube, Rumänien ist nicht so weit"

Iulia Lazarescu lebt erst seit kurzer Zeit in Deutschland. Als Übersetzerin und Dolmetscherin steht sie ganz am Anfang.

Gegenwind:

Wie hast du in Rumänien gelebt?

Iulia Lazarescu:

Ich habe in Rumänien ganz gut gelebt, in einer glücklichen Familie ohne finanzielle Probleme. Aber dann habe ich einen Mann kennen gelernt, der bereits länger in Deutschland gewohnt hatte und hier weiter leben wollte, deshalb habe ich mich entschieden, hierher zu kommen. Ich komme aus Nord-Rumänien, fast an der Grenze zur Ukraine. Es war ein kleiner Ort, ungefähr 30.000 Einwohner. Da bin ich zur Schule gegangen, habe Abitur gemacht, und danach habe ich in der nächsten größeren Stadt Sozialpädagogik studiert. Die Fachrichtung war Grundschule und Kindergarten. Drei Jahre habe ich in der Schule und in einem Kindergarten gearbeitet, und dann bin ich hierher gekommen.

Gegenwind:

Lebte dein Mann schon länger in Deutschland?

Iulia Lazarescu:

Ja, mein Mann lebte schon über 10 Jahre hier. Als wir heirateten, hatte er schon die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt.

Gegenwind:

Konntest du schon Deutsch, als du herkamst?

Iulia Lazarescu:

Im Gymnasium habe ich drei Jahre Deutsch gelernt, als Fremdsprache, aber ich will nicht behaupten, dass ich Deutsch konnte, als ich nach Deutschland kam. Ich hatte die Grundlagen, aber die Sprache konnte ich noch nicht.

Gegenwind:

Wie lange hat es gedauert, bis du sicher Deutsch konntest?

Iulia Lazarescu:

Ich bin ständig zur Schule gegangen, aber ich bin immer noch nicht zufrieden mit meiner deutschen Sprache. Ich bin hier zwar schon drei Jahre zur Schule gegangen, aber Kinder lernen eben auch schneller als wir Erwachsenen.

Gegenwind:

Bist du gleich nach Lauenburg gekommen? Wie bist du hier aufgenommen worden?

Iulia Lazarescu:

Ja, ich kam gleich her. Ich bin gut aufgenommen worden. Ich bin sofort integriert worden, habe gleich verschiedene Sachen probiert. Ich habe ein Praktikum im Kindergarten gemacht, verschiedene Kurse und Qualifizierungsmaßnahmen. Ich habe auch ehrenamtlich gearbeitet, bei "Kunstvoll am Zug", einen Verein beim Bahnhof.

Gegenwind:

Gibt es hier andere Rumäninnen und Rumänen, mit denen Du Kontakt hast?

Iulia Lazarescu:

Ich habe hier eine rumänische Freundin in Lauenburg, aber sonst kenne ich keine. Ich habe auch nie von Treffen gehört, aber ich habe auch nicht besonders gesucht. Wir waren einmal in Hamburg in einem rumänischen Restaurant, das hat uns aber nicht gefallen.

Gegenwind:

Du hast den Umbruch in Rumänien als Kind erlebt. An was erinnerst du dich?

Iulia Lazarescu:

Es hat sich viel verändert. Ich erinnere mich an Schlangen, zum Beispiel beim Bäcker, als ich Kind war. Die Schlangen waren wahnsinnig lang, man musste drei Stunden warten für ein Brot oder Milch. Für ein Brot ist meine Mutter um fünf Uhr aufgestanden, denn es gab nicht genug für alle, und die Regale waren leer. Es gab nichts zu kaufen außer unter dem Tisch. Es war gut, wenn man Beziehungen hatte. Bananen oder Orangen haben wir nur zu Weihnachten gehabt. Die waren so unreif, so grün, wir mussten zwei oder drei Wochen warten, bis sie essbar waren. Wir Kinder hatten keine Geduld, daran erinnere ich mich. Danach - die Regale waren voll, in den Geschäften gab es alles, aber man hatte jetzt kein Geld mehr, etwas zu kaufen. Man kann sich nichts leisten, nicht alle jedenfalls.

Gegenwind:

Ist der EU-Beitritt gut oder schlecht für Rumänien?

Iulia Lazarescu:

Das ist gut für Rumänien. Ich weiß nicht, ob es gut für die EU ist, ich glaube, Rumänien ist nicht so weit. Meiner Meinung nach sollte die EU etwas mehr Druck machen, damit die Situation in Rumänien verbessert wird.

Gegenwind:

Was sind die größten Probleme?

Iulia Lazarescu:

Die Korruption. Ohne Beziehungen bekommst du nichts. Mit Geld kannst du natürlich alles kaufen. Aber es ist unfair. Aber ich war zwei Jahre nicht mehr da, vielleicht hat sich ja auch schon etwas verändert.

Gegenwind:

Hast du hier schon gedolmetscht?

Iulia Lazarescu:

Nur wenig. Ich brauchte erst selbst eine Dolmetscherin, als wir geheiratet haben. Aber es war eine schlechte Dolmetscherin, sie konnte nicht richtig Rumänisch. Wie gut sie Deutsch konnte, konnte ich nicht beurteilen. Sie war schon über zehn Jahre in Deutschland und hatte viel vergessen.

Gegenwind:

Was hast Du jetzt vor? Willst du dolmetschen oder übersetzen?

Iulia Lazarescu:

Jetzt mit dem Kind werde ich eher übersetzen. Aber ich glaube, dolmetschen ist spannender als übersetzen. Ich habe ja jetzt den Kurs beim Dolmetscher-Treffen gemacht, aber direkt danach kam dann das Kind.

Gegenwind:

Was war an dem Kurs gut, was war schlecht?

Iulia Lazarescu:

Der Kurs war gut. Wir haben viele Sachen gelernt, die man kaum irgendwo findet, wenn man sich als Dolmetscherin selbständig macht. Es war auf jeden Fall so einfacher, alle Informationen im Kurs zu bekommen. Aber jetzt habe ich erst mal so viel mit dem Kind zu tun, dass ich sicherlich erst langsam anfange.

Interview: Reinhard Pohl

Zur Startseite Hinweise zu Haftung, Urheberrecht und Datenschutz Kontakt/Impressum