(Gegenwind 246, März 2009)
Diana Gottschalk spricht fünf bis sechs Sprachen und lebt als Dolmetscherin in Itzehoe.
Gegenwind:
Kannst du dich kurz vorstellen und erzählen, wie du nach Deutschland gekommen bist?
Diana Gottschalk:
Ich heiße Doina Gottschalk, genannt werde ich Diana. Geboren in Rumänien, lebe ich seit 1997 in Deutschland. Ich war hier zu Besuch bei meinen Verwandten, und hier habe ich meinen Mann kennen gelernt und ihn geheiratet. In Rumänien war ich Lehrerin, in Deutschland durfte ich nicht in diesem Beruf arbeiten. Deshalb bin ich hier Dolmetscherin geworden.
Gegenwind:
Wie hast Du in Rumänien gelebt?
Diana Gottschalk:
Ich habe in einer ganz normalen Familie gelebt. Ich musste leider ohne Papa aufwachsen, der ist gestorben, als ich noch klein war. Meine Mutter war Lehrerin, wir hatten eine Eigentumswohnung in Pitesti, auch "Tulpenstadt" genannt, eine sehr schöne Stadt. Wir hatten alles, was wir brauchten, und wir alle waren gesund. Erst als ich nach Deutschland (Nord-Deutschland) kam, in dieses kalte und feuchte Klima, hatte ich Probleme mit der Gesundheit.
Gegenwind:
Wie hast Du denn die Veränderungen in Rumänien miterlebt, die Ende der 90er Jahren geschahen?
Diana Gottschalk:
Ich habe das eher negativ erlebt. Die Menschen hatten plötzlich keine Arbeit mehr. Die Supermärkte waren auf einmal voll mit importierten Waren, mit Lebensmitteln, das gab es vorher nicht, aber viele konnten sich das nicht leisten. Vor 1989 gab es keine Arbeitslosigkeit, aber danach war es zuerst sehr schlimm. Durch neue Technologie, wurden die Fabriken modernisiert, aber viele verloren ihren Job. Es gibt nur wenig Unterstützung vom Staat, davon kann man kaum leben. Man bekommt sechs Monaten Arbeitslosengeld, danach gar nichts mehr. Aber mittlerweile ist es in Rumänien auch wieder besser geworden. Und das positivste nach der Revolution ist die Freiheit, die Welt zu erkunden, denn das war auch unser wichtigstes Ziel.
Gegenwind:
Welche Familienangehörigen von Dir leben denn noch in Rumänien?
Diana Gottschalk:
Meine Mutter und meine Schwester, aber auch viele Verwandte und Bekannte. Ich besuche sie so oft wie möglich, denn ich möchte, auch wenn es vielleicht zu patriotisch klingt, Rumänien, das wirklich sehr schöne Land, nicht vermissen.
Gegenwind:
Wie ist es denn deiner Familie ergangen?
Diana Gottschalk:
Meiner Familie geht es finanziell gut. Meine Mutter ist schon in Pension. Da bekommt sie nicht viel, aber sie kommt zurecht. Die Pension war anfangs umgerechnet 100 DM im Monat, inzwischen sind es 200 Euro. Meine Schwester und ihr Mann arbeiten beide bei der Bank, sie verdienen sehr gut. Nicht viel für hiesige Verhältnisse, aber 800 Euro sind für Rumänien ein guter Gehalt.
Gegenwind:
Wie war es, als Du nach Deutschland kamst: Konntest Du schon Deutsch?
Diana Gottschalk:
So gut wie gar nichts. Ich konnte Englisch, damit kam ich ein bisschen durch. Aber ich habe Deutsch schnell gelernt, nach sechs Monaten konnte ich hier schon arbeiten. Da ich als Lehrerin nicht anerkannt wurde, habe ich in der Gastronomie angefangen. Um in Deutschland unterrichten zu dürfen, müsste ich noch drei Jahre hier studieren. Ich wollte aber erst mal die Sprache lernen, habe Arbeit gefunden, und dann kam meine Tochter zur Welt. Ich habe eher einen Job gesucht, den ich auch überall auf der Welt ausüben kann und wo ich mir die Arbeitzeiten selbst einteilen darf, so dass meine Tochter, die für mich der wichtigste Mensch in meinem Leben ist, ihre Mama nicht vermissen muss. Auch in Rumänien, falls ich mal zurückkehre, kann ich inzwischen nicht mehr als Lehrerin arbeiten. Man hat mir gesagt, ich sollte versuchen, mit meinen Sprachen auch Geld zu verdienen. Ich habe nicht gewusst wie, bis ich zufällig über das Dolmetscher-Treffen gestolpert bin. Da habe ich erst erfahren, dass man als freiberufliche Dolmetscherin vielleicht auch davon leben kann, wenn man sich diszipliniert um Aufträge kümmert. Jetzt bin ich auch seit zwei Jahren im Dolmetscher-Verzeichnis des Landeskriminalamtes und der Landespolizei.
Gegenwind:
Wann hast du zum ersten Mal gedolmetscht?
Diana Gottschalk:
Bezahlt habe ich zum ersten Mal am Nikolaustag 2007 bei der Kripo gearbeitet. Davor hatte ich aber schon viel ehrenamtlich, unbezahlt gedolmetscht und auch übersetzt. Der Auftrag kam dann sehr überraschend. Seitdem bin ich öfter bei der Kripo, hauptsächlich mache ich Übersetzungen, aber manchmal dolmetsche ich auch. Für mich ist jeder Einsatz spannend und es macht mir unheimlich viel Spaß!
Gegenwind:
Welche Sprachen kannst du?
Diana Gottschalk:
Ich kann selbstverständlich Rumänisch, als Muttersprache, und ich kenne auch die Kultur in Rumänien. Da ich in Deutschland mein zweites Zuhause gefunden habe, ist mir auch gelungen, die deutsche Sprache sehr gut zu lernen. In einem knapp einjährigen Aufenthalt in Italien, habe ich meine in Rumänien erworbenen Kenntnisse der italienische Sprache nachhaltig vertiefen können. Hierbei hätte ich auch die Möglichkeit gehabt, an einer italienischen Scuola elementare zu unterrichten. In Rumänien habe ich Russisch in der Schule gelernt, man kann auch sagen ich musste Russisch lernen. Meine Schwester hat in Serbien geheiratet, und bei meinen Besuchen habe ich Serbisch, die sowie Russisch auch eine slawische Sprache ist, gelernt. In Deutschland habe ich dann schnell serbische und kroatische Freundinnen kennen gelernt. Das reicht vielleicht noch nicht für den juristischen Bereich, aber im Krankenhaus oder im Frauenhaus kann ich auch Serbokroatisch oder Bosnisch dolmetschen. Moldawisch kann ich natürlich auch, das ist ein rumänischer Dialekt, aber meine Mutter kommt aus Moldawien, das kann ich also sehr gut. Englisch kann ich aus der Schule, jedoch nicht so gut, dass ich damit in England zurecht komme. Da die Frauen allgemein eine gewisse Affinität für die Sprachen besitzen, bin ich sehr zuversichtlich, dass ich in jedem neuen Land auch die Sprache schnell lernen werde.
Gegenwind:
Was ist für dich bei Dolmetscher-Treffen wichtig? Warum gehst du dorthin?
Diana Gottschalk:
Um neue Kollegen kennen zu lernen. Gerade als Rumänisch-Dolmetscherin habe ich mich lange als Single gefühlt, und jetzt habe ich in Neumünster zwei Kolleginnen kennen gelernt. Es ist sehr wichtig, Kolleginnen zu kennen und sich auszutauschen. Man trifft sich dort mit so vielen Menschen aus so vielen Nationalitäten, das finde ich faszinierend. Dann habe ich dort erfahren, dank Reinhard Pohl von "Gegenwind", wie man Auftraggeber findet und Aufträge bekommt. Man tauscht nicht nur Erfahrungen, sondern auch Visitenkarten, und dadurch bekommt man auf die Dauer auch Aufträge. Ich möchte auch jenem, der diesen Beruf anstreben möchte, aber eine oder andere Hemmung hat, empfehlen, den Mut zu fassen. Es lohnt sich wirklich!
Interview: Reinhard Pohl