(Gegenwind 246, März 2009)
Cezarina Fischer ist nircht nur Dolmetscherin für Rumänisch. Sie tritt auch als Referentin auf, um ihr Herkunftsland hier der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Gegenwind:
Wo hast du in Rumänien gelebt?
Cezarina Fischer:
Ich bin in Bukarest geboren, aber aufgewachsen bin ich in der Moldau, in der Stadt Bacau. Bacau liegt im Zentrum der Moldau. Dort habe ich Abitur gemacht, danach wollte ich studieren. Das Studium habe ich abgebrochen, aufgrund meines Heiratsantrages mit einem Ausländer.
Gegenwind:
Wo hast du deinen Mann kennen gelernt?
Cezarina Fischer:
Das war am Schwarzen Meer. Ich war damals schon Dolmetscherin, ich habe in einem Hotel an der Rezeption und als Reiseleiterin für englische Touristen gearbeitet. Dort habe ich ihn kennen gelernt und nach einem Jahr haben wir die Erlaubnis beantragt zu heiraten. Das wurde drei Jahre später genehmigt. Nach dem Antrag, einen westlichen Ausländer zu heiraten, durfte ich nicht mehr studieren. In den drei Jahren hatte ich verschiedene Jobs. Es war damals sehr streng, rumänische Jugendliche durften eigentlich keinen Kontakt, erst recht keine Freundschaft mit feindlichen Ausländern haben. Unser Land hatte die kommunistische Ideologie, und Feinde waren alle, die die westliche kapitalistische Ideologie hatten. Diese drei Jahre Wartezeit waren für mich eine schwierige Zeit. Ich wurde immer von der kommunistischen Behörde gefragt, ob ich meinen Antrag nicht zurück nehme. Ich war ein halbes Jahr in einem Büro beschäftigt, danach habe ich ein Jahr als Vertreterin Englisch-Unterricht an einer Dorfschule gegeben. Ich habe dann auch einige Übersetzungen für eine Firma gemacht. 1979 habe ich die Genehmigung zum Heiraten bekommen.
Gegenwind:
Wie lange hat es gedauert, bis du Deutsch konntest?
Cezarina Fischer:
Ich hatte keine Probleme, weil ich schon Deutsch im Abitur gelernt habe und das war ein Zufall. Ich kam in die Klasse, weil sich zu wenige für Französisch gemeldet hatten. Die Gruppe war zu klein, wir wurden in die Klasse mit dem Deutsch-Unterricht gesteckt. Deshalb habe ich die Sprache vier Jahre gelernt und als Abiturfach gewählt. Für mich war Deutsch eine schwierige Sprache. Ich hatte im Abitur Rumänisch, Latein, Englisch und Deutsch, eigentlich war Deutsch eine Verpflichtung. In Deutschland habe ich anfangs nur Englisch gesprochen. Ich konnte Deutsch lesen und verstehen, aber ich brauchte zwei Jahre, um das zu akzeptieren und mich von Rumänisch und Englisch zu trennen. Ich habe auf der Volkshochschule mein Deutsch erweitert und ich habe gemerkt, dass es Ähnlichkeiten zur englischen Sprache gibt. Nach zwei Jahren habe ich dann auch ohne Hemmung Deutsch gesprochen.
Gegenwind:
Wann hast du dich entschlossen, hier wieder Dolmetscherin zu werden?
Cezarina Fischer:
Das war 1989 als die Grenzen geöffnet wurden, die Menschen konnten nach Deutschland reisen. Ich wurde von der Behörde gefragt und einige von dort haben mich motiviert das zu machen. Damals brauchten auch meine Landsmänner privat einen Dolmetscher. 1991 habe ich meine Unterlagen beim Landgericht Lübeck abgegeben, ich musste mich vorstellen und wurde im gleichen Jahr allgemein vereidigt.
Gegenwind:
Was wurde damals als Nachweis verlangt?
Cezarina Fischer:
Es ging um meine Ausbildung in Rumänien, meine Erfahrungen und ich musste nachweisen, welche Sprachkenntnisse ich hatte. Meine Deutsch-Kurse und Deutsch-Prüfungen wurden verlangt, nach meinen Erfahrungen in Deutschland gefragt.
Gegenwind:
Fühltest du dich sicher? Glaubtest du, dass du kannst, was von dir verlangt wird?
Cezarina Fischer:
Zum Anfang fühlte ich mich nicht so sicher, aber ich glaubte an meine Fähigkeit, die ich mit viel Lernen unterstützt habe.
Gegenwind:
Hast Du von Anfang an in Lübeck gelebt?
Cezarina Fischer:
Im ersten Jahr habe ich in Travemünde gewohnt, danach bin ich nach Lübeck gezogen.
Gegenwind:
Wolltest du denn auch vom Dolmetschen leben?
Cezarina Fischer:
Nein. Für mich war das eine Nebentätigkeit. Ich hatte viel Freude daran. Für mich war es sehr reizvoll dafür zu sorgen, dass zwei fremde Menschen miteinander sprechen konnten, sich verstehen durch meine Hilfe. Es waren ständig neue Situationen, neue Informationen, neue Wörter, das hat mir viel Freude gebracht. Das war für mich wichtiger, als viel Geld damit zu verdienen.
Gegenwind:
In welchen Bereichen hast du gedolmetscht?
Cezarina Fischer:
Das war damals schon sehr viel. Ich habe für die Staatsanwaltschaft, beim Gericht, in der JVA, bei "contra", bei der Polizei, beim Jugendamt, damals kamen viele Kinder und Jugendliche alleine nach Deutschland, dann beim Familiengericht und im Krankenhaus gedolmetscht. Im Krankenhaus habe ich ein rumänisches Kind zwei Jahre lang bei einer Serie von ästhetischen Operationen begleitet. Das habe ich unbezahlt gemacht, es war eine humanitäre Aktion. Das war sehr umfangreich, weil das Kind in vielen Stationen des Krankenhauses untersucht wurde, bevor es operiert werden konnte. Ich habe auch die ganzen Unterlagen übersetzt.
Gegenwind:
Wie ist die Situation heute? Gibt es noch genug Aufträge für eine Rumänisch-Dolmetscherin?
Cezarina Fischer:
Nicht mehr so viele. Ich dolmetsche sporadisch, die Auswanderung von Rumänen nach Deutschland ist längst nicht mehr so groß wie früher. Ich arbeite jetzt viel für Privatpersonen, übersetze Urkunden und Schulabschlüsse, Eheverträge. Aber es gibt kaum Aufträge aus der Wirtschaft, leider nicht.
Gegenwind:
Denkst du, das ändert sich mit der EU-Mitgliedschaft?
Cezarina Fischer:
Das kann sein. Aber das wird in Norddeutschland nicht so schnell ankommen. Hier gibt es nur wenige Rumänen, die sind mehr in Süddeutschland. Dort leben viele Rumänen und Deutsche aus Siebenbürgen, dort gibt es mehr Kontakte nach Rumänien.
Gegenwind:
Gibt es denn hier einen Zusammenhalt unter den Rumäninnen und Rumänen in Schleswig-Holstein?
Cezarina Fischer:
Kaum. Man kennt sich sehr wenig. In Süddeutschland leben eben viel mehr Rumänen und auch Rumänien-Deutsche, hier in Schleswig-Holstein gibt es kaum Kontakte untereinander.
Gegenwind:
Es gibt ja zwei rumänische Sprachen, Rumänisch und Moldawisch. In der Sowjetunion galt Moldawisch als eigenständige Sprache. Kannst du beides dolmetschen, oder gibt es Probleme?
Cezarina Fischer:
Bei dieser Frage schmunzele ich immer. Wenn wir uns die Geschichte Rumäniens ansehen, also die Geschichte von Moldau, der Walachei und Siebenbürgen, wenn wir zurückgehen ins Mittelalter, dann sehen wir, dass die moldauische Sprache die rumänische Sprache ist. Das heute rumänische Moldau gehörte damals zusammen mit der heutigen Republik Moldau und einem Teil der Ukraine zum Fürstentum Moldau. Und das Fürstentum Moldau gehörte zu Rumänien. In den Jahrhunderten wurde das Fürstentum Moldau mehrmals geteilt, zwischen der Türkei, Russland und Rumänien. Aber die Sprache war immer Rumänisch, auch in der heutigen Republik Moldau. In Moldau, soweit es zu Russland gehörte, war allerdings dann die erste Sprache Russisch. Die rumänische Sprache ist in Moldau in dieser Phase degeneriert, weil viele russische, kyrillische Ausdrücke in die Sprache aufgenommen wurden. Ich habe Texte gesehen, die Moldauer fügen immer noch viele russische Ausdrücke in die Sprache ein. Es ist aber keine eigene Sprache, die Moldauer sprechen auch Rumänisch. Es war eben lange nicht erlaubt, das Rumänische zu offiziellen Anlässen zu benutzen, da war nur die russische Sprache erlaubt, und so wurde vieles in der rumänischen Sprache vergessen.
Gegenwind:
Denkst du, dass die Teile des Landes irgendwann wieder zusammen kommen?
Cezarina Fischer:
Ja, ich hoffe es. Ich habe letztes Jahr in Rumänien einen Artikel dazu gelesen. Durch die Moldau fließt ein Fluss, die Prut. Der trennt heute die Republik Moldau von der rumänischen Region Moldau. Früher konnte man einfach über den Fluss, der eine Teil der Familie konnte die anderen Familienmitglieder besuchen. Jetzt sind viele Familien getrennt, und es ist schwer sich zu besuchen, weil Rumänien jetzt in der EU ist, der Fluss ist jetzt eine Außengrenze der EU. Und für den kurzen Besuch über den Fluss braucht man jetzt ein Visum. Das kostet viel Zeit, viel Geld, die Leute müssen ganz in die Hauptstadt Kishenau fahren, um dort ein Visum zu beantragen. Ich hoffe, dass die Republik Moldau irgendwann wieder zu Rumänien gehört.
Gegenwind:
Bist du regelmäßig in Rumänien? Wie entwickelt sich das Land jetzt in der EU?
Cezarina Fischer:
Ja, ich verfolge natürlich die Entwicklung in Rumänien. Letztes Jahr gab es große Diskussionen um den Fortschrittsbericht der EU für Bulgarien und Rumänien. Es gab viel Kritik an der Korruption in Rumänien, und die Regierung fürchtete auch Sanktionen. Wir hatten Glück. Aber es wurde diskutiert, ob man Mitleid mit uns hatte oder ob es unser Einfluss oder die Berücksichtigung der Geschichte war, dass wir noch einmal davongekommen sind.
Gegenwind:
Ist die Mitgliedschaft für Rumänien ein Vorteil oder Nachteil?
Cezarina Fischer:
Ein großen Vorteil. Das Land entwickelt sich jetzt sehr schnell, und ich finde es auch schön, dass mehr über die Geschichte Rumäniens bekannt wird und es nicht mehr ein vergessenes Land im Ostblock ist. Es ist ein reizvolles Land und gleichzeitig widersprüchlich.
Gegenwind:
Du lebst jetzt mehr als 25 Jahre in Deutschland. Wie hältst du dich sprachlich fit, dass du das Rumänisch von heute verstehst und sprechen kannst?
Cezarina Fischer:
Das ist eine sehr wichtige Sache. Ich habe natürlich meine eigene Methode. Man braucht viel Disziplin, und man braucht Liebe und Respekt für beide Sprachen. Beide Sprachen sind sehr interessant und auch verschieden. Ich lese häufig parallel. Wenn ich ein Buch in rumänischer Sprache lese, versuche ich das gleiche Buch in deutscher Sprache zu lesen. Ich schreibe sehr viele Vokabeln auf, auf Deutsch und Rumänisch. Ich lese Übersetzungen in beiden Sprachen. In Rumänien erscheinen jetzt auch die Klassiker aus Deutschland in den Übersetzungen. Ich bringe ständig Bücher über die rumänische Sprache aus Rumänien mit. Das macht nicht nur Spaß, es hält auch fit. Ich vergleiche auch gerne klassische und moderne Übersetzungen von den gleichen Texten.
Gegenwind:
Du engagiertst dich ja auch noch auf anderem Gebiet: Du hältst Vorträge über Rumänien.
Cezarina Fischer:
Ja. Seit Jahren interessiere ich mich für unsere Geschichte und vor allem für die Klöster in Rumänien. In Rumänien gibt es viele Klöster, auch viele außerhalb der Moldau und die meisten stammen aus dem Mittelalter. Ich habe eine Pilgerfahrt in der Moldau mitgemacht und ich beschäftige mich damit, die Geschichte dieser Klöster ins Deutsche zu übersetzen. Ich bekomme bei meinen Besuchen immer neue Informationen und von den Mönchen und Nonnen habe ich viele Informationen bekommen, die über die Broschüren hinaus gehen. Darüber halte ich in Lübeck auch Vorträge. Jetzt beschäftige ich mich mit den Klöstern der Bukowina.
Interview: Reinhard Pohl