(Gegenwind 234, März 2008)

Diskussion: Türkisch-Unterricht an Schleswig-Holsteins Schulen? - Teil 2

Türkisch in der Schule, nicht türkische Schulen!

Der Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan in Deutschland, vor allem sein Auftritt vor 16.000 Deutschtürken in Köln, ließ die Debatte über Einwanderung und Integration kurzfristig wieder auf Stammtischniveau sinken. Dabei wurden nur einzelne Sätze oder Halbsätze aus Erdogans Rede bzw. deren Übersetzung zitiert.

Es fehlten selbstkritische Stimmen. Käme ein anderer Regierungschef zu Besuch, er könnte ehemalige Landsleute, Migrantinnen und Migranten nicht so leicht mobilisieren. Und das liegt an der Ausgrenzung türkischer MigrantInnen hierzulande, denn Erdogan ist sicherlich kein Hoffnungsträger, dem die Menschen in Deutschland zuströmen.

Zitiert wurde hauptsächlich der Satz, Assimilation wäre ein "Verbrechen gegen die Menschheit". Nicht zitiert wurde die folgende Passage, in der Erdogan sagte, es komme nicht nur auf die Bewahrung der Muttersprache an - türkischstämmige Kinder hätten in Deutschland nur eine Chance, wenn sie Deutsch könnten, bevor sie zur Schule kommen.

"Verbrechen gegen die Menschheit"

Natürlich gibt es am Erdogan-Auftritt noch genug zu kritisieren. Die bewusste Verwendung des juristischen Begriffs, der für Völkermorde und ethnische Säuberungen reserviert ist, war eine unverschämte Provokation des Holocaust-Leugners. Während der iranische Präsident den Völkermord an den Juden leugnet, besorgt Erdogan das gleiche Geschäft in Bezug auf den Völkermord an den Armeniern. Hier benutzte er auch noch eine in der Türkei bekannte Propagandaschleife und beleidigte damit Demokratie und Bundestag, allerdings von deutschen Journalisten weitgehend unbemerkt: "Manche Gemeinschaften sind in der Lage, auch wenn sie nur aus einer Handvoll Menschen bestehen, basierend auf ihren intensiv betriebenen Lobbyismus, die Politik eines jeden Landes, in dem sie sich befinden, zu beeinflussen. Sie können Druck ausüben, um Beschlüsse der Parlamente in den jeweiligen Ländern zu erwirken." Wer täglich türkische Zeitungen liest, versteht diese Andeutung sofort: Der Bundestagsbeschluss zum Völkermord an den Armeniern, der Schulunterricht über diesen Völkermord und die Shoah basieren eben nach iranischer und türkischer Lesart nicht auf Fakten, sondern ausschließlich auf der Lobby-Arbeit der angeblich perfekt organisierten jüdischen und armenischen Organisationen in Deutschland und den USA.

Türkische Schulen

Der Vorschlag, in Deutschland türkischen Schulen und Universitäten zu gründen, war vermutlich eine ebensolche Propagandafigur, um die ehemaligen oder gegenwärtigen Staatsbürger in Deutschland zu erreichen, die sich von der deutschen Politik nicht akzeptiert fühlen. Der Sinn bleibt unklar. Denn es gibt mehrere Dutzend türkischer Privatschulen, die sich wie alle Privatschulen an die deutschen Lehrpläne halten und staatliche finanziert werden, wenn auch nicht so gut wie staatliche Schulen.

Türkische Schulen, die türkischstämmige Schülerinnen und Schüler mit LehrerInnen aus der Türkei ausbilden, würden auch vom Großteil der hiesigen MigrantInnen abgelehnt werden. Denn das türkische Schulsystem setzt auf das Auswendiglernen und den Frontalunterricht, zudem ist der Unterrichtsinhalt immer noch stark von der Propaganda aus den Zeiten Atatürks beeinflusst. Die SchülerInnen, die solche Schulen besuchen, könnten hinterher nur in der Türkei Karriere machen - und Deutschland könnte es kaum tolerieren, dass die Holocaust-Leugnung, die bereits jetzt in den Moscheen von türkisch entsandten Predigern verbreitet wird, auch in die Schulen Einzug hält.

Türkisch-Unterricht

Der Vorschlag, Türkisch als normales Schulfach auch in deutschen und schleswig-holsteinischen Schulen einzuführen, bedeutet dagegen einen Beitrag zur Integration, der ausnahmsweise mal von der Mehrheitsgesellschaft geleistet würde. Wer Integration nur als Verpflichtung für MigrantInnen sieht, meint tatsächlich die von Erdogan zu Recht (wenn auch mit den falschen Worten) abgelehnte Assimilation. Wenn Integration ein Prozess der gesamten Gesellschaft ist, muss sich gerade die Mehrheit nicht nur überlegen, was sie von den Minderheiten fordert, sondern zuallererst, was sie selbst zu leisten bereit ist.

Der Türkisch-Unterricht würde die wichtigste Sprache der Einwanderer endlich anerkennen und anderen Sprachen gleichstellen - vom Umfang her, also wie viele Klassen oder Kurse es gibt, natürlich entsprechend der Nachfrage. Ein deutliches Signal, dass die Einwanderer tatsächlich akzeptiert werden, würde in Zukunft auch jede Diskussion über solche Auftritt wie von Erdogan in Köln überflüssig machen. Wenn nämlich niemand mehr Veranlassung hat, dort hinzugehen.

Reinhard Pohl

Beiträge zur Diskussion (auch von Teil 1 aus Gegenwind (Nr. 233, Februar 2008))

Zur Startseite Hinweise zu Haftung, Urheberrecht und Datenschutz Kontakt/Impressum