(Gegenwind 233, Februar 2008)

Diskussion: Türkisch-Unterricht an Schleswig-Holsteins Schulen?

"Warum Russisch und nicht Türkisch?"

Hatice Yilderim

An den deutschen Schulen wird die Englische Sprache schon in der Grundschule gelehrt, was ich als angehende Diplom Pädagogin auch sehr wichtig finde. Zu meiner Schulzeit musste ich mich in der siebten Klasse für eine weitere Fremdsprache entscheiden und als Angebot stand Französisch und Latein zur Auswahl. Ich entschied mich für Französisch, weil sie meiner Muttersprache Türkisch am ähnlichsten war und sich elegant anhörte. Ich habe mich zu der Zeit noch nicht gefragt, warum meine Muttersprache nicht angeboten wurde, da ich davon ausging, dass Französisch eine weit verbreitete Sprache sei.

Weit verbreitet ist sie auf jeden Fall, jedoch nicht in Deutschland.

In Deutschland leben ca. 8,8 Mio. Menschen von denen ca. 1,8 Mio. türkische Staatsbürger sind. Weitere 450.000 Türken sind eingebürgert, sodass ungefähr über 2 Mio. Menschen mit türkischem Migrationshintergrund in der Bundesrepublik Deutschland leben. Ist dann Türkisch nicht schon die meistgesprochene Sprache in Deutschland nach der Landessprache? Die Antwort hierauf sollte uns allen klar sein.

Ich besuchte in Neumünster das Immanuel-Kant-Gymnasium in der ich in der neunten Klasse eine weitere Fremdsprache aussuchen durfte. Zur Auswahl stand die nicht gewählte Sprache Latein und Russisch.

Spätesten jetzt habe ich mich gefragt: "Warum Russisch und nicht Türkisch?"!

Ich habe Russisch als weitere Fremdsprache freiwillig gewählt und festgestellt, dass es eine sehr schöne und heutzutage auch wichtige Sprache in Deutschland ist. Trotz allem stelle ich fest, dass die Bedeutung der türkischen Sprache und die Anzahl der Bürger in Deutschland mit einem türkischen Migrationshintergrund außer Acht gelassen wurde und immer noch außer Acht gelassen wird.

Wenn es an entsprechenden Lehrkräften mangelt, sollte man sich an die Hochschulen wenden und entsprechende Kurse für angehende TürkischlehrerInnen anbieten. Die Frage, ob man die Lehrkräfte aus der Türkei einsetzen sollte, die zumal geringe bis überhaupt keine Deutschkenntnisse verfügen sehe ich sehr kritisch. Meinem Erachten nach muss ein Lehrer sich bei Problemen und Notfällen mit seinen Schülern unterhalten können und dazu bedarf man der Landessprache.

Seit einigen Jahren spricht man häufiger von dem Begriff "Integration". Wir hören oft genug, dass Ausländer in Deutschland die deutsche Sprache sprechen müssen / sollten, was meiner Meinung nach auch sehr wichtig ist. Nur durch Kommunikation finden wir uns zu Recht und können uns in ein neues Umfeld eingliedern.

Wäre es aber auch nicht schön, wenn die Integration beidseitig verlaufen würde und nicht in einer Einbahnstraße endet?

Wäre es nicht schön, wenn die größte Migrantengruppe in Deutschland das Gefühl bekäme wahrgenommen zu werden?

Ich, als Deutsche mit einem türkischen Migrationshintergrund, hätte es in der Schule toll gefunden, mich mit meinen deutschen Schulkameraden in einem einfachen Türkisch zu unterhalten. Es hätte eine größere Bindung zu den Schülern verschafft und viele Vorurteile abgebaut. So wünsche ich den türkischen Schülern heute, dass sie mit diesem Erlebnis konfrontiert werden und ihr Können im Türkischunterricht auch im Zeugnis einbringen können.

Ob Türkisch als zweite oder dritte Fremdsprache eingeführt werden soll, oder ob es zu einem Prüfungsfach wird, sollte noch offen gelassen werden. In erster Linie geht es darum, die türkische Sprache an deutsche Schulen einzuführen.

Hatice Yilderim
Diplom-Pädagogin
Türkisch-Dolmetscherin in Neumünster

Weitere Beiträge zur Diskussion

Zur Startseite Hinweise zu Haftung, Urheberrecht und Datenschutz Kontakt/Impressum