(Gegenwind 233, Februar 2008)

Diskussion: Türkisch-Unterricht an Schleswig-Holsteins Schulen?

Ein Schlüssel zu einer anderen Gesellschaft

Eda Koca

Wenn ich das Thema "Türkisch als Unterrichtsfach" aufwerfe, taucht auch zugleich die zentrale Frage "Warum" auf. Warum soll in Deutschland an deutschen Schulen Türkisch als Unterrichtssprache angeboten werden? Was spricht dagegen?

Dagegen könnte zum Beispiel sprechen, dass Migrantenkinder türkischer Herkunft dann die deutsche Sprache schlechter erlernen könnten. An dieses Problem könnte sich dann als Folgeproblem mangelnde Integration anknüpfen. Denn Sprache ist der Schlüssel zu einer Gesellschaft. Ohne die entsprechende Sprache hat man keinen Zugang in eine Gesellschaft.

Oder es gibt auch Meinungen, dass Kinder in Deutschland Deutsch brauchen und sich in ihrer Herkunftssprache nicht weiter entwickeln müssen. Andererseits werden auch Französisch und Englisch als Unterrichtssprache angeboten. Auch hier geht man allgemein davon aus, dass Kinder diese Sprachen brauchen. Damit werden diese Sprachen bevorzugt.

Alldem kann ich nicht zustimmen, denn für mich ist jede Sprache eine Besonderheit in sich und zudem eine Bereicherung. Man sollte so viele Sprachen lernen, wie man lernen kann. Man sollte jede Möglichkeit nutzen, eine Sprache zu erlernen. Je mehr, desto besser. Es kann nur bereichern. Keine Sprache ist minderwert. Jede Sprache ist ein Schlüssel zu einer anderen Gesellschaft. Sie kann auch ein Schlüssel zu einer anderen Gedankenwelt sein. Damit kann sie auch den Horizont eines Menschen erweitern.

Ich gebe ein einfaches Beispiel. Es gibt in einem Land X einen Philosophen oder einen Politologen oder einen Schriftsteller. Er hat viele interessante Bücher geschrieben. Aber man kann sie nicht lesen, weil sie in einer anderen Sprache geschrieben worden sind. Eine Übersetzung gibt es nicht oder wird vielleicht erst in zehn Jahren der Fall sein.

Auch die Befürchtung, dass Türkisch als Unterrichtsfach für Migrantenkinder türkischer Herkunft eine Erschwernis sein wird, die deutsche Sprache zu erlernen, ist für mich ein Irrtum. Im Gegenteil. Das vollständige Erlernen der Muttersprache trägt eher dazu bei, dass diese Kinder Deutsch besser lernen. Denn die erste Sprache, die man lernt, bildet stets die Grundlage für das Erlernen weiterer Sprachen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die zweite Sprache der ersten zeitlich nachfolgt. Erlernt ein Kind seine Muttersprache nicht vollständig, so hat es größere Schwierigkeiten, eine weitere Sprache zu erlernen, weil die Grundlage für die zweite Sprache fehlt.

Als Beispiel kann ich mich selbst nennen. Für mich waren Kurdisch und Türkisch die ersten Sprachen, die ich erlernt habe. Deutsch war meine dritte Sprache. Also eine Fremdsprache für mich. Während des Grundschulbesuchs in Deutschland an einer deutschen Schule habe ich parallel dazu eine vom Türkischen Konsulat in Kiel eingerichtete "Nachmittagsschule" in türkischer Sprache besucht. Beide Schulen (sowohl die türkische als auch die deutsche Schule) befanden sich in denselben Räumlichkeiten, nämlich in der Jahnschule.

Als Kinder der ersten Migrantengeneration in Deutschland, beherrschten viele Migrantenkinder damals die deutsche Sprache nicht gut oder gar nicht.

Leider haben damals nicht alle Schulen darauf reagiert. Entweder wurden diese Kinder ihrem Schicksal überlassen (Stichwort: Sonderschule) oder die Schule richtete einen Förderunterricht ein, um Migrantenkinder beim Erlernen der deutschen Sprache zu fördern. Zum Glück hat die Jahnschule, die ich besucht hatte, schon damals die zweite Variante gewählt. Auch im Unterricht wurde ich übrigens mit anderen Methoden zusätzlich gefördert. Ich bin froh darüber, dass ich soviel Glück hatte im Grundschulalter mich sowohl in der türkischen Sprache als auch in der deutschen Sprache zu entwickeln. Das war für mich der Grundbaustein dafür, später Dolmetscherin werden zu können.

Eda Koca
Dolmetscherin für Türkisch in Kiel

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