(Gegenwind 230, November 2007)

Öffentliche Beschaffung

Keine Ausbeutung mit Steuermitteln!

Für eine verantwortungsvolle öffentliche Beschaffung

Geiz ist teuer. Für eine soziale, ökologische und faire Beschaffung.
Bildnachweis: INKOTA/Peter Steudtner

Sklavenähnliche Kinderarbeit in indischen Steinbrüchen, Pestizidvergiftung bei der Belegschaft auf den Blumenplantagen in Guatemala, Überstunden bis zur totalen Erschöpfung für Näherinnen in Kambodscha, Bleivergiftung in Zulieferbetrieben von Daimler-Chrysler in Nicaragua, haarsträubende und völlig unannehmbare Arbeitsbedingungen sowie Menschen- und Kinderrechtsverletzungen sind Alltag in vielen über den Globus verteilten Fabriken, Plantagen und Minen.

Jedes Jahr werden in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland Millionenbeträge z.B. für Computer für Verwaltungen, Fahrzeuge für den öffentlichen Nahverkehr, Dienstkleidung und Uniformen, Schnittblumen für feierliche Anlässe, Pflastersteine für Plätze und Gassen, Spielzeug für Kindergärten, Bälle für Schulen ausgegeben. Häufig werden von den Verantwortlichen in Kommunen, Ländern und Bund rechtliche Bedenken gegen eine nachhaltige Beschaffung genannt. Nur das wirtschaftlich günstigste Produkt sei im Interesse der SteuerzahlerInnen in Zeiten angespannter Haushalte einzukaufen. Und nur selten wird gefragt, unter welchen Bedingungen ein bestimmtes Produkt hergestellt wurde, - auch in Schleswig-Holstein. Aber verantwortungsvolle Beschaffung ist auch jetzt schon möglich. Und auf allen drei Ebenen gibt es Möglichkeiten, dies sogar dies verbindlich vorzuschreiben. Diese Möglichkeiten sollten genutzt werden.

In der Bundesrepublik gibt es bereits in etwa 80 Städten und Gemeinden - u.a. in Lübeck - Ratsbeschlüsse, dass keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit mehr beschafft werden sollen. (Näheres s. www.aktiv-gegen-kinderarbeit.de).

Einige Kommunen, so z. B. die Städte Neuss und Düsseldorf, gehen noch einen wesentlichen Schritt weiter. Dort wird von den Lieferanten gefordert, dass sie bestätigen, dass bei ihren Produkten nicht nur keine Kinderarbeit beteiligt ist, sondern dass auch die Arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) eingehalten werden.

Auch auf Landesebene ist in Sachen öffentliche Beschaffung einiges in Bewegung. Der Bayerische Landtag hat am 18.Juli 2007 - erstmalig auf Landesebene - die Bayerische Staatsregierung zu verpflichten, nur noch Produkte zu erwerben, die ohne Kinderarbeit produziert wurden oder deren Hersteller und Verkäufer aktive und zielführende Maßnahmen zur Beseitigung ausbeuterischer Kinderarbeit ergriffen haben. Erste Schritte gibt es auch in NRW und Berlin. Berliner NGOs und Gewerkschaften haben sich z.B. zu dem FAIRgabe Bündnis Berlin zusammengetan und ein Positionspapier "FAIRgabe Berlin - Eckpunkte einer sozial-ökologischen Reform des Vergaberechts in Berlin" (siehe Kasten) vorgelegt und diese Forderungen an Politik und Verwaltung herangetragen. Anlässlich einer großen Beschaffungskonferenz, die am 20.09.07 im Haus der Deutschen Wirtschaft in Berlin stattfand, protestierten sie vor dem Tagungsort und ca 100 Personen und forderten unter dem Motto "Geiz ist teuer" soziale, ökologische und faire Beschaffung. Mit einem Schaubild wiesen sie auf die zwei Seiten der Medaille der aktuellen Beschaffungspraxis hin: Entscheidet sich die öffentliche Hand bei Ausgaben stets für den billigsten Anbieter, so fördert sie sowohl die untertarifliche Bezahlung in Deutschland als auch menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern.

Auf Bundesebene steht z.Z. die zweite Stufe der Reform des Vergaberechts an. Bereits 2004 hat die Europäische Union in einer Richtlinie ihre Mitglieder aufgefordert, ihr Vergaberecht zu überarbeiten und endlich soziale und ökologische Kriterien zu ermöglichen. Mehrere EU-Mitgliedsstaaten, darunter Großbritannien, Frankreich, die Niederlande und Österreich, haben dies bereits getan oder derartige Kriterien verbindlich vorgeschrieben. In Deutschland wird dies bislang vom Bundeswirtschaftministerium blockiert.

Das CorA- Netzwerk für Unternehmensverantwortung (www.cora-netz.de) hat deshalb eine Postkartenaktion an die Fraktionsvorsitzenden der Regierungsparteien Volker Kauder (CDU/CSU) und Peter Struck (SPD) gestartet (siehe Abb.). Diese sollen im Bundestag für die Aufnahme verbindlicher sozialer und ökologischer Kriterien ins deutsche Vergaberecht stimmen.

Hintergrundinformationen, weitere Materialien und Aktionsvorschläge sind in der Werkmappe "Verantwortliche Beschaffung" enthalten. Sie kann, ebenso wie die Protestpostkarten und eine Aktionszeitung, bei CIR- Christliche Initiative Romero (www.ci-romero.de) bestellt werden.

Horst Hesse

Dokumentation:

Stand: 19. September 2007

"FAIRgabe Berlin - Eckpunkte einer sozial-ökologischen Reform des Vergaberechts in Berlin"

Positionspapier des FAIRgabe Bündnisses Berlin

Inhaltliche Eckpunkte für verbindliche Regelungen zur Berücksichtigung sozialer und ökologischer Belange bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in Berlin sind:

In Ergänzung zu neuen rechtlichen und politischen Vorgaben muss insbesondere auch

Zur Unterstützung des nicht einfachen Prozesses hin zu einer sozial und ökologisch verantwortungsvollen Beschaffungspraxis in Berlin regen wir ferner an, über

zu diskutieren.

Anmerkung:
Die 8 Kernarbeitsnormen der ILO: Vereinigungsfreiheit (Konvention 87); Recht auf Kollektivverhandlungen (Konv. 98); Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf (Konv. 100 u. 111); Verbot der Zwangsarbeit (Konv. 29 u. 105); Verbot der Kinderarbeit und Abschaffung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (Konv. 138/182)

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