(Gegenwind 225, Juni 2007)

Schule ohne Rassismus

"Diese Schule hat es verdient"

Timo Looft und India Roth im Interview

Gegenwind:

Könnt ihr euer Projekt hier an der Gesamtschule vorstellen?

India Roth:

"Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" ist ein bundesweites Projekt, das es seit den 90er Jahren gibt. Es ist so aufgebaut, dass es nicht groß publiziert wird, sondern es soll über Mund-zu-Mund-Propaganda weitergetragen werden. Das ist auch an unserer Schule das Ziel. Dadurch, dass Schüler das Projekt an ihrer Schule durchführen, wird es weitergetragen. In Schleswig-Holstein gibt es bisher noch sehr wenig Schulen, die den Titel haben.

Es ist so gedacht, dass eine Schule einen solchen Titel erhält - "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" -, und dann besonders an diesem Thema arbeitet, sich also mit Rassismus und Diskriminierung beschäftigt. Es soll mindestens eine Veranstaltung im Jahr dazu stattfinden, damit es immer im Bewusstsein der Schule bleibt. Wir haben das anders gemacht. Wir haben uns gesagt, um den Titel zu erhalten, wollen wir ihn uns wenigstens ein bisschen verdienen. Wir haben deshalb Veranstaltungen gemacht, eine Umfrage, Plakate und haben damit hoffentlich einen Grundstein gelegt, um den Titel zu erhalten. Und dann geht das Projekt eigentlich erst richtig los.

Gegenwind:

Wie ist denn die Idee entstanden, gerade diese Schule zur Schule ohne Rassismus zu machen?

Timo Looft:

Ich hatte vorher schon bei einigen Projekten mitgemacht und hatte an diesem Thema Interesse. Ich wollte dieses Thema umfassender bearbeiten. India hatte dann von der Aktion "Schule ohne Rassismus" gehört und hat das vorgeschlagen. Im 13. Jahrgang müssen wir sowieso eine Jahresarbeit machen, und da haben wir uns für dieses Projekt entschieden.

India Roth:

In der Gruppe haben wir auch gesagt, dass die Gesamtschule eine besondere Rolle spielt. Wir haben hier einen größeren Ausländeranteil als an anderen Schulen, und es gibt definitiv Mobbing und Diskriminierung. Es ist an jeder Schule notwendig, aber an unserer Schule ist beides da: Wir haben das Problem, aber wir haben auch schon gute Ansätze, mit dem Thema umzugehen. Deshalb passt das Thema sehr gut an die IGS, und diese Schule hat es auch verdient.

Gegenwind:

Wie ist die Gruppe entstanden?

Timo Looft:

Wie das so ist. Es gibt an solchen Schulen auch so schon Gruppen, also Schülerinnen und Schüler, die auch in ihrer Freizeit was zusammen unternehmen, und daraus ist auch diese Gruppe entstanden. Es sind sechs Leute aus dem 13. Jahrgang, also India Roth, Julia Wilner, Lisa Boeck, Stephanie Müller, Jonas Kilian und ich, also Timo Looft. Und wir teilen uns alles, die wesentlichen Entscheidungen besprechen wir zu sechst, aber einzelne Aufgaben teilen wir dann auf, oft machen wir was in Dreiergruppen.

Gegenwind:

Welche Aktivitäten gab es bisher?

Projektwoche: Talkshow über Diskriminierung
Projektwoche: Talkshow über Diskriminierung

India Roth:

Wir haben angefangen im letzten Jahr, im Herbst 2006. Da gab es eine Projektwoche an der Schule, wir haben Ideen gesammelt, eine Prioritätenliste gemacht, geplant. Wir haben mit einer Umfrage angefangen, um uns überhaupt ein Bild zu verschaffen. Wie notwendig ist das, ist es sinnvoll, was wir machen? Wo kann man ansetzen? Wir haben die Umfrage für alle Klassenstufen gemacht und auch für die Lehrer. Es ging darum, was könnt ihr mit den Begriffen Diskriminierung und Rassismus anfangen, wurdet ihr selbst schon mal gemobbt, habt ihr schon mal gemobbt? Wir waren uns dann bei den Ergebnissen nicht sicher, ob das alles wahr ist. Wenn tatsächlich 60 Prozent der Schüler einschreiten würden, wenn jemand gemobbt wird, hätten wir das Problem nicht. Bis zum Januar haben wir die Veranstaltung als offiziellen Start geplant, und dann haben wir eine Präsentation vorbereitet, die auch benotet wurde. Da die Veranstaltung im Januar, eine Podiumsdiskussion, mehr politisch und für die größeren Schülerinnen und Schüler war, haben wir in der Projektwoche alles mehr auf die jüngeren Schüler ausgerichtet. Wir haben einen Hindernis-Parcour gemacht, wo die Schülerinnen und Schüler ausprobieren konnten, wie es ist im Rollstuhl zu sitzen, sich blind Wasser einzuschenken, mit Krücken zu laufen und so etwas. Wir haben dann eine Talkshow gemacht mit einem Prototyp von Neonazi und einem Prototyp von Markenproll und dann auch Opfer von Mobbing. Und jetzt haben wir die Wahl organisiert, 70 Prozent der SchülerInnen, der LehrerInnen und der Angestellten müssen zustimmen, dass diese Schule eine Schule ohne Rassismus und mit Courage werden soll, und im Moment zählen wir die Stimmen aus.

Projektwoche: Talkshow über Diskriminierung
Projektwoche: Talkshow über Diskriminierung

Gegenwind:

Welche Unterstützung habt ihr bekommen, in der Schule oder von außen?

Timo Looft:

Von den Lehrerinnen und Lehrern war die Unterstützung gut, wir hatten nur ab und zu Probleme, was die Raumvergabe angeht. Von der Landeskoordination haben wir auch gute Unterstützung bekommen.

India Roth:

Die Unterstützung war wirklich gut. Vor der Veranstaltung im Januar gab es wie üblich ein bisschen Chaos, weil dann der eine vergessen hat, der anderen Bescheid zu sagen, aber grundsätzlich ist die Unterstützung da. Mehdi Kuhlemann, die Landeskoordinatorin, war ja auch zur Veranstaltung da. Die Kontakte müssen wir jetzt der nächsten Gruppe übergeben, die alles weitermacht, aber die Unterstützung ist gut.

Projektwoche: Talkshow über Diskriminierung
Projektwoche: Talkshow über Diskriminierung

Gegenwind:

Wie ist jetzt der aktuelle Stand?

Timo Looft:

Für dieses Schuljahr sind wir jetzt kurz vor dem Abschluss. Wir müssen noch die Wahl auswerten, und wir hoffen, dass wir dann im Juni den Titel bekommen.

Gegenwind:

Welche Rolle hatte der Pate?

Timo Looft:

Wir haben verschiedene Prominente angeschrieben, aber leider auch viele Absagen oder gar nicht erst Antworten bekommen. Stefan Lövgren vom THW hat sich dann selbst gemeldet und gesagt, dass er Interesse hat, uns als Pate zu unterstützen. Er ist dann auch zur Auftaktveranstaltung im Januar in die Schule gekommen, hat auch von seinem Leben als Ausländer in Kiel erzählt.

Gegenwind:

Jetzt verlassen alle sechs Mitglieder der Projektgruppe mit dem Abitur die Schule, klappt denn die Übergabe an eine neue Gruppe? Gibt es Freiwillige, oder musstet ihr Druck ausüben?

India Roth:

Wir mussten erstaunlich wenig Druck ausüben. Es gibt viele Interessierte, und wir haben auch im Januar auf der Veranstaltung und als wir durch die Klassen gegangen sind immer gesagt, es muss weitergehen, wir brauchen Leute, die das weiter machen. Es ist nicht ganz klar, in welchem Rahmen es weitergehen wird. Es wird wieder einen Projektkurs geben, dafür haben sich schon genügend Leute aus dem jetzigen 12. Jahrgang gemeldet. Es gibt aber auch Leute aus den Klassen drunter, die Interesse haben. Wir fänden es schön, wenn es nicht nur die ältesten SchülerInnen machen. Wir haben jetzt Listen mit Interessenten, und wir denken, dass von 15 Interessierten immer mindestens fünf übrig bleiben, die es tatsächlich machen. Ein Lehrer wird das als AG einrichten, und eine solche AG kann dann auch weiter bestehen, die besteht im Gegensatz zu einem Projektkurs nicht nur aus SchülerInnen des gleichen Jahrgangs.

Förderung von Zivilcourage

Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage (SOR-SMC) ist ein Projekt von und für SchülerInnen, die gegen alle Formen von Diskriminierung, insbesondere Rassismus, aktiv vorgehen und einen Beitrag zu einer gewaltfreien, demokratischen Gesellschaft leisten wollen.

Wie wird man eine SOR-SMC?

Will eine Schule eine SOR-SMC werden, bedarf es dazu des Willens und der eigenen Initiative der SchülerInnen, im Sinne des Selbstverständnisses aktiv zu werden. Die Bundeskoordination von SOR-SMC verzichtet daher darauf, SchülerInnen offensiv zum Mitmachen zu überreden. In der Regel erfahren sie von dem Netzwerk des Gesamtprojektes über das Internet, aus den Medien oder durch Berichte anderer SchülerInnen. Die SchülerInnen müssen selbst entscheiden, in welcher Weise sie die formale Voraussetzung zur Teilnahme am Projekt SOR-SMC erfüllen, nämlich die Unterschrift von mindestens 70 Prozent aller direkten Angehörigen ihrer Schule (SchülerInnen, LehrerInnen, SozialpädagogenInnen, SekretärInnen, Hausmeister, etc.) zu sammeln. Manche "Initiativgruppe" hängt die Unterschriftenlisten während eines Schulfestes aus und sammelt die benötigte Anzahl binnen weniger Stunden. Andere nehmen sich dafür viel Zeit, suchen jede Klasse einzeln auf, diskutieren mit den MitschülerInnen über die Zielsetzung des Projektes und haben erst nach mehreren Monaten die erforderliche Anzahl von Unterschriften beisammen.

Vieles geht besser mit Patinnen und Paten

Der Titel wird den SchülerInnen und somit der Schule in einem feierlichen Festakt übergeben. Die SchülerInnen sollen sich eine Patin oder einen Paten für ihre Schulen suchen. Häufig sind dies Personen aus den Bereichen Kunst, Politik, Medien oder Sport, wie zum Beispiel die Popgruppen Die Prinzen oder Brothers Keepers, der Politiker Cem Özdemir, die Bundesligastars Michael Preetz oder Marco Bode, die Schauspielerin Iris Berben oder Zeitzeugen des Nationalsozialismus. Indem sich die Paten öffentlich für das Anliegen einsetzen, werden die SchülerInnen nicht nur am Tag der Titelübergabe, sondern dauerhaft in ihrem Engagement unterstützt. Wenn am Ende des Festaktes das Schild SOR-SMC gut sichtbar an der Schule angebracht wird, haben alle dazu beigetragen, ihrer Schule in diesem Sinne auch öffentlich ein zusätzliches, neues Profil zu geben.

www.schule-ohne-rassismus.org

Timo Looft:

An der AG können Schülerinnen und Schüler unbeschränkt teilnehmen, und wenn welche abgehen, sind andere noch dabei, es gibt keine Noten, und das macht die Arbeit hoffentlich auch effektiver.

India Roth:

Letztes Jahr gab es schon Leute, die fragten, können wir bei euch mitarbeiten. Und wir mussten sagen, nein, leider nicht, wir sind ein Projektkurs und bekommen eine Note, da kann niemand aus einem anderen Jahrgang mitmachen. Aber nächstes Jahr wird das gehen.

Gegenwind:

Ist es denkbar, dass Mitglieder der jetzigen Projektgruppe später als Ehemalige mit aushelfen?

Timo Looft:

Wenn die Nachfrage besteht, bestimmt. Wir müssen aber auch sehen, wie es jetzt mit uns nach der Schule weiter geht und wohin uns die Wege führen. Aber auf Anfrage sind wir alle bestimmt gerne bereit auszuhelfen.

India Roth:

Wir haben natürlich als Projektkurs unsere Arbeit auch ganz genau protokolliert. Und das heißt, dass die nächste Gruppe nicht ins kalte Wasser springen muss, sondern alle organisatorischen Dinge und Finanzen werden übergeben. Wir haben auch noch Geld übrig, noch von der Tombola im Januar. Wir sind uns noch nicht sicher, ob wir das Geld der Landeskoordination für neue Schulen geben oder ob wir das Geld an der Schule lassen. Das sind vielleicht nur fünfzig oder hundert Euro, aber darüber mussten wir uns zuerst ja auch Gedanken machen, woher kommt die Kohle - die nächsten Gruppen haben dann schon mal eine finanzielle Starthilfe.

Gegenwind:

Hat sich an der Schule durch euer Projekt schon etwas verändert?

Timo Looft:

Ja, auf jeden Fall. Es wird rücksichtsvoller miteinander umgegangen, gerade in den unteren Klassen, und wir haben einen positiven Eindruck hinterlassen. Wir wurden auch schon auf Probleme außerhalb der Schule angesprochen, rassistische Äußerungen in Discotheken zum Beispiel, wir wurden gefragt, was man machen kann und an wen man sich wenden kann - und das ist positiv.

Gegenwind:

Ihr musstet drei Gruppen, Schüler, Lehrer und Angestellte überzeugen. Gab es bei einer Gruppe besondere Probleme?

India Roth:

Nein, es gab keine Gruppe, die schwer zu überzeugen war. Die Unterschiede bei den Altersgruppen waren viel größer. Bei den Lehrerinnen und Lehrern war es gar kein Problem. Bei den Schülern, das haben wir schon bei der Umfrage bemerkt, ist Mobbing und Diskriminierung ein besonderes Problem in der Mittelstufe. Das war weder bei den unteren noch bei den oberen Klassen ein so großes Problem, sondern da, wo sich auch die Pubertät abspielt und Orientierung gesucht wird, da gab es die meisten Diskussionen.

Gegenwind:

Vielen Dank!

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