(Gegenwind 225, Juni 2007)

Bahnprivatisierung stoppen

Verscherbelung von gesellschaftlichem Vermögen verhindern

Stoppt den Ausverkauf der Bahn! Die Bahn ist öffentliches Gut!

Die systematische, jahrzehntelange Vernachlässigung der ehemaligen Deutschen Bundesbahn hatte sie immer unattraktiver gemacht und ihre Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem Autoverkehr enorm geschwächt. Streckenstilllegungen, Schließung, Verfall und Abriss von Bahnhöfen beschleunigten diese Entwicklung. Der DB wurde auch immer wieder unterstellt, sie erhalte zu hohe Subventionen, während die höheren direkten oder indirekten Subventionen des Autoverkehrs, des Flugverkehrs und der Binnenschifffahrt bei Politikern und in den Massenmedien weitgehend unerwähnt blieben.

Die nach 1990 massiv beschleunigte Neoliberalisierungs- und Privatisierungswelle erfasste auch die Deutsche Bahn. Die Deutsche Bundesbahn und die bis dahin in den ostdeutschen Bundesländern noch existierende Deutsche Reichbahn wurden1994 nach einem Mehrheitsbeschluss des Deutschen Bundestages mit Zustimmung der oppositionellen SPD in die Kapitalgesellschaft Deutsche Bahn AG überführt. Schon Anfang der neunziger Jahre hatte ein massiver Abbau des Personals eingesetzt. Gleichzeitig erfolgte eine Konzentration auf Fernverbindungen. Die ersten ICEs kamen zum Einsatz, finanziell enorm aufwendige, ökologisch bedenkliche Neubaustrecken mussten gebaut werden. In den Regionen verschlechterte sich die Situation, weitere Strecken wurden stillgelegt, Bahnhöfe und Schalter geschlossen. Die in den Regionen eingesetzten Wagen und Lokomotiven waren in einem schlechten Zustand. Dadurch kam es zu häufigeren Verspätungen und Zugausfällen. Im Fernverkehr stiegen die Beförderungszahlen zunächst bis 2002 an, durch den Wegfall der InterRegios und nach der missglückten Einführung eines neuen Preissystems sanken die Fahrgastzahlen allerdings wieder deutlich.

Mit den Entscheidungen zur Umwandlung der bisherigen Bahn in die DB AG waren auch Zuständigkeiten und Finanzmittel für den Regionalverkehr an die Bundesländer übertragen worden. Die Bundesländer konnten nun andere Anbieter mit der Abwicklung von Transportleistungen beauftragen. In einigen Regionen kam es daher in den folgenden Jahren auch zur Wiederinbetriebnahme von einigen wenigen Bahnverbindungen und zum Einsatz von neuem Wagenmaterial. Die erreichten Verbesserungen blieben aber vergleichsweise gering. Das traditionelle Angebot ist vielfach nicht wieder erreicht worden. Der Regionalverkehr ist heute durch fehlende Bahnhöfe, geringe Taktfrequenzen, teilweise Überlastung, fehlende Anbindungen an den Fernverkehr, durch Tarifwirrwarr und natürlich immer noch - wie der gesamte Bahnverkehr - durch zu hohe Fahrpreise gekennzeichnet. Die Organisations- und Finanzierungsstrukturen sind insgesamt nur schwer zu durchschauen.

Wir lassen uns nicht verkaufen. Weder für Dumm - noch an der Börse.

Eigentlich müsste die Bahn im Zusammenhang mit der Klimaschutzdebatte eine neue Renaissance erleben. Die Bahn ist das sicherste und umweltfreundlichste motorisierte Verkehrsmittel. Wenn ehrlich gerechnet wird, ist sie auch das kostengünstigste Verkehrsmittel. Doch für die Politik und die ihnen nahestehenden Konzernmanager stehen Aneignung von Volksvermögen, Entmachtung von Bürgern und die Profitmaximierung im Vordergrund.

Nach den in immer neuen Variationen kursierenden Plänen soll die Bahn durch einen Börsengang sobald und soweit wie möglich privatisiert werden. Dazu sind neben Gutachten in den letzten Monaten verschiedene Gesetzesentwürfe des zuständigen Bundesverkehrsministeriums vorgelegt worden. Einige der eingebrachten Vorschläge wirken, als hätten Finanzinvestoren die Feder geführt.

Seit einigen Jahren werden die Aktivitäten der Bahnmanager und der verantwortlichen Politiker allerdings von Umweltverbänden und engagierten Bündnissen kritisch beobachtet. Besonders stark engagiert sich das Bündnis "Bahn für Alle". Im Bündnis "Bahn für Alle" haben sich die Verbände: Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND), Naturfreunde Deutschlands, Grüne Jugend, Eurosolar, die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, der globalisierungskritische Verband Attac, der Verkehrsclub Deutschland (VCD), LV Brandenburg, die Umweltschutzorganisation Robin Wood, das Expertenbündnis "Bürgerbahn statt Börsenbahn" und der Verein "Umkehr" zusammengeschlossen. Das Bündnis versucht mit einer professionellen Öffentlichkeitsarbeit die Entwicklung der Bahn im Interesse der Bürger und Kunden zu beeinflussen. Es geht vor allem darum, weitere Privatisierungen der Bahn zu verhindern, um den Einfluss von Politik und Bürgern zu erhalten, weiteren Stellenabbau aufzuhalten, um letztlich die Bahn als attraktivstes Verkehrsmittel zu stärken. Auf dem vom 16. bis 18. März vom Bündnis "Bahn für Alle" in Berlin durchgeführten Kongress " Die Bahn ist keine Ware" nutzten 160 Interessierte die Gelegenheit, die bisherigen und aktuellen Entwicklungen mit den Verkehrswissenschaftlern Winfrid Wolf, Heiner Monheim und weiteren Experten zu diskutieren. Der erneut überarbeite, kürzlich veröffentlichte Gesetzentwurf zur Privatisierung der DB AG empört sogar den Fahrgastverband "Pro Bahn", der sich bisher nur sehr moderat zu den bekannt gewordenen Plänen verhielt und sich dem Bündnis noch nicht angeschlossen hat. Nach dem neuesten Gesetzesvorschlag soll der Bund zwar Eigentümer des Streckennetzes bleiben, die zunächst teilprivatisierte DB AG erhält allerdings weiter Zuschüsse und darf prinzipiell frei über das Netz verfügen. Diese Konstruktion wird als nicht verfassungsrechtlich zulässig eingestuft.

Plakat in der Wandelhalle

Für das Bündnis kommt es jetzt darauf an, in der Öffentlichkeit und bei den verantwortlichen Politikern verstärkt Aufklärungsarbeit zu betreiben und Widerstand zu organisieren. In dem auf der Konferenz beschlossenen Positionspapier "Perspektiven für eine Bahn für alle" wird aufgezeigt, wie die Zukunft der Deutschen Bahn aussehen könnte. Das Bündnis hofft, viele Aktive aus der Umwelt- und aus der sozialen Bewegung zu mobilisieren, um Aktionen durchzuführen oder Leserbriefe und Briefe an Politiker zu schreiben. Materialien, u. a. der Film "Bahn unterm Hammer", stehen - teilweise kostenlos - zur Verfügung.

Bahn- und Ferienland Schleswig-Holstein?

Im Bundesland Schleswig-Holstein hat die Entwicklung der letzten Jahre mit der Privatisierung des Regionalverkehrs nur zu wenigen positiven Ergebnissen geführt. Zu den positiven Ergebnissen gehört die Revitalisierung einiger Bahnhöfe: Itzehoe, Husum, Westerland, Kiel, Travemüde-Strand, Lübeck, weitere Ausbaumaßnahmen oder Modernisierungen sind geplant (Elmshorn, Flensburg, Heide, Niebüll, Pinneberg und Rendsburg). Diese größeren Bahnhöfe sind noch im Besitz der DB AG, weil sie insbesondere für den Fernverkehr größere Bedeutung haben. Immerhin sind auch einige Strecken elektrifiziert worden. Die Elektrifizierung der Strecke Hamburg - Lübeck-Travemünde soll folgen. Auf der Strecke Hamburg - Lübeck sind seit dem letzten Jahr Doppelstockwagen im Einsatz. Auf den grenzüberschreitenden Hauptstrecken Hamburg- Aarhus und Hamburg - Kopenhagen sollen Diesel -ICE eingesetzt werden.

Eine grenzüberschreitende Fernverbindung Hamburg - Esbjerg fehlt. Die Westküstenverbindung Hamburg - Westerland wird fast nur von der Regionalbahn bedient. Ein attraktiver Anschluss an das Fernnetz ist für den Nordwesten des Landes zu schaffen (ab und bis Heide). Eine Verlängerung der Elektrifizierung ab Itzehoe steht bisher nicht auf der Prioritätenliste. Die Querverbindung Husum - Kiel -Lübeck ist zu zeitaufwendig und damit unattraktiv. Das Wagenangebot auf der Strecke Hamburg - Kiel ist nicht ausreichend. (Ab 2009 sollen auf dieser Strecke ebenfalls Doppelstockwagen eingesetzt werden.) Börsenbahn = Preiswahn - Privatisierung stoppenDie Bahncard 50 wird im Regionalverkehr Schleswig-Holsteins nicht mehr anerkannt. Es wird kein Single-Ticket angeboten. Die Fahrradmitnahme ist auch wochentags nicht mehr kostenlos. Das Wochenendticket gilt nur noch für einen Tag. Die privaten Betreiber sind teilweise mit Nachforderungen an das Land Schleswig-Holstein herangetreten. Für den ersten privaten Betreiber der Streckenverbindung Hamburg -Flensburg mussten nach dessen Konkurs die mit dem Konkurs entstandenen Kosten und Folgekosten vom Land übernommen werden. Die Betreiberin der Westküstenstrecke NOB hatte erhebliche Anlaufschwierigkeiten, die zu zahlreichen Verspätungen und Zugausfällen führten. Es werden veraltete und laute Lokomotiven eingesetzt. Durch den Rangierbetrieb im Bereich des Bahnhofs Husum kommt es immer zu enormen zusätzlichen Lärmbelastungen der Anlieger. Die DB AG will auch auf schleswig-holsteinischem Gebiet weitere Bahnhöfe verkaufen.

Weitere Informationen durch:
www.bahn-fuer-alle.de
www.deinebahn.de
www.pro-bahn.de

Klaus Peters

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