(Gegenwind 223, April 2007)

Interview mit Christian Salek

"Interkulturelle Probleme"

Christian Salek

Gegenwind:

Wie bist du nach Deutschland gekommen?

Christian Salek:

Ich bin 1995 nach Deutschland gekommen, hier wollte ich Jura studieren. Ich hatte schon in Syrien Jura studiert, hatte mein Diplom und habe hier die Magisterprüfung gemacht. Ich habe dann promoviert, und nach der Dissertation habe ich zwei Jahre in Damaskus gearbeitet. Dann bin ich wieder hierher gekommen, und seit 2003 arbeite ich als Übersetzer und auch als Dolmetscher. Jetzt habe ich ein Büro in Kiel gemietet.

Gegenwind:

Wie beschreibst du dein Beruf? Auf deinem Türschild steht Übersetzung und Beratung. Was machst du für wen?

Christian Salek:

Ich mache Übersetzungen für alle Angelegenheiten, Dolmetschen auch, dazu biete ich Beratung an. Das ist keine Rechtsberatung, weil ich nicht als Anwalt zugelassen bin, aber ich mache sonstige Beratung. Ich arbeite zum Beispiel im Gesundheitswesen. Ich berate Patientinnen und Patienten in der Sprache, die sie verstehen. Das betrifft vor allem arabische Patienten, die zur Behandlung in Deutschland sind. Da geht es um die Papiere, Visumangelegenheiten, das Dolmetschen im Krankenhaus und an anderen Stellen, und ich kann auch Unterkünfte für Angehörige besorgen, die die Patientinnen oder Patienten besuchen. Es ist eben nicht nur das Dolmetschen bei Behörden, es geht auch immer um die Information und die Beratung, welche Behörden wofür zuständig sind. Eine andere Gruppe sind Händler, Geschäftsleute aus arabischen Staaten, die hierher kommen und Unterstützung brauchen, Vermittlung an Rechtsanwälte, Beratung, welche Stellen was entscheiden.

Gegenwind:

Hast du Schwerpunkte im rechtlichen oder wirtschaftlichen oder gesundheitlichen Bereich? Oder bietest du das ganze Spektrum an?

Christian Salek:

Am Anfang ist es schwer sich zu spezialisieren, ich kann nicht festlegen, welche Spezialisierung möglich ist. Erst wenn ich einige Kunden habe, kann ich mich danach orientieren.

Gegenwind:

Kannst du von dieser Tätigkeit leben?

Christian Salek:

Ich glaube ja.

Gegenwind:

Wer bezahlt dich, wenn arabische Patienten zur Behandlung herkommen? Arbeitest du für das Krankenhaus, oder arbeitest du für die Familien, deren Angehörige herkommen?

Christian Salek:

Für beide arbeite ich. Entweder nimmt der Patient, der nach Deutschland kommt, Kontakt mit mir auf und beauftragt mich, angefangen mit der Beschaffung des Visums und Abschluss eines Behandlungsvertrages mit der Uniklinik. Dann geht es auch um entsprechende Unterstützung der Familie. An sich bezahlen mich die Patienten.

Gegenwind:

Wie erfährt man von deinem Angebot? Machst du Werbung, oder lebst du von Weiterempfehlungen?

Christian Salek:

Ich mache Werbung, ich habe ein Faltblatt und eine eigene Webseite, aber es verbreitet sich auch über Freunde und Bekannte. Ich dolmetsche für Leute aus Syrien, Libanon und die Golfstaaten. Ich bin auch dabei, bei arabischen Handelskammern oder Krankenhäusern meine Werbung zu verteilen.

Gegenwind:

Welche Probleme haben Kunden, die aus Arabien herkommen? Welche Verständnisschwierigkeiten gibt es außer der Sprache noch? Gibt es auch umgekehrt Missverständnisse bei Deutschen, die mit arabischen Kunden oder Patienten zu tun haben?

Christian Salek:

Es gibt viele Probleme bei arabischen Landsleuten. Am wichtigsten ist natürlich die Sprache, aber es gibt auch Patienten aus Arabien, die Deutsch nicht gut sprechen. Englisch können wenige, zumindest reicht es nicht, um hier zu kommunizieren. Dann gibt es interkulturelle Probleme. Sie kennen das System nicht, zum Beispiel sind sie nicht daran gewöhnt, dass transparent mit Patienten umgegangen wird. Die Beziehungen zwischen Arzt und Patient sind in arabischen Ländern nicht so transparent. Hier ist man direkt und ehrlich. Es gibt Krankheiten, die in arabischen Ländern nicht so gut behandelt werden können, einige kommen natürlich auch, weil sie mal in Deutschland sein wollen.

Gegenwind:

Gibt es Vorurteile auf beiden Seiten?

Christian Salek:

Bei arabischen Patienten oder Geschäftsleuten gibt es positive Vorurteile. "Made in Germany" hat einen guten Ruf, und Deutschland hat überhaupt einen guten Ruf. Anders herum ist es unterschiedlich, aber es gibt keine durchgehenden negativen Vorurteile hier gegen Araber.

Gegenwind:

Kann man alles dolmetschen, was auf Arabisch gesagt wird?

Christian Salek:

Es gibt Probleme beim Übersetzen und beim Dolmetschen. Beim Übersetzen ist es nicht so kompliziert. Das Dolmetschen ist manchmal kompliziert. Araber sprechen viele verschiedene Dialekte, jedes Land und teilweise jeder Ort hat einen anderen Dialekt, und der Dialekt spielt eine besondere Rolle, weil viele Menschen nicht die Hochsprache können. Einige verstehen es auch nicht, wenn ich Hocharabisch spreche. Und dann muss ich manchmal den Inhalt von Aussagen komplett anders formulieren, um auf Arabisch verstanden zu werden, das ist ein großes Problem. Das nächste Problem ist, wenn der Arzt sagt, Sie haben ein Karzinom oder eine gefährliche Krankheit, ist das ein Schock, weil die Patienten die direkte Ansprache nicht kennen. In arabischen Ländern schweigen die Ärzte, wenn sie eine gefährliche Krankheit entdeckt haben, sie sagen das manchmal den Angehörigen, aber nicht den Patienten selber.

Gegenwind:

Gibt es auch Dialekte, die du überhaupt nicht verstehst?

Christian Salek:

Nein. Ich habe viele Reisen gemacht, ich kann alle Dialekte verstehen und habe auch viele Kontakte in Länder von Marokko bis Libanon und Irak, da habe ich keine Schwierigkeiten. Aber ich bin eben Jurist, in der medizinischen Terminologie bin ich immer noch nicht perfekt. Manchmal habe ich Probleme, die deutschen Ärzte zu verstehen. Und manchmal gibt es keine arabische Entsprechung für deutsche Fachwörter, und in vielen Fällen haben die arabischen Patienten von den reinen medizinischen Begriffen nicht gehört. Ich muss dann den Inhalt der Begriffe erklären, also kann nicht Wort-für-Wort dolmetschen. Das kommt auch bei Übersetzungen vor, weil es keine engen Beziehungen zwischen Deutschland und arabischen Ländern gibt. Da fehlen manchmal entsprechende Begriffe in der anderen Sprache.

Gegenwind:

Welches Ansehen haben Dolmetscher in Deutschland? Im Krankenhaus werden ja häufig Dolmetsch-Arbeiten nebenbei und von Kindern gemacht. Gilt das als vollwertiger Beruf?

Christian Salek:

Das Dolmetschen gilt auf jeden Fall als vollwertiger Beruf. Ich habe keine anderen Erfahrungen gemacht. Wenn hier ein Patient zur Behandlung kommt, muss der Arzt wissen, was er hat - und das kann ein Kind nicht dolmetschen. Ein Kind, das in Deutschland lebt, hat das Arabische nur zu Hause mit den Eltern gesprochen, ein Kind hat nicht den Wortschatz für medizinisches Dolmetschen. Aber die meisten Migrantinnen und Migranten können bzw. wollen das Dolmetschen nicht bezahlen, und dann ist der Weg über die Kinder der einfache Weg. Die Eltern sehen ja nur, dass die Kinder gut Deutsch sprechen können.

Gegenwind:

Haben Ärzte eine Problembewusstsein, wissen sie, dass Kinder keine geeigneten Dolmetscher sind?

Christian Salek:

Die Ärzte tun nur ihre Pflicht. Sie müssen etwas erklären, sie müssen etwas verstehen, aber es ist nicht Aufgabe der Ärzte, sich um Dolmetscher zu kümmern. Das müssen die Patienten, die Hilfe suchen.

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