(Gegenwind 220, Januar 2007)

Vogelschutz, Vertragsnaturschutz und der neue Auftritt des Ministeriums

Neue Vertragsnaturschutz-Periode beginnt - Erwartungen weitgehend erfüllt, politische Auswirkungen ungewiss

Ab dem 1. Januar 2007 beginnt eine neue Periode des Vertragsnaturschutzes in Schleswig-Holstein. Gleichzeitig werden überarbeitete Programme wirksam. Im November waren die neuen Programme auf einer Veranstaltung des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MULR) in Tetenbüll/Eiderstedt erstmals öffentlich vorgestellt worden. Die positiven Erfahrungen mit dem 2004 als Versuchs- und Demonstrationsprojekt begonnenen Programm "Extensive Weidewirtschaft Eiderstedt (EWE)" hatten sich bereits herumgesprochen und zu einer Voranmeldung von etwa 5000 ha, von rund einem Drittel der Grünlandfläche der Landschaft Eiderstedt, geführt.

Der Vertragsnaturschutz hat in Schleswig-Holstein eine relativ lange und komplizierte Vorgeschichte. Erste Programmangebote gab es bereits in den achtziger Jahren, die unter dem damaligen Landwirtschaftsminister Günther Flessner (CDU) entwickelt worden waren. Unter der SPD-Regierung mit dem ersten Umweltminister, Prof. Berndt Heydemann (parteilos), wurden die Programme weiterentwickelt und ökologisch angereichert. Die folgenden rot-grünen Landesregierungen hatten diese Programme variiert und offensiv angeboten, zuletzt verstärkt besonders in Verbindung mit der notwendigen Ausweisung von Vogelschutzgebieten. Die heftige Debatte um die Vogelschutzgebiete, die an der Westküste eskalierte, dürfte letztlich dazu geführt haben, ein besonders attraktives Modellprogramm speziell für die Landschaft Eiderstedt, das EWE, zu entwickeln. Dieses Modellprogramm hatte zunächst neue Unruhe gebracht, dann aber doch einen teilweisen Abbau der Fronten bewirkt. Wegen der Ungewissheit über neue Programmangebote und den Fortgang der Ausweisung von Schutzgebieten war trotz der neuen Besetzung, der Umbenennung und Umstrukturierung des zuständigen Ministeriums gleichzeitig unerwartete Skepsis gegenüber der neuen Landesregierung aufgekommen.

Die Verpflichtung zur Ausweisung von Flächen gemäß der Europäische Vogelschutzrichtlinie (VSRL) bestand schon in den achtziger Jahren. Durch das 1992 beschlossene Europäische Schutzgebietsprogramm Natura 2000, das durch die FFH-Richtlinie auch bedrohte Pflanzen, andere bedrohte Tierarten und Habitate, also Lebensräume, umfasst, hatte sich der Druck zur Ausweisung von Schutzgebieten erheblich verstärkt. Zunächst war nur das Gebiet des Nationalparks Wattenmeer gemeldet worden. Es folgte die Meldung von bereits ausgewiesenen Naturschutzgebieten. Erst die letzte rot-grüne Regierung bemühte sich um eine konsequente Erfüllung der Ausweisungspflichten. Von der Halbinsel Eiderstedt sollten zuletzt rund 19 000 ha gemeldet werden (ca. Zweidrittel der Gesamtfläche). Die Meldung der Flächen wurde wegen der heftigen Widerstände aber immer wieder hinausgezögert. Die neue Landesregierung hat dann lediglich etwa 2800 ha gemeldet. Wie die EU-Kommission reagieren wird und welche Rolle der "freiwillige" Vertragsnaturschutz in diesem Zusammenhang spielt, ist noch unklar.

Der lange erhoffte Stimmungswechsel in der Landwirtschaft könnte inzwischen aber doch erreicht worden sein. Der Auftritt des zuständigen Ministeriums in Tetenbüll war jedenfalls offensichtlich an die Erwartungen der Landwirtschaft angepasst. Der zuständige Vertreter des Ministeriums, Michael Kruse, wirkte nicht wie ein Ministerialbeamter und konnte seine enge persönliche Verbindung mit der Landwirtschaft auch durch Outfit und Sprache glaubwürdig vermitteln. (Für aufmerksame Beobachter der politischen Szene wurden Erinnerungen an der Agrarexperten und langjährigen Europaabgeordneten von B90/Die Grünen, Friedrich-Wilhelm Gräfe zu Baringdorf, wach. Versuche, ihn als Umwelt- und Landwirtschaftsminister der Vorgängerregierung durchzusetzen, waren parteiintern kläglich gescheitert.).

Unbefangen nannte Kruse seinen früheren Minister den "ersten grünen Landwirtschaftsminister" und gekennzeichnete die bisherige Politik des Ministeriums, sicher zur Überraschung einiger der Anwesenden, als eine ohne wesentliche Veränderungen auch auf den Naturschutz ausgerichtete Politik. Gleichzeitig konfrontierte er die Anwesenden mit der Feststellung, in der Landschaft Eiderstedt gäbe es zwei verschiedene Lager, ein aus anderen Regionen bekanntes "Wir-Gefühl" sei noch nicht vorhanden.

Vertragsnaturschutz

Zu den Programmen

Die Agrarumweltprogramme waren und sind für die Landwirtschaft trotz der mit ihnen verbundenen Einkommensverluste eine wichtige zusätzliche Einkommensquelle. Die vorgesehenen Einschränkungen beziehen sich auf die Bodenbearbeitung, den Pestizideinsatz und die Düngung, das Mähen, die Tierzahl und die Duldung von biotopgestaltenden Maßnahmen. Die drei für die übliche Laufzeit von 5 Jahren angebotenen Programmen sind mit unterschiedlichen Einschränkungen bzw. der Erbringung von spezifischen ökologischen Leistungen verbunden (Anm.1). Die Prämienzahlungen sind entsprechend den vorgesehenen Einschränkungen abgestuft.

Es dürfen keine Pestizide eingesetzt werden. Untersagt ist ebenfalls der Einsatz von Knallgas-Vergrämungseinrichtungen (Anm.2). Die Natura 2000-Prämien in Höhe von 80.- € pro Hektar werden für Flächen, die in den angemeldeten Gebieten liegen, zusätzlich gezahlt (Anm.3). Die Beratung vor Ort ist noch nicht abschließend geregelt. Bedauerlicherweise ist das Ministerium nicht bereit, dem von Teilnehmern des Modellprogramms EWE gegründeten Verein "Weideland Eiderstedt e.V.", der inzwischen 70 Mitglieder hat, die Beratung zu übertragen. Das die gewünschten ökologischen Leistungen erbracht worden sind - die ja nicht zuletzt auch für den Tourismus von Bedeutung sind oder sein können - ist durch das seit 2 Jahren laufende, von der "Stiftung Aktion Kulturlandschaft" entwickelte und begleitete Modellprogramm eindruckvoll nachgewiesen worden.

Klaus Peters

www.aktion-kulturland.de

Anmerkungen

  1. Nach Ablauf der 5 Jahre soll ein bedingungsloser Ausstieg möglich sein. Von den biotopgestaltenden Maßnahmen müssen lediglich Tränkekuhlen bestehen bleiben. Inwieweit die Finanzierung des Vertragsnaturschutzes bei steigender Nachfrage gesichert werden kann, wurde nicht bekannt. Festzustellen ist, dass die 2004 gemäß der EU-Vorgabe zur "Entkoppelung" der Prämienzahlungen von der Produktion neu eingeführten Flächenprämien (Zahlungsansprüche) für Grünlandbetriebe in den nächsten Jahren bis 2013 durch den mit ihrer Einführung verbundenen Abbau der Tier- und Milchprämien steigen werden (von ca. 80.-€ auf 350.-€). Das Prämienvolumen pro Hektar durch Flächenprämien wird damit für die meisten Betriebe höher liegen, als durch die bisherigen Tier- und Milchprämien.
  2. Auf benachbarten Flächen anderer Eigentümer, die nicht an den Programmen teilnehmen, dürfen diese Geräte offensichtlich eingesetzt werden.
  3. Die Verfahren zur Ausweisung dieser Gebiete als Landschaftsschutzgebiet sind angelaufen. Verantwortlich sind hier die Landräte als untere Naturschutzbehörde.
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