(Gegenwind 218, November 2006)

Nazis in Neumünster: Der 10. Geburtstag des "Club 88"

Ein Jubiläum und seine Vorgeschichte

Der 10. Geburtstag des "Club 88"

Am 30. September feierte der "Club 88" in Neumünster sein zehnjähriges Bestehen. Live-Musik war ihnen kurzfristig von Polizei und Stadtverwaltung untersagt worden, so dass die rund 250 Nazis auf den geplanten Liederabend und das wohl ebenso geplante Konzert verzichten mussten. Ansonsten war alles wie immer. Mäßige Polizeipräsenz, denen ein Hitlergruß und "Sieg Heil" Rufe selbst vor laufenden Kameras des NDR kein Grund zum Eingreifen war, florierender CD-Verkauf und stilisierte Hakenkreuze, die auf T-Shirts zur Schau getragen wurden.

AntifaschistInnen mussten sich im Vorfeld mit diversen inneren und äußeren Widerständen auseinander setzen, die hier ausführlicher dargestellt werden sollen. Aber der Reihe nach, zunächst eine kurze Darstellung des 30. September.

Am Vormittag wurde der Stadt in einer von Neumünsteraner SchülerInnen getragenen Kunstaktion symbolisch zu 10 Jahren "Club 88" gratuliert. Dazu verteilten die AktivistInnen mit einer rosa Torte und untermalt mit musikalischer Darstellung 1500 Flugblättern, in denen auf den "Club 88" und sein zehnjähriges Bestehen hingewiesen, die Tatenlosigkeit der Stadt kritisiert und zu aktivem antifaschistischem Engagement aufgefordert wurde.

Um 14 Uhr begann dann am Bahnhof in Neumünster eine antifaschistische Demonstration, zu der relativ kurzfristig mobilisiert worden war und zu der sich trotzdem rund 300 TeilnehmerInnen einfanden. Die Demonstration war im Gegensatz zu den antifaschistischen Demonstrationen der Vergangenheit nicht durch ein Bündnis, sondern ausschließlich von autonomen AntifaschistInnen organisiert und in Folge dessen überwiegend von Autonomen und Neumünsteraner SchülerInnen besucht. Im Vorfelde hatte die kurzfristige Mobilisierung und der von vielen als sehr sektiererisch empfundene Aufruf zu einem ambivalenten Verhältnis zur Demo geführt, weshalb sich die Reste des Bündnisses gegen Rechts (siehe unten) nicht direkt an der Vorbereitung beteiligten, es wurde jedoch unter Neumünsteraner SchülerInnen aktiv für die Demo geworben und letztlich war die Teilnahme an der Demonstration auch die richtige Entscheidung. Die Demo selbst verlief gut organisiert und war gemessen an den widrigen Umständen gut besucht, mit einer Zwischenkundgebung am Rathaus, bei der die Torte vom Vormittag am Rathaus abgeladen und symbolisch der Stadt übergeben wurde. (Nicht nur weil Samstag war, fand sich da keiner bereit die Torte entgegenzunehmen).

Gegen 16 Uhr endete die Demo wieder am Bahnhof. Sämtliche Aktivitäten verliefen ohne Störungen durch Nazis. Gegen 18 Uhr wurde allerdings ein Antifaschist am Bahnhof von drei Nazis im "Autonomen-Outfit" angegriffen. Er erlitt Verletzungen im Gesicht. Die Nazis fuhren mit einem Taxi, vermutlich Richtung "Club 88", davon. Der Betroffene wollte anschließend Anzeige erstatten.

Die Nazis selbst liefen schleppend am "Club 88" auf, feierten dann aber wie üblich bis spät in die Nacht. Wie erwähnt gab es ein Verbot von Livemusik, welches möglicherweise auf die Hinweise von Antifaschisten an die Stadt zurückzuführen ist, dass ein Konzert stattfinden soll und die massive Präsenz von Presse der Stadt angekündigt (angedroht) worden war. Wie erwähnt blieb die Polizei ansonsten gewohnt zurückhaltend gegenüber den Nazis.

Die Vorgeschichte

Eigentlich war rechtzeitig mit der Vorbereitung antifaschistischer Proteste begonnen worden, dies gestaltete sich aber von Anfang an schwierig. Im Neumünsteraner Bündnis gegen Rechts, in dem neben Antifagruppen, Vereinen und linken Parteien auch stets die Gewerkschaften beteiligt waren, wenn auch letztere meist mit geringer Aktivität und häufig nur logistischer Unterstützung, kündigte ver.di Anfang des Jahres seine Mitarbeit. Die IG Metall, deren Unterstützung sich ohnehin stets auf ein bis zwei Funktionsträger beschränkt hatte, hatte seine Mitarbeit in den letzten Jahren "einschlafen" lassen.

Ver.di war von Anfang nicht bereit, sich auf ein gemeinsames Vorgehen zum "Club 88" Jubiläum einzulassen und versuchte stattdessen die Vorbereitung im Runden Tisch für Toleranz und Demokratie1 der Stadt Neumünster voranzubringen. Dabei stellte ver.di von Anfang an klar, weder den "Club 88" zu erwähnen noch am 30. September überhaupt tätig werden zu wollen, stattdessen die geplanten Aktionstage für Toleranz am 29. September zu beenden. Das letztlich das Kabarett am Samstag stattfand, hatte schon etwas mit der Intervention durch das Bündnis gegen Rechts zu tun.

Von Antifagruppen und dem Bündnis gegen Rechts wurde nun die Idee eines Marktplatzes mit Musikprogramm entwickelt, bei dem sich interessierte Gruppen am 30. September darstellen wollten, um so ein öffentlich und inhaltlich eindeutiges Gegengewicht zum "Club 88" darzustellen. Abends sollte im AJZ ein Konzert stattfinden. Als sich das Bündnis gegen Rechts, nachdem es zunächst nicht eingeladen worden war, sich dann doch am Runden Tisch beteiligen (durfte), schien ein Kompromiss halbwegs machbar. Der Marktplatz, geplant und angemeldet vom Bündnis, sollte im Rahmen der Aktionstage stattfinden. Auf der letzten Sitzung des Runden Tisches wurde dann von einem Vertreter von ver.di das Adjektiv "antifaschistisch" bezogen auf den Marktplatz sowie die Erwähnung des "Club 88" scharf kritisiert, womit er die Mehrheit des Runden Tisches hinter sich wusste. Daraufhin zog der Runde Tisch sämtliche finanzielle Zusagen für den geplanten Aktionstag und für eine Veranstaltung der SOGA e.V. (Erwerbsloseninitiative in NMS) zurück.

Nachdem sich daraufhin die AJZ (Aktion Jugendzentrum) und der Verein Grenzgänger aus dem Aktionstag zurückzogen, wurde dieser ganz und gar vom Bündnis abgesagt. Dabei spielte auch eine große Rolle, dass das Interesse an Teilnahme hinter den Erwartungen zurückgeblieben war. Die AJZ sieht sich spätestens seit Anfang des Jahres immer wieder mit schlechten, hetzerischen Zeitungsartikeln, Drohungen und Verleumdungen seitens der Stadt gegen den gesamten Verein und einzelne Vorstandsmitgliedern ausgesetzt und befindet sich zur Zeit in einer unklaren Vertragssituation mit der Stadt. All dies bewog den Vorstand auch das Konzert abzusagen, um auf diesem Wege möglichen (provozierten) Konfrontationen aus dem Weg zu gehen.

So blieben am 30. September nur die Demonstration und die "Tortenaktion", welche beide gute Resonanz in der bürgerlichen Presse fanden, wohingegen die Aktivitäten des Runden Tisches deutlich als das benannt wurden was sie waren: reine Alibiveranstaltungen.

Im Verlauf der Vorbereitung wurde innerhalb des Bündnisses gegen Rechts das "alte" Bündnis in dieser Form für nicht mehr zukunftsfähig angesehen. Es soll jedoch bald ein neues Bündnis geben, in dem alle interessierten Kräfte, denen an einem Zurückdrängen der Nazis in Neumünster und einem ernsthaften Antifaschismus gelegen ist, ein Forum finden werden. Genug zu tun gibt es auf jeden Fall.

Antifaschistische Aktion Neumünster
antifa_nms@hotmail.com

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