(Gegenwind 212, Mai 2006)
Im Sommer 2007 treffen sich im Kempinski Grand Hotel im Ostseebad Heiligendamm bei Rostock die VertreterInnen der wirtschaftlich und militärisch führenden Staaten des Nordens. Aus guten Gründen ist schon viel gegen die G8 geschrieben worden und auch dieser Aufruf kommt nicht umhin, sich für ihre Abschaffung auszusprechen. Schließlich sind sie in einer Welt der Ausbeutung, Armut und Unterdrückung, der Globalisierung des Krieges, des sozialen Angriffs und der Migrationsbekämpfung zentrale Knotenpunkte im institutionellen Apparat der herrschenden Weltordnung.
In der politischen Geographie des Protestes und des Widerstandes sind Gipfel zugleich symbolische Orte eines kollektiven und vielstimmigen, die neoliberale Illusion vom Ende der Geschichte erschütternden - Ya basta! - "Es reicht!" geworden. Was sich in den Protesten neu entwickelte war die gemeinsame Fähigkeit, sich das Ganze als etwas vorzustellen, das ganz anders sein könnte, und das global.
Die Gipfelproteste in den 1990ern, im neuen Jahrtausend in Prag, Göteborg und Genua bis hin zu den Protesten in Gleneagles und St. Petersburg stehen für vielschichtige jüngere Bewegungserfahrungen im alten Themenfeld des Internationalismus. Wenn wir in unserer Mobilisierung an eine Analyse vorangegangener Kämpfe anknüpfen wollen, so lohnt es sich, in unserem sympathischen aktionsorientierten Milieu auch mal Denkpausen als bewusste Zwischenetappe einzulegen. Gefragt sind theoretische Überlegungen, die versuchen, die neoliberale Umstrukturierung der Welt zu erfassen, genauso wie der neugierige Austausch über Widerstandspraxen, die sich lokal und global entwickeln.
Schon bei den Protesten in Gleneagles, beim BUKO in Hamburg, bei mehreren Treffen der linksradikalen Netzwerke Dissent! und Interventionistische Linke und zuletzt bei der breit besuchten Aktionskonferenz in Rostock ist deutlich geworden, dass BasisaktivistInnen aus so unterschiedlichen Milieus wie der gewerkschaftlichen Linken, antirassistischen Initiativen, der Graswurzel-Bewegung, Flüchtlingsselbstorganisierungen, Leute bei attac und aus der autonomen Linken schon aus den Startlöchern für eine Mobilisierung für das Jahr 2007 heraus sind. Und AktivistInnen aus unterschiedlichen Zusammenhängen aus ganz Europa fragen jetzt schon nach, wie es um die Gipfelmobilisierung in Deutschland steht, um eine inhaltliche und praktische Kontinuität der Proteste zu gewährleisten.
In allen diesen Spektren möchten wir für die Idee eines Camps schon in diesem Jahr werben. Wir wollen kein ausschließendes Spektrumlabel für das Camp, denn der Kampf um globale Rechte ist nur als Kampf und Auseinandersetzung um unterschiedliche Gesellschafts- und Emanzipationsvorstellungen denkbar. Stattdessen halten wir es für entscheidend, politische Formen zu finden, in denen Positionen formuliert und Konflikte offen und öffentlich ausgetragen werden können.
Das Camp 2006 soll ein solcher Ort der Begegnung, des Austausches und selbstverständlich auch des Streites unterschiedlicher Spektren der heterogenen Bewegungslinken werden. Wir wollen den verschiedenen europäischen und internationalen Konzepten von Bewegung, Protest und Widerstand nachspüren, um "Unterschiede zu erkennen und Ähnlichkeiten anzuerkennen". Natürlich mit dem Ziel, die Energie und die Erfahrungen aus dem Gipfel 2006 in St. Petersburg aufzugreifen und bis zum Sommer 2007 einen breiten, entschlossenen und wirkungsvollen internationalen Widerstand zu organisieren.
Neben gutem Leben an der schönen Ostsee (in anstrengender Selbstorganisation) mit ausreichend Raum für Diskussionen und Veranstaltungen, Workshops und AGs wird Camp Inski, das Anti-G8-Camp an der Ostsee, selbstverständlich mit Protesten und - wo es angebracht ist - auch mit sozialem Ungehorsam in Aktion treten und in der Region Präsenz zeigen:
Migration, Antifaschismus und der Widerstand gegen Militarismus und Krieg sind nur einige Themen, die beim Camp Inski 2006 eine Rolle spielen werden. Doch wir wollen mehr, denn die neoliberale Umstrukturierung der Welt ist vielfältig - unser Widerstand und unsere Widerstandsformen auch. Daher rufen wir international auf, sich aktiv mit Workshops, Aktionen und Diskussionen am Camp Inski zu beteiligen.
Karl Kemper
Kontakt:
www.camp06.org
Mailingliste: camp2006@lists.so36.net
Campgruppe: info@camp06.org oder camp06@r iseup.net
Kontakt für das Kulturprogramm: kultur@camp06.org
Post: Camp Inski, Mariannenplatz 2, 10997 Berlin