(Gegenwind 207, Dezember 2005)
Ein Aufschrei ging durchs Land, als Ende Oktober die Eckwerte von Wirtschaftsminister Austermann für ein neues Hochschulgesetz bekannt wurden. Kein Wunder, plant das Ministerium doch nicht weniger als die Fusion der drei Universitäten im Lande zu einer Landesuniversität. Vor allem in Lübeck und Flensburg, den beiden kleineren Uni-Standorten, stieß der Vorstoß Austermanns auf massive Kritik, und auch an der Universität Kiel war man "not amused" darüber.
Schließlich hatte es vor gerade einmal drei Jahren eine umfangreiche Diskussion über die zukünftige Gestalt der schleswig-holsteinischen Hochschullandschaft auf der Grundlage des Erichsen-Gutachtens gegeben, die Austermann offenbar ziemlich verschlafen hat. Damals waren die Hochschulen des Landes von einer unabhängigen Expertenkommission geprüft und Vorschläge zu zielgerichteten Strukturverbesserungen gemacht worden. Diese wurden, soweit finanziell machbar und sinnvoll, auch umgesetzt.
Dass Austermann nun, ohne konkrete Potenziale für Effizienzgewinne oder Verlagerungen zu benennen, einfach mal ins Blaue hinein eine Uni-Fusion angehen will, zeugt nicht gerade von glaubwürdiger Politik. Die Erichsen-Kommission hatte schließlich Gründe, warum sie eine der-artige Fusion nicht vorgeschlagen hat: die teilweise massiven Kosten in der Umstrukturierungsphase bei allenfalls geringen langfristigen Einspareffekten. Dass außerdem die Fachhochschulen des Landes in den Überlegungen kaum vorkommen, zeigt, dass es keineswegs um strukturelle Erwägungen und kritische Massen geht, sondern im Wesentlichen ein alter CDU-Ladenhüter wieder etwas aufpoliert werden soll.
Die weiteren Forderungen des Eckwertepapiers aus dem Hause Austermann, die seiner Meinung nach als Grundlage für "eines der modernsten Hochschulgesetze Deutschlands" dienen sollen, sind bei der aktuellen öffentlichen Diskussion jedoch fast völlig unter den Tisch gefallen - dem Ministerium dürfte das nicht ungelegen sein. Schließlich handelt es sich um hoch-kontroverse Punkte: Unter anderem soll die Einführung von Studiengebühren vorbereitet werden, obwohl der Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD ausdrücklich vorsieht, dass erst die Entwicklung in den anderen norddeutschen Bundesländern abzuwarten ist. Und hinter der neuen Präsidialverfassung, die die Hochschulen bekommen sollen, verbirgt sich eine massive Entdemokratisierung der Gruppenuniversität.
Der von ihm geplante externe Hochschulrat mit weitreichenden Kompetenzen soll sich aus Vertretern von Wirtschaft und Gesellschaft zusammensetzen - demokratische Legitimation: Fehlanzeige. So wird durch die Hintertür eine Hochschulverfassung durchgesetzt, die sich an den Hierarchien von Unternehmen orientiert anstatt an den besonderen Bedingungen von Wissenschaft und Studium. Mitreden dürfen in den Hochschulen nicht mehr die Betroffenen, sondern externe Berater. Nun liegt die Einschränkung von Mitbestimmungsrechten, vor allem von Mitarbeitern und Studierenden, derzeit tatsächlich im gesellschaftlichen Trend, doch damit wird sie noch lange nicht "modern", wie Austermann zu betonen nicht müde wird.
Die Einführung von Studiengebühren macht den Zugang zu den Hochschulen von der finanziellen Leistungsfähigkeit statt von den individuellen Befähigungen abhängig - damit werden junge Menschen aus sozial schwachen Familien, die schon im deutschen Schulsystem systematisch benachteiligt sind, auch aus den Hochschulen noch weiter ausgegrenzt. Dass die Einnahmen am Ende tatsächlich netto den Hochschulen zugute kommen sollen, wie das Ministerium behauptet, ist durch Beispiele aus anderen Ländern leicht widerlegbar - und nützen würde es dann ohnehin nur noch einer kleinen Elite. Wenn Austermanns Vision von Hochschule so aussieht, dann ist das kein Konzept für die Zukunft, sondern eine Zeitreise in die Vergangenheit.
Florian Peters (AStA Uni Kiel)