(Gegenwind 203, August 2005)

Baustopp für Flughafen Lübeck

Kein Ausbau, kein Verkauf?

Flughafen Lübeck

Riesenüberraschung: Baustopp für den Flughafen Lübeck. Grund: Das Planfeststellungsverfahren für den Ausbau des Lübecker Flughafens beruht auf fehlerhaften Voraussetzungen. So urteilte das Oberverwaltungsgericht Schleswig. Bürgermeister, Wirtschaftsminister, Flughafen-Geschäftsführer - alle waren total überrascht, ja geschockt. Das wäre nicht nötig gewesen. Alles, was das Gericht jetzt feststellte, war vorher bekannt.

Bereits im Gegenwind 152 (Mai 2001) berichtete Hans-Jürgen Schubert über die Taktik der Flughafenbetreiber, ihre diversen Erweiterungen unter Umgehung des geltenden Umweltrechts mit dem Hilfsargument der "Sicherheit" durchzubringen. Wenn Bäume aus Naturschutzgründen nicht gefällt werden durften, wurden sie flugs wegen "Sichtbehinderung" abgeholzt.

Im Gegenwind 168 (September 2002) beschrieb Wilhelm Schoßmeier unter dem Titel "Hat die Salamitaktik nun ein Ende?", wie die Flughafenbetreiber immer neue kleine Baumaßnahmen am Rande der Legalität vorantrieben, weil für eine große die Genehmigung nicht zu bekommen waren. So wurden Büsche und Bäume beseitigt, die dort wohnenden Tiere in Fallen gefangen, um hinterher die Existenz eines Biotops in einem neuen Bauantrag abzustreiten - zu Recht, es existierte ja nicht mehr.

Mit dem Planfeststellungsverfahren für die jetzt anstehende Erweiterung versucht der Flughafen, der der Stadt Lübeck gehört, erstmals im Rahmen von Recht und Gesetz den Ausbau genehmigt zu bekommen.

Oberverwaltungsgericht hält sich an das Gesetz

Der Schock liegt darin, dass der Flughafen jahrelang ohne rechtmäßige Baugenehmigungen größer und größer wurde. Und weil das immer klappte, wurden auch immer mehr Subventionen reingesteckt, die hauptsächlich dem Billigflieger "Ryanair" zugute kamen. Die Passagierzahlen vervielfachten sich, wegen der Gebührenbefreiung allerdings auch das Defizit.

Der Plan der Stadt war nun, den Flughafen jetzt einmal legal auszubauen, um ihn danach schnell zu verkaufen. Dafür gibt es auch einen Käufer, eine Investmentgesellschaft aus Neuseeland. Der Kaufvertrag wurde unter dem Vorbehalt abgeschlossen, dass der Ausbau planmäßig durchgeführt wird. Gleichzeitig will Ryanair die Zahl der Flüge erheblich ausweiten, zum Schrecken der AnwohnerInnen.

Das hat das Oberverwaltungsgericht jetzt erst mal gestoppt. Der Grund dafür: "Das OVG kritisiert, dass schon der bestehende Flughafen mit Abfertigungsanlagen, Hangars und Rollwegen ohne Genehmigung entstanden und damit ohne Rechtsgrundlage sei. Außerdem verstoße der Planfeststellungsbeschluss vom 20. Januar gegen europäische Vogelschutzrichtlinien", schrieben die Lübecker Nachrichten am 19. Juli. Kläger ist der BUND, und der vorläufige Beschluss nimmt nach der Einschätzung des 4. Senats des OVG den Hauptsachebeschluss voraus.

Wenn der ganze Flughafen im bisherigen Ausbauzustand ohne Rechtsgrundlage ist und der Planfeststellungsbeschluss gegen die europäischen Vogelschutzrichtiglinien verstößt, dann muss das OVG den Bau verbieten. Politiker, die davon überrascht werden, haben den falschen Beruf gewählt.

Wer ist schuld?

Eine Stadt ist geschockt: Schlagzeile der Lübecker Nachrichten vom 19. Juli 2005

Das Wirtschaftministerium unter Dietrich Austermann (CDU) beschuldigte erst mal das Gericht, von der Rechtsprechung anderer Kammern und anderer Gerichte abzuweichen. Einen Bestandsschutz für die existierenden Flughafenanlagen hätte er gerne gehabt, und außerdem bezeichnete er die Verurteilung des Verstoßes gegen Vogelschutzrichtlinien als "Auffassung" des Gerichtes. In einem Interview am 21. Juli in den Lübecker Nachrichten wurde er deutlicher, Die Grünen sind schuld, insbesondere Umweltminister Müller. Er habe die Lübecker "getäuscht" und "überzogene Forderungen für den Vogelschutz durchgesetzt".

Die CDU-Fraktion hielt sich in der offiziellen Pressemitteilung zurück, sah nur den Standort Lübeck in Gefahr und wünschte sich Planungssicherheit für diese Investition.

Bürgermeister Saxe (SPD) schob auch den Grünen die Schuld zu: Der OVG-Beschluss sei eine "Spätfolge des unseligen Wirkens der Grünen, als sie noch in der Landesregierung waren und alles daran gesetzt haben, den Ausbau zu verhindern". Die gleiche Richtung schlug Heiner Garg (FDP) ein: "Die Bürger dürfen sich bei den Grünen bedanken. (...) trotz aller Lippenbekenntnisse verhindert die Ausweisung der Schutzgebiete um den Flughafen dessen Ausbau."

Die Grünen widersprachen und verwiesen - auf die Begründung des Gerichtes. Denn dieses sagt genau das Gegenteil.

Vogelschutz und Flughafenausbau

Bereits im Vorfeld der Planungen hatte es große Debatten geben. Das Umweltministerium setzte landesweit die europäischen Vogelschutzrichtlinien um - dazu mussten und müssen noch Gebiete, die Vögel zum Leben brauchen, kartiert und nach Brüssel gemeldet werden. Dabei geht es nicht darum, welche Gebiete die Regierung melden will, sondern welche Gebiete von Vögeln zum Nisten, zum Rasten, zum Fressen etc. benötigt und genutzt werden. Das schließt eine wirtschaftliche Nutzung nicht aus, für diese muss aber eine besondere Erlaubnis erteilt werden. Wichtig ist: Die Gebiete sind auch dann geschützt, wenn eine Regierung (in Deutschland die Landesregierung) diese nicht meldet. Dann können andere Verbände nachweisen, dass ein Gebiet die Bedingungen erfüllt, und dann muss es gemeldet werden.

SPD und Grüne hatten in der Landesregierung unterschiedliche Auffassungen. Die Grünen mit Umweltminister Klaus Müller schlugen vor, die ökologisch wertvollen Gebiete rund um den Flughafen, die ja bekannt waren, allesamt ordentlich zu melden und dann für den Ausbau des Flughafens eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen.

Die SPD mit Wirtschaftsminister Bernd Rohwer setzten sich durch: Sie meldeten alle Gebiete rund um den Flughafen außer denen, die für die geplante Erweiterung gebraucht wurden. Hier wurde gegen EU-Recht verstoßen, dass eben vorschreibt, die Gebiete nach wissenschaftlichen Kriterien zu untersuchen. In der Begründung des OVG hört sich das so an: Das Gebiet rund um den Flughafen sei von "überragender Bedeutuung als Revier- und Brutstandort dort zahlreich vorhandener geschützter Vogelarten". "Geradezu rasiermesserscharf" sei aber die Grenze "mitten durch völlig einheitliches Buschwerk, vorhandenen Baumbestand sowie Gras- und Heidefläche gezogen worden, und zwar ausschließlich nach den verkehrlichen Bedürfnissen und Erfordernissen, ohne Berücksichtigung ornithologischer und sonstiger naturschutzrechtlicher Sachkriterien". Und das sei eben rechtswidrig.

Und nun?

Die Investoren halten noch bis September still. Was die Planungsbehörde bis dahin reparieren kann, steht noch in den Sternen.

Es bleibt die absurde Erkenntnis: Die Augen-zu-und-durch-Strategie von SPD und CDU, unter Beifall der FDP hat sich jetzt die Abfuhr "illegal" vom obersten Gericht des Landes abholen müssen. Die Strategie der Grünen, erst Schutzgebiet ausweisen, dann eine Ausnahmegenehmigung erteilen, hätte vermutlich dazu geführt, dass der BUND vor Gericht verloren hätte und der größere Flughafen jetzt im Bau wäre.

Insofern ist die verbale Prügel, die die Grünen jetzt beziehen, völlig ungerechtfertigt. Aber im Wahlkampf hilfreich.

Reinhard Pohl

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