(Gegenwind 202, Juli 2005)

Landesminister Austermann will Bezahlstudium

Studieren mit Gebühren - Chancen nur noch für Reiche?

Bildungsdemo mit 20.000 Teilnehmern am 16. Juni in Hamburg

Gebühren zahlen fürs Studieren - der neue Wirtschaftsminister Dietrich Austermann (CDU) hat in seinem Nebenjob (sein Ressort ist nun auch für Wissenschaft zuständig) klar gesagt, wohin die Reise gehen soll: Austermann hofft darauf, dass Hamburg Studiengebühren einführt und dann auch sein noch etwas widerwilliger Koalitionspartner SPD in Schleswig-Holstein mitziehen muss.

Schlimm genug, dass die bundesweit einmalige Eingliederung des Hochschulbereichs in das Wirtschaftsministerium deutlich macht, an welchen Zielen sich die schleswig-holsteinische Wissenschaftspolitik unter CDU-Ägide orientieren wird. Studiengebühren würden für viele Studierende aber mehr bedeuten als nur einen tiefgreifenden symbolischen Einschnitt in die bisher zumindest prinzipiell an zunehmender sozialer Öffnung orientierte Hochschulpolitik der Nachkriegszeit.

Die Einführung von allgemeinen Studiengebühren wird nicht wenige ziemlich bald zum Abbruch ihres Studiums zwingen. Schließlich sind die derzeit verhandelten Gebühren in Höhe von 500 Euro nach allgemeiner Überzeugung von Experten und Politikern nur die Einstiegssumme, die sich in einigen Jahren leicht vervierfachen könnte. Die vielbeschworenen Stipendien- und Kreditsysteme, die auch sozial Schwächeren den Weg an die Hochschule ermöglichen sollen, existieren nicht und sind nirgends in Planung. Von der CDU geforderte Kreditmodelle, die auf der Abschaffung des Bafög basieren, verschlimmern die finanzielle Situation der Studierenden, anstatt sie zu verbessern. "Sozialverträgliche" Studiengebühren sind eine Lachnummer.

Deshalb hat sich das Kieler Studierendenparlament einstimmig gegen Studiengebühren positioniert. In Kiel und bundesweit laufen derzeit studentische Proteste - vor allem dort, wo die Einführung von Gebühren schon vor der Tür steht. So kam es in Freiburg, Stuttgart und Hamburg zu ersten Besetzungen von Rektoraten und Uni-Gebäuden, die in Hamburg durch eine martialische Machtdemonstration der Staatsgewalt (vier Wasserwerfer, Schlagstockeinsatz, Polizeikessel, Festnahmen) aufgelöst wurden. Kieler Studierende beteiligten sich zuletzt mit drei vollen Bussen an der überregionalen Norddemo gegen Bildungs- und Sozialabbau in Hannover, um ein Zeichen der länderübergreifenden Solidarität und Vernetzung unter den Studierenden zu setzen.

Trotz alledem begegnet man jedoch immer wieder einzelnen Studierenden, die Gebühren fürs Studieren eigentlich gar nicht so schlecht fänden, wenn denn das Geld bei der Uni bleiben würde. Dass diese Prämisse angesichts der dramatischen Haushaltslage der Länder reichlich unrealistisch ist, ist ihnen wohl entgangen. Schleswig-Holstein wird in den nächsten Jahren keine verfassungsmäßigen Haushalte mehr hinbekommen, da beeindrucken denkbare Zielvereinbarungen, Nebenabsprachen o.ä. zugunsten der Hochschulen den Finanzminister wenig.

In welchem Zusammenhang die Einführung von Studiengebühren stattdessen zu sehen ist, hat bisher am ehrlichsten der mittlerweile zurückgetretene Bremer CDU-Wirtschaftssenator Peter Gloystein (besser bekannt als "Sekt-Senator") ausgesprochen: Er forderte, die Gewerbesteuer zu senken und gleichzeitig Studiengebühren einzuführen. Klar ist also, dass Studiengebühren in erster Linie dazu dienen werden, die durch Steuersenkungen für Unternehmen und Besserverdienende geschaffenen Löcher in den öffentlichen Haushalten zu stopfen.

Tatsächlich werden Studiengebühren der Orientierung der Unis und ihrer Studierenden auf die ökonomische Verwertbarkeit von Hochschulbildung, wie sie durch die Einführung von Modulsystemen und Bachelor/Master vorgezeichnet ist, zum Durchbruch verhelfen. Vor allem aber werden sie die soziale Selektivität unseres Bildungssystems weiter verschärfen und jungen Menschen aus finanziell weniger gutsituierten Elternhäusern die Aufnahme eines Studiums weiter erschweren. Der Zugang zum Hochschulstudium ist in einer Wissensgesellschaft jedoch zunehmend Grundlage für soziale Chancengleichheit - und genau diese ist offensichtlich nicht mehr politisch gewollt.

Florian Peters
AStA-Vorstand (Christian-Albrechts-Universität Kiel)

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