(Gegenwind 200, Mai 2005)
Gegenwind:
Wie war eure Situation vor zwei Jahren?
Patricia:
Eigentlich genau wie heute. Der Asylantrag war abgelehnt, und sie wollten uns abschieben. Wir haben uns an unseren Pastor gewandt und an das Netzwerk Asyl. Damals war meine Mutter schwanger. Ich glaube, deshalb konnten wir nicht sofort abgeschoben werden. Sie wollten noch warten, bis meine Mutter das Kind bekommt. Wir haben Unterschriften gesammelt, das haben die anderen in der Schule organisiert. Das waren erst die Unterschriften von den anderen in meiner Klasse und in der Klasse von Renate, meiner Schwester. Und dann haben viele in der Kirche unterschrieben. Mit dem Netzwerk Asyl haben wir dann ein Zelt vor dem Rathaus aufgestellt. Da haben immer einige übernachtet, und tagsüber haben wir da Unterschriften gesammelt. Abends haben wir Musik gemacht oder wir haben Informationen über Kongo gegeben. Im Zelt haben wir auch Fotos aus dem Kongo gezeigt und Informationen aufgehängt. Dann haben wir eine Demonstration von Büdelsdorf nach Rendsburg gemacht, von unserem Rathaus bis zur Ausländerbehörde. Da waren auch Kameras vom Fernsehen dabei. Vorher hatte die Diakonie und von "pädal" geholfen, dass die Zeitung davon hörte, die haben Artikel über uns geschrieben mit Fotos von uns. Das war in der Landeszeitung, die sind auch zur Demonstration gekommen. Und die Kieler Nachrichten waren auch gekommen.
Gegenwind:
Wie hat sich die Ausländerbehörde dazu verhalten?
Patricia:
Die haben sich beruhigt. Die haben uns dann doch eine neue Duldung geben und waren einverstanden, dass das Baby erst mal geimpft wird. Im Kongo ist seit vielen Jahren Krieg, es gibt da viele Krankheiten, und Kinder aus Deutschland können da schnell sterben. Diese Impfungen dauern aber lange. Jetzt, nach zwei Jahren, sind sie fast fertig, die letzte soll im Oktober sein.
Gegenwind:
Aber solche Impfungen sind ja keine Perspektive, um hier bleiben zu können.
Patricia:
Ich kannte aber das neue Gesetz. Seit dem 1. Januar gilt das neue Gesetz, dass es eine Möglichkeit für Menschen gibt, die lange hier leben. Die können eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Ich habe dann unsere Anwältin angerufen, ob wir diesen Antrag nicht stellen können. Sie sagte, das geht. Wir haben dann den Antrag bei der Härtefallkommission gestellt.
Gegenwind:
Was hast du gemacht, um den Antrag zu stellen?
Patricia:
Unsere Anwältin hat ihn vorbereitet. Ich musste die Unterlagen von den Deutschkursen kopieren, die meine Eltern gemacht hatten. Dann musste ich die Arbeitsgenehmigungen von meinem Vater kopieren, und die Zeugnisse von Renate und mir. Wir haben dann noch aufgeschrieben, was wir in der Freizeit machen. Meine Mutter hilft anderen Frauen in einem Kreis in der Kirche, und ich fahre immer zu den Dolmetscher-Treffen vom Gegenwind und lerne so noch andere Sachen als in der Schule.
Gegenwind:
Wie ist der Härtefall-Antrag entschieden worden?
Patricia:
Der ist abgelehnt worden. Da gab es erst keine Begründung, aber ich bin dann vorgestern zur Ausländerbehörde gegangen und habe gefragt, warum der Antrag abgelehnt worden ist. Und die sagten, das hat nicht gereicht bei meinen Eltern. Mein Vater hat zuwenig gearbeitet, wir bekommen zuviel Sozialhilfe. Und meine Mutter arbeitet auch nicht. Meine Mutter hat ein Kind, das noch nicht mal zwei Jahre alt ist, und sie ist im sechsten Monat schwanger. Sie soll aber arbeiten, damit wir weniger Sozialhilfe bekommen.
Gegenwind:
Verstehst du die Begründung?
Patricia:
Ich finde das scheiße. Mein Vater hat nicht die Möglichkeit bekommen zu arbeiten. Mein Vater hat Arbeit gesucht, aber wenn er was gefunden hat und zur Behörde ging, hat er keine Arbeitserlaubnis bekommen. Er ist sogar nach Sylt gefahren und hat da Arbeit gefunden. Er sollte am nächsten Tag anfangen. Aber die Genehmigung hat sechs Wochen gedauert, und dann wurde das abgelehnt. Er hat einfach keine Arbeitserlaubnis bekommen. Und Deutschkurse gab es auch nicht, sie haben mit ihren Freunden zusammen Deutsch geübt. Später konnten sie bei "pädal" einen Deutschkurs besuchen.
Gegenwind:
Wie geht es jetzt weiter?
Patricia:
Das weiß ich nicht. Die Ausländerbehörde hat mir vorgestern gesagt, dass sie der Botschaft vom Kongo einen Brief geschrieben haben, ob die letzte Impfung von meinem kleinen Bruder im Oktober auch im Kongo gemacht werden kann. Dann wollen sie uns am 30. Juni abschieben. Die Ausländerbehörde sagt, dass meine Mutter flugfähig ist, sie ist ja erst im sechsten Monat. Meine Mutter soll jetzt zu noch einer Untersuchung, aber diesmal zur Behörde.
Gegenwind:
Kannst du dir vorstellen, im Kongo zu leben?
Patricia:
Nein. Wenn wir da ein Haus hätten, oder Arbeit, oder eine Familie, dann könnte ich da leben. Aber dazu muss ich hier erst eine Ausbildung machen. Aber wir haben kein Zuhause dort, wir haben keine Familie dort. Wenn wir dorthin gehen, ist meine Zukunft kaputt. Ich kann auch die Sprache nicht, dort sprechen sie in der Schule französisch. Dort gibt es auch keine Ausbildung. Meine Geschwister waren ja noch nie da. Ich erinnere mich nur an schlimme Zeiten, dort haben sie meinen Vater umgebracht. Meine Mutter ist hierher gekommen, ich lebte mit meiner Schwester bei einem Bekannten von meiner Mutter in Angola. Meinen jetzigen Vater hat meine Mutter hier in Schleswig-Holstein kennen gelernt, Renate und ich sind erst später hierher gekommen. Ich erinnere mich eigentlich nur an Angola, aber die Abschiebung soll jetzt in den Kongo gehen.
Gegenwind:
Wie weit bist du mit der Schule? Was willst du werden, wenn du hier bleiben kannst?
Patricia:
Ich brauche nur noch ein Jahr zum Realschulabschluss. Ich hatte dann eigentlich vor, mich zu bewerben in Kiel und Münster. Ich will OP-Assistentin werden.
Gegenwind:
Hast du von anderen Abschiebungen gehört?
Patricia:
Ja, in Hannover wurde eine Frau abgeschoben, die war schwanger. Die hat das Kind im Kongo bekommen, aber beide sind dabei gestorben.
Weiter mit: Interview mit Merdiye Erman...