(Gegenwind 198, März 2005)

Flughafenausbau Kiel

Große Ratskoalition für Phase II

Es war eine Premiere in der Kieler Ratsversammlung: Am 17. Februar brachte die Oberbürgermeisterin (CDU) den Antrag ein, das Planfeststellungsverfahren zum Flughafenausbau nach Phase I abzubrechen. Die Grünen stimmten dafür. Dagegen brachte die SPD den Antrag ein, sofort in die Phase II einzusteigen, konnte das aber nicht durchsetzen. Die CDU brachte gegen die Oberbürgermeisterin den Antrag ein, die Phase II einzuleiten, wenn das Land nach den Landtagswahlen den Ausbau noch will. Die Planungsphase II kostet über 600.000 Euro, davon muss die Stadt die Hälfte bezahlen. Die Industrie- und Handelskammer hat eine Spende von 100.000 Euro angekündigt. Vorausgegangen war dem eine Einwohnerversammlung. (Red.)

"Flughafen: Große Mehrheit gegen Ausbau!" - Das war die Schlagzeile der KN vom 25.01.2005 und das war das Ergebnis der bisher größten Einwohnerversammlung Kiels. Über 1200 Bürger, davon mehrheitlich 680 Kieler mit Stimmrecht, waren der Einladung der Ratsversammlung gefolgt und beteiligten sich mit durchweg sachlichen, aber immer engagiert vorgetragenen Wortbeiträgen an einer mehr als zweistündigen Diskussion.

Dem rundherum positiven Bild der Veranstaltung konnte auch das Verhalten einer kleinen Gruppe von Ausbaubefürwortern nichts anhaben, die auf ausbaukritische Äußerungen reflexhaft durch das Hochhalten von Schildern mit der Aufschrift "Lüge" reagierte, sonst aber nichts zur Diskussion beizutragen hatte.

Die Versammlung war ansonsten in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Nach den Einführungsvorträgen der Gutachterfirma Obermeyer, der Bürgervereinigung und der IHK, die durch Beifalls- und Unmutsäußerungen des Publikums auf ein lebhaftes Echo stießen, kehrte Totenstille bei den Ausbaubefürwortern ein, als die Kieler Oberbürgermeisterin Angelika Volquartz in ihrer Stellungnahme die finanziellen Risiken, die die Bürgervereinigung aufgelistet hatte, weitgehend bestätigte. Deutlich wurde die Oberbürgermeisterin auch, als sie in ihrer Schilderung zur Lage der Landeshauptstadt Kiel einen Schuldenberg von 336 Mio. Euro und ein Haushaltsdefizit im Jahre 2004 von 86 Mio. Euro und ein voraussichtliches Haushaltsdefizit im Jahre 2005 von über 61 Mio. Euro feststellte. Sie schlussfolgerte schließlich, dass angesichts solcher Rahmenbedingungen auch für notwendig oder wünschenswert gehaltene Projekte nicht zu finanzieren seien. Diese Feststellung dürfte jeder im Saal, ob Gegner oder Befürworter der Startbahnverlängerung, verstanden haben.

Nach einer intensiven Diskussion, in der die Argumente gegen einen Ausbau nicht nur gemessen an der Anzahl der Wortbeiträge, sondern vor allem qualitativ eindeutig überwogen, lehnte die überwältigende Mehrheit den Ausbau ab und forderte die Ratsversammlung auf, nicht in die 640.000 Euro teure Phase II einzutreten und die weitere Ausbauplanung einzustellen.

In seinem Kommentar zur Einwohnerversammlung sprach KN-Redakteur Bockemühl davon, es gebe sehr viele gute Argumente dagegen, dass weitere teure Gutachten die Feststellungen und Erkenntnisse der Oberbürgermeisterin (und der BV) gegen die Finanzierbarkeit des Ausbaus entkräften könnten. Zum Schluss verwies er auf die Lebensweisheit "Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende".

Diese Erkenntnis ist leider kein Allgemeingut: Schon am Tag nach der Versammlung haben wir erleben müssen, dass der Wirtschaftsminister und die IHK, flankiert durch die Berichterstattung insbesondere des NDR, weiter versuchen, Stimmung gegen die Argumente zum Ausstieg zu machen. Dies setzt sich bis in die jüngste Zeit fort - der Wahlkampf lässt grüßen.

Trotz der durch die Oberbürgermeisterin Angelika Volquartz und Lutz Oschmann (Bündnis 90/die Grünen) vorgetragenen Argumente gegen die Starbahnverlängerung, haben sich die Fraktionen der CDU und der SPD in der Ratsversammlung am 17.02.2005 für einen Einstieg in die Phase II der Voruntersuchungen entschieden. Beide Fraktionen erwarten dadurch neue Erkenntnisse hinsichtlich einer genaueren Kostenanalyse, wohl wissend, dass weiter Untersuchungen zu weiteren Kostensteigerungen führen werden und der Deckelbeschluss der Ratsversammlung dann erheblich höher überschritten sein wird, als es heute schon der Fall ist. (Mehr zum Thema "Deckelung der Kosten" in Gegenwind 198, März 2005, d. Red.).

Dieses Verhalten ist schon bemerkenswert, da diese Entscheidung zwangsläufig zu weiteren Einsparungen zu Lasten dringend benötigter sozialer Einrichtungen führen wird. Ebenso erstaunlich ist die Argumentationslinie der Protagonisten auf der Befürworterseite, dass bei einem Nichtausbau der Flughafen Kiel-Holtenau geschlossen werden müsste und dadurch die vorhandenen Arbeitsplätze verloren gehen würden. Diese Behauptung ist unseriös und politisch unverantwortlich. Denn damit wird der bestehende Flughafen bewusst schlecht geredet, um wider besseren Wissens die beabsichtigte Prestigeentscheidung weiterhin vertreten zu können.

Wir können gespannt sein, wie sich die Politik nach der Landtagswahl verhalten wird. Nicht das eigene, sondern das Allgemeinwohl und die Verantwortung im Umgang mit Steuergeldern muss Regie führen.

Eine Fehlentscheidung zu revidieren, ist nicht zwangsläufig mit einem Gesichtsverlust verbunden. Derartiges Verhalten verdient dann Respekt, zeigt Verantwortungsbewusstsein und beugt einer weiteren Zunahme der Politikverdrossenheit vor.

Frank Schmidt
Vorsitzender der Bürgervereinigung gegen die
Startbahnverlängerung Kiel-Holtenau e.V.

www.startbahn-kiel.de
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