(Gegenwind 197, Februar 2005)
Zum 1. Januar wurde Wulf Jöhnk zum neuen Beauftragten für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen des Landes Schleswig-Holstein gewählt. Der Vorschlag der Regierungsfraktionen stieß auf eine breite Zustimmung im Landtag, Wulf Jöhnk wurde von den Abgeordneten der SPD, Grünen, SSW und FDP gewählt, lediglich die CDU stimmte gegen ihn. Wenige Tage nach Amtsantritt gab er uns sein erstes Interview.
Gegenwind:
Sie sind zum 1. Januar zum neuen Beauftragten für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen des Landes Schleswig-Holstein gewählt worden. Können Sie sich unseren Leserinnen und Lesern vorstellen? Welche Rolle haben Fragen der Migration in Ihrem Berufsleben und Ihrem Politikerleben gespielt?
Wulf Jöhnk:
Ich bin 67 Jahre alt, letzte berufliche Tätigkeit: Staatssekretär im Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie in Kiel, seit zwei Jahren im sogenannten Ruhestand. Aufgewachsen bin ich in Rendsburg, habe dort die Schule besucht und mit dem Abitur abgeschlossen. Ich habe Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten in Marburg und Kiel studiert. Nach dem Ablegen der 1. und 2. Juristischen Staatsprüfung bin ich Richter am Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht in Schleswig geworden. Die weiteren beruflichen Stationen: Tätigkeit in der Kommunalverwaltung, am Oberverwaltungsgericht in Lüneburg, Vorsitzender Richter am SchIeswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht, 1989 Wechsel in die Ministerialverwaltung (Abteilungsleiter im Innenministerium), 1991 Präsident des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts und zuletzt ab 1996 Staatssekretär. Neben meiner beruflichen Tätigkeit bin ich ehrenamtlich tätig gewesen, so beispielsweise nach meiner aktiven Zeit als Fußballer in einem Sportverein, hauptsächlich aber in der Kommunalpolitik. Ich bin Anfang der siebziger Jahre der SPD beigetreten und war 15 Jahre lang Abgeordneter im Kreistag Rendsburg-Eckernförde, davon 7 Jahre lang als Fraktionsvorsitzender.
Durch meine Berufstätigkeit und meine kommunalpolitische Arbeit habe ich mich früh mit Migrationsfragen, speziell mit den Problemen der Asylbewerber, beschäftigt. Da ich als Verwaltungsrichter für die Bearbeitung gerichtlicher Asylverfahren nicht zuständig war, hatte ich keine rechtlichen Bedenken, Asylbewerbern zu helfen und insbesondere sie rechtlich zu beraten. Die Hilfe für die Asylbewerber, bescheidene Bemühungen für eine Integration dieser Menschen und der Widerstand gegen Diskriminierung waren Bestandteil unserer kommunalpolitischen Arbeit. An der Asylrechtsdiskussion habe ich mich beteiligt und gemeinsam mit anderen Juristen den sogenannten Asylkompromiss Anfang der neunziger Jahre heftig kritisiert.
Die ab 1996 übernommene Tätigkeit als Staatssekretär ließ mir nur noch wenig Raum, mich mit Migrationsfragen zu beschäftigen. Allerdings hat mich ein Thema sehr intensiv beschäftigt: die Problematik der sogenannten Abschiebehaft. Die bis dahin ausgeübte Praxis, sogenannte Abschiebehäftlinge zusammen mit Straftätern in Strafvollzugsanstalten unterzubringen, habe ich für nicht vertretbar gehalten. Wir haben dies geändert: In Rendsburg ist eine Anstalt nur für Abschiebehaft eingerichtet worden, die betroffenen Menschen sind dort deutlich besser untergebracht, sie werden dort beraten und betreut.
Gegenwind:
Ihr Vorgänger lehnte Abschiebehaft grundsätzlich ab, beteiligte sich aber am Beirat, überwachte also die Einhaltung der Bestimmungen für den Vollzug. Haben Sie eine andere Position?
Wulf Jöhnk:
Meine Position dazu hat sich nicht geändert. Die Durchführung der sogenannten Abschiebehaft in Schleswig-Holstein ist im Vergleich zu anderen Bundesländern vorbildlich. Wie Helmut Frenz sich in dieser Angelegenheit engagiert hat, finde ich großartig, das hat meinen vollen Respekt. In dem Punkt der Abschiebehaft sind wir aber unterschiedlicher Auffassung. Ich halte eine Abschiebehaft unter Beachtung strenger rechtsstaatlicher Grundsätze und humanitärer Gesichtspunkte für unverzichtbar. Unter strengen Voraussetzungen muss eine zwangsweise Ausweisung, also eine sogenannte Abschiebung, und damit auch eine Abschiebehaft möglich sein. Wenn wir den Aufenthalt von Menschen aus anderen Ländern in Deutschland regeln - und ohne diese Regelung kommen wir nicht aus -, wird es auch Menschen geben, die sich an diese Regelungen nicht halten. Ich bin zwar für großzügigere Regelungen des Aufenthalts insbesondere auch unter humanitären Gesichtspunkten, aber es wird auch dann Menschen geben, die diese Regelungen nicht einhalten und sich auch ohne Berechtigung hier aufhalten. Wenn diese Menschen der Aufforderung zur Ausreise nicht folgen, muss es zur Durchsetzung der Regeln auch die zwangsweise Ausweisung geben. Ohne die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung können wir uns Aufenthaltsregelungen sparen. Abschiebehaft darf aber immer nur die zuletzt in Betracht kommende Maßnahme zur Durchsetzung der ausländerrechtlichen Regelungen sein. Über diese Regelungen sollten wir diskutieren, die sind im neuen Zuwanderungsgesetz zu eng gefasst.
Gegenwind:
Ihr Vorgänger hat das Zuwanderungsgesetz ebenfalls kritisiert. Als sich im Frühjahr 2004 der Kompromiss zwischen SPD und CDU abzeichnete, sagte er allerdings, ein Scheitern des Kompromisses sei wünschenswert, lieber kein neues Ausländerrecht als dieses. Teilen Sie diese Meinung oder überwiegen für Sie die positiven Neuregelungen?
Wulf Jöhnk:
Ich teile diese Meinung nicht. Ich hätte mir genauso wie Helmut Frenz ein anderes Zuwanderungsrecht gewünscht. Wir haben uns während meiner Tätigkeit im Justizministerium an der Diskussion zu dem Gesetzesentwurf beteiligt. Unsere Vorstellungen sind jetzt nicht Gesetz geworden, es ist eben ein Kompromiss zwischen Regierungsfraktionen und Opposition. Was jetzt herausgekommen ist, ist gegenüber dem alten Recht ein gewisser Fortschritt, bei aller Kritik. Allein schon deswegen, weil vom Gesetzgeber zugestanden wird, dass wir Zuwanderung in Deutschland benötigen, dass wir Zuwanderung wollen, vor allen Dingen aber, weil wir uns verpflichten, die Integration anzupacken. Das ist ein neuer und ganz wichtiger Gesichtspunkt. Es gibt auch im Detail Regelungen, die ich als Fortschritt betrachte. Ich nenne hier die Härtefallregelung. Das hatten wir vorher nicht, in Schleswig-Holstein ist das immer wieder gefordert worden. Jetzt haben wir eine Härtefallregelung, mit der man aus meiner Sicht gut leben kann. Unter dem Strich ist das Gesetz ein Schritt in die richtige Richtung.
Gegenwind:
Ihr Vorgänger hat sehr oft mit Nichtregierungsorganisationen, Vereinen und Verbänden zusammen gearbeitet. Wird diese Zusammenarbeit bei Ihnen diesen hohen Steilenwert behalten?
Wulf Jöhnk:
Ohne Einschränkung ja. Ich möchte gerne das, was Helmut Frenz angestoßen, aufgenommen und weiterentwickelt hat, fortführen. Ich wäre dankbar, wenn ich zu der gleichen fruchtbaren und harmonischen Zusammenarbeit mit diesen Organisationen käme.
Interview: Reinhard Pohl