(Gegenwind 196, Januar 2005)
Am 4. Dezember 2004 veranstaltete der NPD-Landesverband Schleswig-Holstein einen Parteitag in Steinburg bei Itzehoe. Dort sollten Parteianhänger und andere Neonazis nochmals auf den Wahlkampf zur Landtagswahl am 20. Februar 2005 vorbereitet und eingeschworen werden. Unter den insgesamt 70 Neonazis waren Vertreter der DVU und Republikaner anwesend, die Grußbotschaften überbrachten. Auch an parteieigener Prominenz fehlte es nicht: Neben dem NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt war unter anderem Bundespressesprecher Klaus Beier aus Berlin sowie der stellvertretende NPD-Landesvorsitzende Niedersachsens, Manfred Börm, angereist. Um die rechte Eintracht zu komplettieren waren selbst mittlerweile eher parteiungebundenen Aktivisten wie Jörn Lemke und sogar Mitglieder des "Bündnis Rechts Lübeck" nach Steinburg gekommen.
Schon am 14. November anlässlich einer rechten Kundgebung zum Volkstrauertag in Lübeck hatte sich das Zusammenrücken der verschiedenen Nazigruppen offenbart. In einer gemeinsamen Andacht legten "Freie Nationalisten", NPD und das "Bündnis Rechts" Kränze zu Ehren der Wehrmacht und anderer Nazikriegsverbrecher nieder.
Obwohl der Landesvorstand bei der Organisation diesmal betont Wert auf Diskretion gelegt hatte und das Versammlungslokal "Zur Steinburg" geheim bleiben sollte, kam es zu massiven Störungen. Während Voigt seine Rede schwang und von Aufbruchstimmung faselte, zogen etwa 50 Gegendemonstranten vor das Lokal. Mit lauten Rufen und einigen Flaschenwürfen wurde der rechte Parteitag unterbrochen. Nachdem der völlig überraschte NPD-Ordnerdienst Alarm geschlagen hatte, bewaffneten sich zahlreiche Neonazis im Versammlungsraum mit bereitliegenden Waffen und Gaststättenmobiliar. Da die protestierenden Antifas auf der gegenüberliegenden Straßenseite blieben, konnten immer mehr Faschisten die Kneipe verlassen und sich vor dem Gebäude sammeln. Als sich die Gruppe groß genug wähnte, rannte sie plötzlich auf die Antifaschisten los und attackierte sie. Dabei rissen die Nazis einige Personen zu Boden und traten brutal auf sie ein.
Gemeinsam mit fünf anderen rechten Schlägern griff NPD-Kandidat Ingo Stawitz eine Journalistin an und traktierte sie mit Faustschlägen und Knüppeln. Einzig ein hinzukommender Zivilpolizist konnte die Frau vor noch schlimmeren Verletzungen bewahren. Da lediglich etwa acht Polizisten vor Ort waren, sahen sich die Beamten gezwungen, zwei Warnschüsse abzugeben. Nur so war es möglich, die NPDler zur Ruhe zu bringen. Die tumultartigen Szenen wurden von Kamerateams des NDR gefilmt. Während sich die Antifas sammelten und zurückzogen, sperrten ankommende Polizisten die Straße ab. Fast alle Demonstranten wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen. Nun wird gegen sie wegen Landfriedensbruch und gegen einige rechte Schläger wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Die Störung des Nazitreffens ist zumindest zeitweise gelungen, auch wenn der Preis für Antifas aufgrund der Verletzungen und der Ingewahrsamnahmen hoch war.
Die NPD-Führung wird nun erklären müssen, warum ihre Parteimitglieder und Kandidaten so brutal zu Werke gingen. Dem Landesvorstand wird die Gewalttätigkeit eine zumindest zurzeit nicht willkommene Aufmerksamkeit bescheren, versuchte er doch in der Öffentlichkeit gerade in Hinblick auf die Wahl im Februar wenig Angriffsfläche zu bieten. So wurde erst kürzlich der Rentner Heino Förster (Ratzeburg) aus Imagegründen von der NPD-Kandidatenliste gestrichen. Förster hatte in den 90ern eine mehrjährige Haftstrafe verbüßt, da er Jugendliche angestiftet hatte, eine Flüchtlingsunterkunft nahe Boizenburg anzuzünden. Wie verlogen dieses Versteckspiel der Parteiführung ist, zeigt sich bei einem Rückblick in den Sommer 2003: Damals war Förster frisch in den Landesvorstand der NPD gewählt worden, und das nicht trotz, sondern vermutlich auch wegen seiner Vergangenheit.
Quelle: Enough is Enough / Antifa InfoPool