(Gegenwind 193, Oktober 2004)

Kiel, Lübeck,...

Wie viele Flughäfen braucht Schleswig-Holstein?

Der geplante Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau sei offenbar vom Tisch, so berichtete die Landeszeitung am 8. September 2004. Sie berief sich dabei auf Auskünfte aus dem Wirtschaftsministerium in Kiel. Dort war ein neues Gutachten des "Airport Research Center" (Aachen) und der "Desel Consulting" (Niedernhausen) eingegangen, die Bedarf und Kosten für den geplanten Ausbau ermitteln sollten.

Die geforderten Zahlen, "Bedarfsprognose" genannt, hatten die Gesellschaften der Kieler Flughafengesellschaft am 3. September 2004 vorgelegt. Danach würden ohne den geplanten Ausbau alle Linien bis 2010 eingestellt werden. Mit dem Ausbau auf die geplanten 1799 Meter Startbahnlänge würden allein die Passagierzahlen der Linie Kiel-Frankfurt von heute knapp 60.000 (2004) auf 71.600 im Jahre 2010 ansteigen. Ebenso wird für die Linie Kiel-Köln eine Steigerungsrate von 2,2 Prozent jährlich prognostiziert, also von 35.260 Passagieren im Jahre 2004 auf 40.200 Passagiere im Jahre 2010.

Das Problem bei der Prognose: Die Zahlen für 2004 beruhen nicht auf der Realität, sondern auf früheren Gutachten über Steigerungen bei den Passagierzahlen. Im Jahre 2004 werden nur rund 40.000 Passagiere nach Frankfurt und nur 13.000 Passagiere nach Köln fliegen. Denn die Zahl der Passagiere steigt nicht, wie vor fünf Jahren prognostiziert, sondern sinkt seit 1999 bzw. 2000 kontinuierlich. Und schuld daran ist auch nicht eine zu kurze Start- und Landebahn. Denn beide Linien werden mit kleinen Propellermaschinen mit 70 Sitzplätzen bedient, die Flugzeuge sind aber im Durchschnitt mit gerade 12 bis 16 Passagieren besetzt. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass nach der Startbahnverlängerung Düsenflugzeuge mit 100 oder 130 Sitzplätzen eingesetzt werden.

Die früheren Gutachten hatten eine Steigerung der Passagierzahlen auf 210.000 im Jahre 2004 prophezeit. Real werden es kaum 55.000 sein. Die ursprüngliche Prognose für 2010 lag bei 300.000 Passagieren - die neue, die ohne logische Erläuterung von jährlichen Steigerungsraten ausgeht, schätzt jetzt 180.000 Passagiere im Jahre 2010.

Flughafen Kiel-Holtenau
Foto links: Flughafen Kiel-Holtenau

Nach dem Ausbau, so prognostizieren die Gutachten, werde dann sicherlich eine Linie Kiel-Stuttgart für weiteres kräftiges Wachstum sorgen. Nur: Von Hamburg aus starten täglich 16 Flüge nach Stuttgart, hier könnten Passagiere nur abgeworben werden, wenn die Landesregierung die Flugtickets in Kiel kräftig subventioniert.

Auch der Landesrechnungshof hat den Ausbau des Kieler Flughafens, der 50 Millionen Euro kosten soll, in einem Gutachten als unwirtschaftlich verworfen. Dieses Gutachten wird von den neuen Gutachtern in ihrem Quellenverzeichnis bezeichnenderweise nicht aufgeführt. Nach Berechnungen des Landesrechnungshofes droht nach dem Ausbau ein Defizit von 30 Millionen Euro im Jahr, das zur Hälfte vom Land und der Stadt Kiel zu decken wären. Kein Wunder, dass die Gutachten das nicht berücksichtigen wollten.

Alternativen?

Auf einer Pressekonferenz am 9. September brachten Kiels Oberbürgermeisterin Angelika Volquartz (CDU) und der Landes-Wirtschaftsminister Bernd Rohwer (SPD) dann den Umbau des Flughafens Hohn bei Rendsburg ins Spiel. Dabei handelt es sich um einen Militärflughafen, auf dem jetzt ein Transportgeschwader der Bundeswehr mit Transall-Maschinen stationiert ist. Hier müsste die gesamte Infrastruktur für die Abfertigung von Passagieren neu gebaut werden. Dennoch bleibt die Frage offen, ob es die Passagiere denn auch gibt.

Der Lübecker Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) forderte gleich, die Ausbaupläne für Kiel zu begraben und die eingeplanten Landesmittel, die in Wirklichkeit beantragte EU-Mittel sind, für den Ausbau des Lübecker Flughafens zur Verfügung zu stellen. Dort konnten in den letzten Jahren kräftige Steigerungsraten realisiert werden. Allein im ersten Halbjahr 2004 flogen 271.000 Passagiere von oder nach Lübeck, über 36 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2003. Allerdings gab es diese Steigerung nur, weil die Billigflieger von Ryanair kräftig subventioniert werden. Die Steigerung der Passagierzahlen bedeutet, das Lübecks Haushaltsdefizit im Jahre 2004 nicht 60 Millionen, sondern 88 Millionen Euro betragen wird.

Denn der Subventionsbedarf ist hoch, damit überhaupt Flugzeuge in Schleswig-Holstein starten. Die Linie Kiel-Köln war vom Betreiber Cimber-Air eingestellt und von dem neuen Betreiber EAE nur für 700.000 Euro Subvention aus der Landeskasse wieder eröffnet worden (vgl. Gegenwind 187, Seite 18). In Lübeck fliegen größere Flugzeuge mit weit mehr Passagieren, das ist nur um den Preis vieler Steuermillionen zu realisieren. Die Stadt bezahlte 2000 und 2001 jeweils 2,2 Millionen Euro, 2002 schon 2,5 Millionen, 2003 3,6 Millionen. Im Jahre 2004 werden es voraussichtlich 8,9 Millionen Euro sein.

Reinhard Pohl

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