(Gegenwind 189, Juni 2004)
Der politische Flüchtling aus dem Iran hat sich aus Protest gegen die achtjährige Verweigerung seiner Rechte Mund, Augen und Ohren zugenäht und ist in den Hungerstreik getreten.
Acht Jahre ist es her, dass Gholam Reza Ghavidel seinen Verfolgern im Iran entfloh und in Deutschland Asyl suchte. Seit acht Jahren wird ihm sein Recht verweigert. Er hält lediglich ein Papier in seinen Händen, das ihm die Aussetzung der Abschiebung bescheinigt und welches er monatlich, manchmal wöchentlich und manchmal täglich, je nach Willkür der Ausländerbehörde, verlängern muss. Seit acht Jahren wird ihm jede Zukunftsplanung und Perspektive vorenthalten. Er ist gezwungen, in dem Landkreis Pinneberg sein Dasein zu fristen, ohne Sondergenehmigung der Behörde ist es nicht einmal erlaubt nach Hamburg zu kommen. Das sieht der Gesetzgeber so vor, für Asylbewerber oder Menschen, die lediglich geduldet werden, gilt unbefristet die sogenannte Residenzpflicht, die den Aufenthalt der Betreffenden auf das Gebiet eines Landkreises einschränkt. Sein Exil in Deutschland bedeutet, seit acht Jahren ausgeschlossen zu sein vom gesellschaftlichen Leben, ohne Ausbildungs- und Arbeitserlaubnis, abhängig von 150 Euro Sozialhilfe, kein Recht auf eine Wohnung und eine Privatsphäre, als Mensch nicht existent für Staat und Gesellschaft.
Acht Jahre sind nicht acht Tage. Zuviel ist zuviel. Gholam Reza Ghavidel hat sich die Augen, den Mund und die Ohren zugenäht, um seine unrechte und unmenschliche Behandlung sichtbar zu machen. Er ist in den unbefristeten Hungerstreik getreten. Einzige Forderung ist die Anerkennung seiner Rechte als Flüchtling und politisch Verfolgter, ein Leben als Mensch oder keins.
Gholam Reza Ghavidel stammt aus dem kurdischen Teil des Iran. Seit 1982 war er aktiv in der iranischen Opposition gegen das islamische Regime und auch für die Rechte der kurdischen Bevölkerung. Als immer mehr seiner Freunde und Genossen vom Regime verhaftet und ermordet wurden und es nur eine Frage der Zeit war, wann die staatlichen Mörder ihn fingen, floh er nach Deutschland. Er stellte im August 1996 einen Asylantrag, der bereits zweieinhalb Monate später negativ entschieden wurde. Trotz der feindlichen Bedingungen in Deutschland setzte er seine Aktivitäten gegen das Regime in Teheran fort. Gleichzeitig unterstützte er andere Flüchtlinge aus dem Iran, die ebenfalls in Deutschland Schutz suchten. Wenige Monate nach seiner Ankunft in Deutschland erlebte er, wie ein iranischer Asylbewerber in seinem Heim in den Hungerstreik gegen die Abschiebebestrebungen der Behörde trat. Der Mann hängte ein Plakat in sein Fenster mit seiner Forderung. Die Heimleitung rief die Polizei und diese entfernte und zerstörte das Plakat. Gholam Reza Ghavidel zutiefst getroffen über die Ignoranz und Brutalität gegenüber den Menschen, die dieselben grausamen und leidvollen Erfahrungen wie er selbst im Iran gemacht hatten, entschloss sich zu ihrer Unterstützung, mit dem gleichen schmerzhaften und gefährlichen Mittel, dem Verschließen der Sinnesorgane, das Unrecht sichtbar zu machen. Endlich nahm die Öffentlichkeit die Geschehnisse wahr. Nach einiger Zeit wurden einige iranische Flüchtlinge anerkannt. Herr Ghavidel stellte 1998 und 2003 Folgeanträge, die beide negativ entschieden wurden, ohne dass seine politische Arbeit und sein Engagement entsprechend berücksichtigt wurden.
Für das islamische Regime ist Gholam Reza Ghavidel ein Staatsfeind und unerwünschte Person. Als die Polizei ihn auf Weisung der Ausländerbehörde dem iranischen Konsulat vorführte, um Ersatzpapiere für seine Abschiebung zu beschaffen, äußerte er dort seine Meinung über das Regime. Der Konsulatsvertreter forderte die Beamten auf, mit Gholam Reza Ghavidel das Konsulat zu verlassen. Herr Ghavidel dürfe nie wieder iranischen Boden betreten und die Behörden sollen nicht noch einmal diese Person ins Konsulat bringen. Eine schriftliche Erklärung gab das Konsulat nicht ab, dadurch hätte Ghavidel sofortigen Rechtsanspruch auf einen gesicherten Aufenthaltsstatus gehabt.
Bei vielen Aktivitäten der iranischen Exilopposition stand Gholam Reza Ghavidel in erster Reihe. Er war beteiligt an den Öffentlichkeitsaktionen im Zusammenhang mit dem "Mykonosprozess" in Berlin. Im Restaurant "Mykonos" hatte der iranische Geheimdienst iranisch-kurdische Oppositionsführer in Deutschland ermordet. Er nahm an den Protesten gegen die Konferenz mit dem Reformflügel des islamischen Regimes, organisiert von den Grünen über die Heinrich-Böll-Stiftung (vgl. Gegenwind 166, S. 46) teil. Er war aktiv bei den massiven Protesten anlässlich des Besuchs des iranischen Präsidenten Khatami. Er nahm an dem 31-tägigen Sitzstreik vor der Hamburger Ausländerbehörde teil, der zeitgleich in über 10 weiteren Städten in ganz Deutschland stattfand und das Ziel hatte auf die Situation im Iran und die deutsche Abschiebepolitik aufmerksam zu machen. Er beteiligte sich ebenfalls bei dem Protest in und vor dem iranischen Konsulat in Hamburg im Juni letzten Jahres. Seit Jahren ist er aktives Mitglied in der Sozialistischen Partei Iran (SPI).
Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen, Koordinationskreis Hamburg