(Gegenwind 186, März 2004)

Kindertagesstätten

Politischer Poker um Kinderbetreuung

Kinder

Kurz vor Weihnachten wurde die neue Landesförderung für die Kitas geregelt. In der Pressemitteilung des Bildungsministeriums Schleswig-Holstein vom 11. Dezember liest sich dies so: „Kita-Standards bleiben - Land erhöht seinen Zuschuss auf 60 Millionen Euro.” Was steht dahinter?

Der schleswig-holsteinische Landtag hat in seiner Sitzung im Dezember den Doppelhaushalt für die Jahre 2004/2005 verabschiedet und gewährt den Kindertagesstätten einen jährlichen Zuschuss von 60 Millionen Euro. Diese Summe soll künftig pauschal im Rahmen des Finanzausgleichs an die Kreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe weiter geleitet werden. Diese wiederum sollen die Gelder an die Gemeinden und Träger der Einrichtungen weiterleiten. Das Land will damit die Gestaltungsfreiheit und Eigenverantwortung der Kommunen bei der Mittelverwendung stärken und sieht durch die Beibehaltung der Mindeststandards (Kindertagesstätten-Verordnung, KiTaVo) ausreichend Rechtssicherheit gegeben.

Die Regierungsparteien des Landes, SPD und Bündnis 90/Die Grünen, begrüßen dieses Ergebnis und betonen, mit 60 Millionen Euro jährlich jeweils 2,4 Millionen Euro zusätzlich für die Kindertagesstätten zur Verfügung zu stellen. „Wir erwarten, dass die Landkreise und kreisfreien Städte zügig, gerecht und transparent die Landesmittel an die Einrichtungen weiter geben und appellieren an Sie, Ihre eigenen Zuschüsse nicht zu kürzen,” so die gemeinsame Presseerklärung der Regierungsparteien vom 11. Dezember.

Kreise beschließen Kürzungen

Dieser Appell deutet das Problem bereits an: Nicht geregelt und damit auch nicht klar absehbar ist, wie die Landesmittel tatsächlich an die Einrichtungsträger weiter gegeben werden. Zu befürchten sind regional erhebliche Verwerfungen, da einige Landkreise bereits Kürzungen ihrer Zuschüsse beschlossen haben, andere dagegen nicht oder noch nicht.

Ein kurzer Rückblick verdeutlicht, wie dramatisch sich die Situation für die Kindertagesstätten in den letzten Monaten zugespitzt hat: Der ursprüngliche Novellierungsentwurf des Sozialministeriums wurde aufgrund starker Proteste der Kommunalen Landesverbände und der Wohlfahrtsverbände nicht weiter verfolgt und schließlich mit dem Wechsel der Zuständigkeit für die Kindertagesstätten zum Bildungsministerium Anfang des Jahres 2003 zu den Akten gelegt.

Überraschend erklärte Ministerpräsidentin Heide Simonis im Juni 2003, das Land beabsichtige, die Förderung von Kindertageseinrichtungen ab 2004 definitiv zu ändern. Eine zweckgebundene Landesbeteiligung in Höhe von jeweils 60 Millionen Euro in den Jahren 2004 und 2005 solle über den kommunalen Finanzausgleich in den Haushalt eingestellt werden. Wie und in welcher Form dies geschehen sollte, wurde nicht weiter ausgeführt. Klar war allerdings: Dieses Ziel könnte nur über eine grundlegende Veränderung im Kindertagesstättengesetz (KiTaG) erreicht werden - indem sich das Land selbst aus der Personalkostenförderung entlässt. Um ein reguläres Novellierungsverfahren und damit zeitliche Verzögerungen umgehen zu können, müsste dies im Rahmen des Haushaltsbegleitgesetzes geschehen.

Die Verfahrensbeteiligten sollten nun eine Rahmenvereinbarung auf Landesebene entwickeln quasi als Ersatz für die Standards in der KiTaVo, die für die Dauer von zwei Jahren vollständig ausgesetzt werden sollte. Vorrangiges Ziel des Landes war dabei zum einen, aus der Personalkostenförderung auszusteigen. Zum anderen wollte das Land den kommunalen Spitzenverbänden entgegen kommen, die - nach Aufhebung der rechtlichen Vorgaben - die Kita-Standards flexibler handhaben könnten.

Für eine gemeinsame Rahmenvereinbarung auf Landesebene wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Die unterschiedlichen Standpunkte erwiesen sich letzten Endes als unüberbrückbar. Besonders eine Festschreibung der Standards - als Ersatz für die Regelungen im KiTaG und in der KiTaVO - wurden durch die kommunalen Landesverbände nicht mit getragen.

Der Verband Evangelischer Kindertageseinrichtungen in Schleswig-Holstein (VEK) und das Diakonische Werk Schleswig-Holstein (DW) brachten gemeinsam mit den anderen Wohlfahrtsverbänden ihre Position vehement ein: Bestimmte Standards sollten in der Kindertagesstättenarbeit nicht unterlaufen werden können. Mit dem Scheitern dieser Rahmenvereinbarung schien zunächst keine Festschreibung von Standards möglich. Um dies zu vermeiden und für die zwei Jahre des Übergangs einen Notnagel zu entwickeln, verständigte man sich schließlich darauf, zumindest eine „Gemeinsame Erklärung” zu entwerfen.

Diese Erklärung „zur Beachtung von Voraussetzungen für eine am Kindeswohl orientierte Arbeit in Kindertageseinrichtungen in Schleswig-Holstein” wurde von den Beteiligten ausgehandelt - und dennoch nicht zum Abschluss gebracht. Denn bereits im Vorfeld zeichnete sich ab, dass einzelne Landkreise aus der Vereinbarung ausbrechen und von ihrer bisherigen Förderungshöhe zum Teil erheblich nach unten abweichen würden. Letzte Versuche des Bildungsministeriums, die „Gemeinsame Erklärung” zu retten, scheiterten.

In den Zeitungen wurde dies mit Überschriften kommentiert wie „Kommunen und Landkreise torpedieren Gemeinsame Erklärung zu den Kitas: CDU trägt hierfür Mitverantwortung” oder „Kommunen erweisen sich bei den Kindertagesstätten als unseriöse Vertragspartner”, „Kita-Streit entlarvt Taktik der Rot-Grünen Regierungskoalition” und „Kita-Streit: Zahlen die Eltern jetzt die Zeche?”.

Steuerungsgruppe geplant

Die geplante Erklärung sah eine Steuerungsgruppe vor mit der Aufgabe, gemeinsam ein neues Finanzierungskonzept für die Kindertagesstättenarbeit ab dem Jahr 2006 zu entwickeln. Zu einer solchen Steuerungsgruppe soll es nach Vorstellung des Bildungsministeriums und auf Wunsch der Wohlfahrtsverbände trotz alledem kommen. Denn die Notwendigkeit, den neuen Weg der Mitfinanzierung durch das Land in den nächsten zwei Jahren zu begleiten und ein neues Finanzierungskonzept zu entwickeln, besteht nach wie vor.

Das Diakonische Werk Schleswig-Holstein und der VEK setzen sich dafür ein, in diese Projektgruppe nicht nur die „alten Verfahrensbeteiligten” einzubinden, sondern auch Eltern zu beteiligen. Bei allem Verdruss über die Entwicklung der zurück liegenden Monate darf ein positiver Gesichtspunkt nicht unbeachtet bleiben:

Die Proteste, die sich im Land gegen die mögliche Aussetzung der Kita-Standards formiert haben, wurden in erster Linie von den Eltern durchgeführt. Als Folge soll in Schleswig-Holstein nun ein Landeselternbeirat für Kitas gegründet werden. Es ist davon auszugehen, dass mit der neuen Förderpraxis des Landes und der gesenkten Mitfinanzierung einzelner Landkreise vielerorts die Elternbeiträge erhöht werden. Die Eltern werden das weitere Geschehen sehr aufmerksam beobachten. Sie zahlen bereits jetzt im Durchschnitt 30 bis 35 Prozent der gesamten Kosten für einen Kitaplatz in Schleswig-Holstein. Das ist bedeutend mehr als in anderen Bundesländern.

Markus Potten

Der Autor ist Geschäftsführer des Verbandes Evangelischer Kindertageseinrichtungen in Schleswig-Holstein (VEK).

(Dieser Beitrag erschien bereits im Diakonie-Report.)
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