(Gegenwind 185, Februar 2004)
Ganz Ostholstein ist gesamtschulfrei - ganz Ostholstein??? Nein!!! Eine kleine Schule an der Küste leistet tapfer Widerstand gegen alle Angriffe. (Und das ganz ohne Druiden und Zaubertrank.)
Als der Kreistag von Ostholstein im Herbst 2000 den Beschluss fasste, die von vielen Eltern gewünschte Gesamtschule endlich beim Land Schleswig-Holstein zu beantragen, wähnten sich viele am Ende eines langen und beschwerlichen Weges. Voraus gegangen war eine intensive zehnjährige Arbeit der Elterninitiative. In dieser Zeit hatten die Kinder der Gründungsmütter und -väter bereits ihren Schulabschluss.
Leider, und das war ein schweres Versäumnis, hatte das Land ein Jahr zuvor angesichts der bevorstehenden Landtagswahl kalte Füße bekommen, die Schule zu genehmigen. Denn kurze Zeit später wechselte der Landrat nach Kiel in die Landesregierung, und es wurde notwendig, einen neuen Landrat zu wählen. Bis zur Installation dieses neuen Landrats wurden die Amtsgeschäfte kommissarisch weitergeführt. In dieser Zeit lag die erste Vorbereitungsphase der Schule. Durch kompetente und sehr gutwillige Mitarbeit von allen Gremien des Kreises gedieh das Projekt IGS Ostholstein. Ein Architektenwettbewerb wurde ausgeschrieben und ein Entwurf ausgewählt. Das Architektenbüro erhielt unverzüglich die Aufgabe, eine HU-Bau ("Haushaltsunterlage Bau") zu erstellen, Land wurde erworben und darauf ein Interim, geplant für zwei Jahre (die geplante Bauzeit), errichtet.
Der erste Jahrgang an Schülerinnen und Schüler wurde aufgenommen und das Gründungsteam der Schule zusammengestellt. Die designierte Schulleitung arbeitete mit dem Schulamt des Kreises zusammen und alle Bestellungen und Planungen (z.B. Lernmittelbedarfsrechnungen bis Klasse 13!!!) wurden durchgeführt.
Im April 2001 wurde ein neuer Landrat gewählt, dieses Mal ein Mitglied der CDU. Schon in seinem Wahlkampf hatte er fast nur ein Thema, den Kampf gegen die Gesamtschule in "SEINEM" Kreis. Mit seinem Amtsantritt im Juli 2001 änderte sich das Klima auch schlagartig. Die bis dahin gültigen Planungen wurden auf Eis gelegt und ein neuer Beschluss zur Errichtung der Gesamtschule sollte gefasst werden. Bis dahin wurden alle Arbeiten auf ein Minimum reduziert. Bestellungen wurden nicht ausgeführt, die Bauarbeiten am Interim verzögerten sich. Der forcierte Beschluss, die Gesamtschule zu starten, musste mitten in der Sommerpause auf einer Sondersitzung des Kreistages gefasst werden und führte zu dem gewünschten Ergebnis, auch wenn die HU-Bau Kosten von ca. 66 Mio. DM ergeben hatte, mit denen angeblich keiner gerechnet hatte.
So begannen wir dann den Unterrichtsbetrieb in einem Gebäude umgeben von Lehm und Matsch. Bücher kamen so spät, dass in den ersten Schulwochen improvisiert werden musste. Der nicht existente Schulhof (im Sommer bei trockenem Wetter eine herrliche Wiese mit viel Platz zum Fußballspielen, Toben, sich im hohen Gras verstecken ...) verwandelte sich bei feuchter Witterung zusammen mit den unbefestigten Wege in eine ziemliche Schmutzpartie, es war unbeschreiblich. Und alle warteten gespannt darauf, dass nun bald die Bauarbeiten losgehen sollten. Es stellte sich aber schnell heraus, dass Warten zunächst umsonst war. Erst wurde über die nun aktuellen Kosten beraten, dann sollte eine neue HU-Bau Einsparungen aufzeichnen. So verging das Jahr 2001 und nichts weiter geschah. Nur das Arbeitsklima zwischen den Gremien im Kreis und der Schule verschlechterte sich zusehends. Es wurden Entscheidungen getroffen, von denen wir nur noch informiert wurden, eine aktive Mitarbeit an den möglichen Einsparpotentialen war nicht mehr erwünscht. Die Gremien tagten und eine Beteiligung der Schule, ein halbes Jahr noch selbstverständlich, wurde ausdrücklich zurückgewiesen.
Der Haushalt 2002 sah dennoch die Kosten für den Neubau der Schule vor. Das führte dazu, dass der Landrat diesem Haushalt widersprach und es so schaffte, dass der Kreis Ostholstein bis Juni 2002 keinen gültigen Haushalt hatte. So verging das erste Schuljahr und von Bautätigkeiten war nichts zu sehen.
Der zweite Jahrgang wurde eingeschult, das zweite KollegInnenteam kam, und es war allen klar, dass etwas passieren musste, denn ein drittes Team und die damit verbundenen weiteren 100 Kinder passten nicht in die bestehenden Gebäude. Der von Kreis dann gefasste Beschluss zur Reduktion der Kosten war schon ein ziemlich fauler Kompromiss. Die Schule sollte gebaut werden, aber nur noch im Raumprogramm einer dreizügigen Schule, das bestehende Provisorium sollte in diesen Neubau als dauerhafter Unterrichtsraum integriert werden. Gleichzeitig stellte der Kreis den Antrag, zukünftig die Schule nur noch dreizügig weiter zu führen. Diesen Antrag des Kreises, die Zügigkeit auf drei Parallelklassen zu reduzieren, hat das Ministerium aber abgelehnt.
So war also klar, dass der Bau von Anfang an für die Bedürfnisse der Schule viel zu klein sein würde. Aber die Kosten waren akzeptabel und so konnte der Landrat nicht mehr blockieren. Dennoch war die CDU nicht untätig. Es gibt im Kreis ein Schulgebäude mit einer Haupt- und Realschule, die aufgrund von geringsten Anmeldezahlen in ihrer Existenz bedroht ist. Nun wurde überlegt, dass die Gesamtschule als Ersatz für dieses unwirtschaftliche Schule in die Gebäude einziehen könnte. Eine Idee, die vielen in der Gemeinde Timmendorfer Strand gefiel. Allerdings wurde überlegt, die Schule zunächst einmal auf beide Standorte aufzuteilen, die Schulen in Timmendorfer Strand auslaufen zu lassen und die neuen Jahrgänge Zug um Zug in Timmendorfer Strand einzuschulen. Es hätte bedeutet, dass die bestehenden Jahrgänge vermutlich bis zum Ende der 10. Jahrgangsstufe im Provisorium ohne Fachräume und eigene Sporthalle hätten verbleiben müssen.
Also wurden wieder alle Planungen für einen Neubau auf Eis gelegt und das Projekt Timmendorfer Strand war geboren. Zeitgewinn für die CDU: ein weiteres halbes Jahr, denn es war von vorn herein klar, dass die Mitglieder der CDU im Ort aus Parteiräson nicht für die Verlegung stimmen durften. (Auch wenn einige dieser Idee gern zugestimmt hätten, wie die dörfliche Flüsterpropaganda verriet.)
Wie wenig das Vorankommen der Schule in Kreisen der CDU gewünscht war, zeigte auch die Schulleiterwahl, die am ersten Wahlabend die Mitglieder der CDU im Wahlausschuss platzen ließen, weil sie angeblich die Einladung des Schulträgers (der Kreis) zur Sitzung einen Tag zu spät erhalten hatten. Es waren aber alle anwesend (!), aber so konnte nach der zweiten, fristgerecht eingeladenen Sitzung dann das doppelte Sitzungsgeld (selbstverständlich aus dem Etat der Schule) eingestrichen werden. Und das trotz der Tatsache, dass die eigentliche Wahlhandlung durch Verlassen der Sitzung boykottiert wurde.
Nach dem Scheitern der Verlegung standen der Haushalt 2003 an und ebenfalls die Kommunalwahl. Auf den Ausgang dieses für die Schule bisher größten Desasters braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden: Die CDU bekam die absolute Mehrheit im Kreistag. Nahezu erste Amtshandlung der neuen Kreisregierung war, die Auflösung der Schule in Kiel zu beantragen. Das hat das Bildungsministerium abgelehnt. Jetzt versucht die Kreisregierung es auf dem Klagewege, die Schulauflösung vorantreiben zu können. Genaueres hierzu werden wir in den nächsten Monaten der Tagespresse entnehmen können.
Nach Amtsantritt der neuen Kreisregierung wurde die konstruktive Zusammenarbeit schwerer und schwerer. Zu viele Entscheidungen wurden ohne Befragung der Schule gefällt, lediglich die Aufgaben, die der Kreis nicht leisten konnte oder wollte, mussten von der Schule übernommen werden.
Der dritte Jahrgang wurde aufgenommen und ein weiteres Interim war notwendig. Dieses Mal wurden es Blechcontainer, aber wenigstens in käsegelb. Trotz der von Kiel angeordneten Aufnahme eines neuen vierzügigen Jahrgangs wurden diese aber nur dreizügig geplant und aufgestellt. Die fehlenden Räume und die sich daraus ergebende Enge managt die Schule so gut es geht.
Außerdem nehmen die von uns als unverständlich empfundenen Maßnahmen durch den Schulträger zu. Zuletzt wurde beschlossen, dass die Logistik für die Mittagsverpflegung nicht mehr vom Kreis gezahlt wird, sondern jetzt auf die Kinder umgelegt werden muss. So kostet ein Essen jetzt 4,05 Euro statt vorher 3 Euro. Das Engagement der Eltern, die versuchten, durch ehrenamtliche Übernahme die Logistikkosten wieder zu senken, wurde mit Hinweis auf bestehende Verträge zurückgewiesen. Auch dass die Schule offiziell im Haushalt 2004 nicht mehr vorkommt, ist in diesem Zusammenhang nicht mehr verwunderlich.
Es stellt sich jetzt doch die Frage, ob es Eltern gibt, die ihre Kinder auf eine derart umstrittene Schule schicken und ob es auch Lehrerinnen und Lehrer gibt, die das ertragen können, ohne jeden Tag an Frühpensionierung zu denken. Und tatsächlich, sie gibt es! Ohne das ungebrochene Engagement der Eltern und der Lehrkräfte wäre die Schule sicher schon lange im Chaos versunken. So aber haben es alle Beteiligten geschafft, trotz allem Vertrauen innerhalb der Elternschaft zu wecken und durch hervorragenden Unterricht zu überzeugen. In den letzten Jahren haben sich mehr als 500 Eltern für eine Anmeldung an der Gesamtschule in Pansdorf entschieden, nur 290 konnten bis heute einen Platz erhalten. Wir, die Lehrerinnen und Lehrer und die Eltern dieser Schule, sind zuversichtlich und tun alles dafür, dass dieser Trend ungebrochen anhält. Weil immer noch zu viele Kinder keinen Platz erhalten, haben sich sogar schon Initiativen gebildet, die weitere Gesamtschulen auch für ostholsteinische Kinder fordern.
J. Cygan und G. Weinhold (IGSP)