(Gegenwind 182, November 2003)
Seit längerem gibt es in der Stadt Norderstedt eine Diskussion um die Umwandlung des Eigenbetriebes "Stadtwerke Norderstedt" in eine privatrechtlich organisierte Gesellschaftsform. Aufgrund von ersten Vorstößen des kaufmännischen Werkleiters im Finanzausschuss beauftragte der Hauptausschuss Anfang November 2000 auf Antrag der SPD-Fraktion den Bürgermeister Hans-Joachim Grote (CDU), zur Vorbereitung einer möglichen Entscheidung der Stadtvertretung über die Gesellschaftsform der Stadtwerke, einen Bericht gem. §102 der Gemeindeordnung vorzulegen.
Anfang Juli 2001 lag dieser Bericht in Form einer Arbeitsunterlage für den Bürgermeister zusammen mit einem Gutachten der Deutschen Gesellschaft für Managementberatung den Mitgliedern des Hauptausschusses vor. Bereits am 15.10.01 stand der Grundsatzbeschluss, die Stadtwerke Norderstedt in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, auf der Tagesordnung des Hauptausschuss. Doch soweit kam es nicht, denn der Bürgermeister zog noch vor der Behandlung dieses Punktes seinen Antrag wieder zurück, denn inzwischen hatte sich der SPD-Ortsverband gegen eine Umwandlung ausgesprochen hatte. Da die Grünen ebenfalls Widerstand gegen die Privatisierungspläne geäußert hatten, war klar, dass eine Mehrheit in der Stadtvertretung nicht in Sicht war.
So weit, so gut, dachten alle - doch dann kam die Kommunalwahl 2003 mit den allseits bekannten schwarzen Mehrheiten im Lande. So auch in Norderstedt. Bereits auf der 2. Stadtvertretersitzung beantragte die CDU-Fraktion erneut die Umwandlung der Stadtwerke in eine Kapitalgesellschaft zu prüfen. Zwar gelang es der gesammelten Opposition d.h. SPD, Grüne Alternative Liste in Norderstedt (GALiN), FDP und Bürgerpartei, die Prüfung auch auf das neu in der Gemeindeordnung verankerte Kommunalunternehmen auszudehnen, aber, wie sich wenig später herausstellte, war dies nur Makulatur.
Bereits im Juli lag ein neues Gutachten vor, das die GmbH als allein seligmachende Gesellschaftsform propagierte. Das Kommunalunternehmen kam so gut wie gar nicht vor - und die Aktiengesellschaft war auf einmal out. Obwohl das Gutachten eher die Qualität einer Hausarbeit eines Erstsemesters hatte, meinte die Mehrheitsfraktion, es sei genug der Worte und man schritt zu Taten. Zunächst erfolgte der Beschluss des Hauptausschusses, wobei der Bürgermeister - wohl schon Böses ahnend - den Grundsatzbeschluss flugs noch in einen normalen Beschluss änderte. Dann folgte die Stadtvertretung, die am 02.09.03 mit den Stimmen von CDU und FDP beschloss, die Stadtwerke in eine GmbH umzuwandeln.
Gleich nach der Beschlussfassung in der Stadtvertretung gab Maren Plaschnick von der GALiN eine persönliche Erklärung ab, in der er sie dazu aufrief, das ab sofort laufende Bürgerbegehren "Pro Eigenbetrieb Stadtwerke" zu unterstützen. Denn die Gegner der Privatisierung waren natürlich nicht untätig geblieben und hatten sich entsprechend vorbereitet. Auch wenn das Wort "Grundsatz" gestrichen war, so war es doch der Beschluss, der die Weichen stellte.
Bereits wenige Tag nach der Stadtvertretung lief die Organisation bei Pro Eigenbetrieb Stadtwerke auf Hochtouren. Unterschriftenlisten, Plakate, Website, Infostände, Pressearbeit - alles wurde mit Windeseile und mit Unterstützung von SPD, GALiN und Bürgerpartei, aber auch vieler Einzelhelfer/innen auf den Weg gebracht. Die ersten Infostände waren zwar noch etwas mühsam, doch schnell zeigte sich, dass das Bürgerbegehren auf große Resonanz in der Bevölkerung trifft. So wurden beispielsweise an einem gewöhnlichen Markttag in Garstedt über 400 Unterschriften gesammelt. In der Folgezeit wurden alle denkbaren "Events" zum Sammeln von Unterschriften genutzt, sei es der CDU-Ball zur deutschen Einheit, ein Flohmarkt oder das Erntedankfest. Nicht nur die Bevölkerung unterstützte das Bürgerbegehren sehr eindrucksvoll - es gab sogar prominente Unterstützung aus Reihen der CDU. Der "elder statesman" Jürgen Meßfeldt, einst stellvertretender Bürgervorsteher und Stadtbaurat, rief in einem Leserbrief die Bürgerinnen und Bürger dazu auf, das Bürgerbegehren zu unterstützen.
Im Gegensatz zum CDU-Fraktionsvorsitzenden Rainer Schlichtkrull, der das Bürgerbegehren "unredlich" findet, meint Jürgen Meßfeldt: "Wer ein Bürgerbegehren als Missbrauch zur Korrektur eines Wahlergebnisses diskreditiert, benötigt offenbar Elementarunterricht in Demokratie und ein Exemplar der Gemeindeordnung, damit er lernen kann, dass Bürgerbegehren ausdrücklich auch zur Aufhebung von Mehrheitsentscheidungen der Stadtvertretung eingeleitet werden können."
Nach gut fünf Wochen zeichnet sich ab, dass das Bürgerbegehren Erfolg haben wird. "Die Stimmung an den Infoständen ist eindeutig", stellt Harald Hattendorf fest, einer der Vertretungsberechtigten von "Pro Eigenbetrieb Stadtwerke". "Wir sind sehr optimistisch, dass wir mehr als die erforderlichen ca. 6000 Unterschriften erhalten werden." Abgabetermin für die Unterschriften ist der 13.10.03. Nach der Überprüfung durch den Gemeindewahlleiter wird der Termin für einen Bürgerentscheid festgelegt werden.
Noch ist die Privatisierung der Stadtwerke in Norderstedt nicht verhindert, doch ein kleiner Schritt ist getan. Damit die Bürger/innen selbst entscheiden können, was mit "ihren" Stadtwerken passiert.
Anette Reinders
Anm. d. Red.: Das Bürgerbegehren ist erfolgreich gewesen: Bis zum 13. Oktober wurden etwa 9.800 Unterschriften gesammelt, also fast 4.000 mehr als benötigt. Weitere Infos im infoarchiv-norderstedt