(Gegenwind 182, November 2003)

TEV Neumünster

Dazugelernt

Klaus Müller (Bündnis 90/Die Grünen) ist schleswig-holsteinischer Minister für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft

Wenn man auf einem Ministersessel sitzt, ist man zu einem ständig gezwungen: zu lernen. Auch Dinge zu lernen, die der grünen Seele zunächst widersprechen. So habe ich gleich zu Beginn meiner Amtszeit umdenken müssen, dass nicht nur Mehrwegpfandflaschen eine positive Ökobilanz haben, sondern auch Tetrapack und Milchschläuche. Ich will gar nicht verhehlen, dass mir das schwer fiel, immerhin habe ich lange genug nach einer anderen Auffassung gelebt.

Bei der Frage der mechanisch-biologischen Abfallbehandlung und thermischen Nutzung von Abfällen war es ähnlich, wobei mir persönlich der Gedanke, dass sich viele ökologische Probleme durch technologische Instrumente und Technologien verringern lassen, sehr nah ist. Wir sehen beispielsweise, was in den Bereichen Ener­gienutzung und Mobilität technologisch an Einsparpotentialen realisierbar wäre.

Welche Argumente haben mich überzeugt? Die Abfallentsorgung ist heute durch das Getrenntsammeln verwertbarer Abfälle und das differenzierte Aufbereitung der Restabfälle sehr viel umweltverträglicher als zu früheren Zeiten. Gleichzeitig haben wir technologisch Riesensprünge in der Luftreinhaltetechnik bei den betreffenden Anlagen gemacht. Die mechanisch-biologische Abfallbehandlung (MBA) und TEV bieten die Möglichkeit einer Ausschöpfung des stofflichen und energetischen Potenzials von Restabfällen. Es werden heizwertreiche Abfälle, Mineralien und Metalle zurück gewonnen. Ganz konkret werden vor Ort fossile Energieträger, vor allem Steinkohle, durch die Energieerzeugung aus Abfällen ersetzt. Die zur Verbrennung in der TEV gelangenden Abfälle werden durch die Vorbehandlung in der MBA konstanter in ihrer Zusammensetzung und im Schadstoffgehalt reduziert. Dazu kommt als zentrales Element der klimapolitische Aspekt. Durch die in den heizwertreichen Abfällen anteilig zu etwa 50 Prozent enthaltenen regenerativen Energieträger wird in erheblichem Umfang Kohlendioxid eingespart.

Ab Juni 2005 ändert sich viel

Ein anderer Aspekt ist die Frage nach einer möglichst umweltverträglichen Abfallentsorgung: Eine Kernvorschrift des Bundes-Abfallrechts lautet, dass unbehandelter Hausmüll spätestens ab dem 1. Juni 2005 nicht mehr deponiert werden darf. Das Gesetz begrenzt dabei den Gehalt an abbaubaren organischen Abfällen derart, dass die Anforderungen nur durch eine Abfallverbrennung oder durch Kombination von mechanisch-biologischer Abfallbehandlung (MBA) mit ener­getischer Verwertung heizwertreicher Abfall­fraktionen eingehalten werden. Die Ziel­vorgabe gibt es seit 1993 und dient dazu Altlasten für die Zukunft zu verhindern.

Die Kreise und kreisfreien Städte, also auch die Stadt Neumünster, sind als "öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger" gesetzlich verpflichtet, diese gesetzliche Vorschrift umzusetzen und die Abfallentsorgung in eigener Verantwortung durchzuführen. Insbesondere müssen sie die für die Entsorgung der Abfälle erforderlichen Anlagen vorhalten und rechtzeitig planen (§ 3 Abs. 3 Landesabfallwirtschaftsgesetz - LAbfWG). Sie können hierfür eigene Anlagen bauen oder die Entsorgung ihrer Abfälle europaweit ausschreiben.

Das Land macht keine Vorgaben darüber, an welchen Standorten welche Art von Entsorgungsanlagen zu errichten ist. Für derartige Vorgaben bestehen weder Veranlassung noch Rechtfertigung, wenn die Kreise und kreisfreien Städte ihre Verantwortung wahrnehmen.

Die Kreise und kreisfreien Städte können und sollen bei der Abfallentsorgung eng über ihre Gebietsgrenzen hinweg zusammen arbeiten. Dieses Gebot zur Zusammenarbeit macht Sinn, da die gesetzlichen Anforderungen an die Abfallbeseitigung inzwischen so hoch sind, dass einzelne Kreise sie nicht mehr wirtschaftlich erfüllen können. Deshalb ist es vernünftig und gut, wenn die Stadt Neumünster mit den Nachbarkreisen Plön und Rendsburg-Eckernförde eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung getroffen hat. Und wenn die MBA Neumünster GmbH mit dem Kreis Nordfriesland und der Stadt Flensburg einen Vertrag abschließt.

Kein zentrales Argument, aber ein ökonomisch interessanter Aspekt ist die Wertschöpfung, die in Schleswig-Holstein bleibt und Arbeitsplätze neu schafft oder sichert.

Grenz- und Betriebswerte

Was ist mit den Schadstoffen? Das Staatliche Umweltamt Kiel hat den Antrag auf Vorbescheid geprüft. Es kommt zu dem Ergebnis, dass die vorgeschriebenen Schadstoff- und Lärmgrenzwerte sicher unterschritten werden können. Betriebserfahrungen mit anderen Abfallverbrennungsanlagen zeigen, dass nach Inbetriebnahme die tatsächlichen Betriebswerte erheblich unter den Grenzwerten liegen. Das sind zwei völlig unterschiedliche Einheiten, man kann sie nicht vergleichen. Diese niedrigen Betriebswerte, über die später die Öffentlichkeit jährlich unterrichtet wird, erwarte ich bei der TEV. Ferner sind die SWN bereit, den Transport zwischen MBA und TEV weitestgehend auf die Schiene zu verlagern. Gesundheitliche Risiken für die Bevölkerung durch die TEV sind damit nach heutigen Erkenntnissen der Experten auszuschließen.

Für die Verwertung der heizwertreichen Abfallfraktion aus der MBA gelten nach europäischem Recht die Gesetze des freien Warenverkehrs. Ohne TEV wäre ein Transport dieser Abfälle zu einer weit entfernten Anlage notwendig und zulässig. Die allerdings arbeiten in der Regel mit niedrigerem technologischen Standard. Die Vorgaben der genannten Landesverordnung zum Abfallwirtschaftsplan greifen hier nicht mehr.

Europaweit ist die Fachwelt einer Meinung: Die zukünftige Energieversorgung muss unabhängiger von fossilen Energieträgern werden. Eine effiziente Abfallnutzung - wie in Neumünster geplant - kann hierzu ihren Beitrag leisten.

Ganz zum Schluss noch eine Bemerkung: Wenn die rechtlichen Bedingungen eingehalten werden, hat das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft keinerlei Handhabe, eine Genehmigung zu verweigern - selbst dann nicht, wenn ein grüner Minister dagegen wäre. Ist er aber nicht. Nicht mehr.

Klaus Müller

Klaus Müller (Bündnis 90/Die Grünen) ist schleswig-holsteinischer Minister für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft.

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