(Gegenwind 181, Oktober 2003)

Serie

KÜSTE - Künstler-Stammtisch für Einwanderer

FÜNF:

Elena Kraft
K-System

Elena Kraft und K-System

Elena Kraft wurde 1966 in Kasach­stan geboren, sie studierte Tanz in Kasachstan und in St. Petersburg. 1987 wurde sie Choreographin im Kulturpalast von Kasachstan in Astana, 1998 wurde sie Direktorin dieser Institution.

Als Leiterin des Balletts "Plus" kam sie weit herum, so gab es Auftritte auf Zypern, in Bulgarien, Syrien, Libanon und der Türkei. Bis zu ihrer Umsiedlung nach Kiel gewann sie eine Reihe von Preisen und Auszeichnungen. Warum sie nach Kiel kam? Als Aussiedlerin war sie mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in der Kaserne in Neumünster und wurde dort gefragt, ob sie nach Kiel oder Lübeck wollte. Kiel, dachte sie, sei die Hauptstadt von Schleswig-Holstein - dort erhoffte sie sich Möglichkeiten, ihren künstlerischen Beruf fortzusetzen.

Die Kurse an der Volkshochschule befriedigten sie nicht. Sie wollte nicht ein- oder zweimal pro Woche Flamenco-Unterricht geben, sie wollte mehr. Und die Schülerinnen an der VHS fühlten sich überfordert.

Im Polizeisportverein Kiel fand sie ihre neue künstlerische Heimat. Hier gründete sie das K-System, eine Formation, die sie als "Dance Company" bezeichnet. Eine Kindergruppe mit 25 Mitgliedern, darunter sechs "normale" Deutsche, die anderen Aussiedler oder Russinnen, soll später den Nachwuchs bilden. Die Jugendgruppe, 20 Mädchen zwischen 10 und 14 Jahren, alle aus Russland, kann schon eigene Auftritte absolvieren. Und die "erwachsene" Gruppe, die Elena Kraft trotzdem als "Mädchen" bezeichnet, besteht aus ungefähr 20 Mitgliedern zwischen 16 und 37 Jahren, zwei von ihnen männlich. Vier Mädchen (oder junge Frauen) kommen aus Kasachstan und gehörten dort schon ihrer Gruppe an, vier andere haben bereits in Russland Tanzausbildungen absolviert. Die Gruppe ist schon zur Polizeisportschau 2001 und 2002 aufgetreten, beim Kieler-Woche-Ball 2001, bei den Interkulturellen Wochen 2002 in Kiel und Ostholstein (Neustadt), beim Internationalen Gymnastiktreff - und eigentlich wollen alle viel öfter auftreten.

Die Kostüme hat Elena Kraft selbst genäht, den Stoff von ihrer knappen Sozialhilfe in Hamburg gekauft. Die Bühne, die sie brauchen, kann gar nicht groß genug sein, aber mit weniger als acht mal sechs Metern braucht man es gar nicht zu versuchen. Eine Musikanlage muss natürlich da sein, und 2003 soll auch ein 90-minütiges Show-Programm fertig sein.

Die Gruppe trainiert dreimal pro Woche, zusammen neun Stunden. Und das überfordert die Mitglieder nicht. Elena Sereguina, Russin, seit zweieinhalb Jahren hier und von Anfang an dabei, will mal Tanz- und Gymnastiklehrerin werden. Sie wünscht sich viele weitere Mitglieder der Dance Company K-System und mehr Auftrittsmöglichkeiten.

Auch Maria Saev, Aussiedlerin und seit zwei Jahren hier, ist der Meinung, dass neun Stunden Training pro Woche nötig sind. Sie steht kurz vor dem Abitur, aber sie hat bereits in Russland getanzt und hat deshalb hier gleich nach einer Gruppe gesucht, um mitzumachen.

Angelika Ubeikon studiert in Hamburg Mode-Design und kommt aus Kasachstan. Dort hat sie bereits beim Ballett von Elena Kraft mitgemacht, kam ein Jahr nach ihr als Aussiedlerin nach Kiel und traf sie hier zufällig wieder - keine Frage, dass sie sofort wieder mittanzen wollte.

Sofia Doubenskaia ist seit zwei Jahren hier und seit einem Jahr Mitglied vom K-System. Sie geht noch zur Schule, will aber demnächst Medizin studieren. Sie weist besonders darauf hin, dass die Gruppe dringend noch Jungs sucht. Die meisten, so nimmt sie an, glauben, dass Tanz und Ballett nur etwas für Mädchen sei - das stimmt nicht. Alle versprechen, dass Jungs, die mitmachen wollen, in der Gruppe gern gesehen sind und dass alle ihnen helfen, auch wenn die Vorkenntnisse nicht so gut sein sollten.

Das bestätigt Wladimir Brusilowski, der außer dem Mann und Sohn von Elena Kraft das einzige männliche Mitglied von K-System ist. Seit einem Jahr ist er dabei, und er hat es nicht bereut. Er besucht jetzt die 10. Klasse der Realschule und will später Gesang studieren.

Ähnlich exotisch wie das einzige männliche Mitglied der Gruppe ist Nadine Bader, sie stammt nämlich aus Kiel und ist seit März 2002 dabei. Sie hat einen Kurs an der Volkshochschule besucht, den Elena Kraft gab, und wechselte dann zum richtigen Training. Es war für sei ein wenig gewöhnungsbedürftig, dass alle Kommandos von der Lehrerin auf Russisch gegeben werden, aber inzwischen hat sie keine Probleme mit dem Verstehen. Und alle anderen können Russisch und Deutsch, und sie fühlte sich von Anfang an wohl.

Elena Kraft ergänzt noch, dass natürlich alle willkommen sind, die tanzen wollen - auch wenn sie arabisch, türkisch oder kroatisch sprechen. Was K-System allerdings dringend braucht, sind Sponsoren - gibt es nicht irgendwo eine Firma, die Kostüme und Fahrtkosten finanzieren kann und vielleicht eine junge Dance Company für ein Firmenjubiläum sucht? Gesucht wird auch ein "Manager", der Auftrittsmöglichkeiten herausfindet und organisiert.

Elena Kraft ist unter folgender eMail-Adresse zu erreichen: yelyur@gmx.de

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