(Gegenwind 180, September 2003

Streit um Standorte von Asylbewerberheimen

Zum Beispiel: Landkreis Ostvorpommern

Der bauliche Zustand, die schlechte Ausstattung und die Abgelegenheit vieler der nach 1990 in Mecklenburg-Vorpommern eingerichteten Asylbewerberheime hatten schon in den 90er Jahren Empörung hervorgerufen und zu zahlreichen Beschwerden geführt. Petitionen von Betroffenen und das Engagement antirassistischer Gruppen sowie einiger Politiker von SPD und PDS brachten das Thema in den Landtag.

Im Juli 2001 wurde schließlich vom Innenministerium der Regierungskoalition aus SPD und PDS eine neue Verordnung über "Mindestanforderungen an Art, Größe und Ausstattung von Gemeinschaftsunterkünften" verabschiedet, die bis Ende 2003 umgesetzt werden soll. Statt wie bisher 4,5 qm stehen den Flüchtlingen nun 6 qm Platz Wohnraum pro Kopf, Aufenthaltsräume, Teeküchen und Spielplätze für die Kinder zu, und die Häuser müssen sich in Ortslagen befinden.

Viele der Anlagen - in der linken Presse war oft von "Dschungelheimen" die Rede - entsprachen diesen Vorschriften nicht, so dass Schließungen unvermeidlich wurden.

Gegen die vorgesehenen neuen Standorte regte sich jedoch teilweise erbitterter Widerstand von lokalen Rechtsextremen, von der CDU, von Gewerbetreibenden und auch von Anwohnern: so in Bad Doberan, Neubrandenburg, Neustrelitz, Ducherow, Anklam, Wolgast, Grimmen, Jürgenstorf (Demmin) und neuerdings auch in Dabel (Sternberg).

Besonders aggressiv verliefen bzw. verlaufen die Auseinandersetzungen in den CDU-dominierten Landkreisen Nord- und Ostvorpommern.

Es folgt eine Dokumentation der nun schon anderthalb Jahre dauernden Querelen im Landkreis Ostvorpommern. Dort werden zwei Asylbewerberheime geschlossen: das eine, baufällig, in der Stadt Anklam, das andere im Dorf Zirchow bei Garz auf der Insel Usedom.

Als Alternativen standen bisher das einstige Hotel "Domitel" in Ducherow, die ehemalige Kriegsschule in Anklam und ein früheres Verwaltungsgebäude der Wolgaster Peene-Werft zur Diskussion.

Ducherow, April 2002

Eine Bürgerversammlung mit 400 Dorfbewohnern endet in wüsten rassistischen Tiraden und der Drohung an die anwesenden Gemeinderats- und Kreistagsvertreter, man werde sie "komplett abwählen", wenn sie für die Ansiedlung eines Asylbewerberheimes votieren würden. Das Landratsamt hatte vorgesehen, in dem leer stehenden "Domitel"-Hotelneubau am Stadtrand 150 Flüchtlinge unterzubringen. Der Investor einer geplanten Ferienanlage in Garz hatte angeboten, das Hotel in Ducherow zu kaufen und an den Landkreis zu vermieten.

Während der Versammlung wird behauptet, in der 2.400-Einwohner-Gemeinde seien die Asylbewerber nicht zu integrieren. Dem schließen sich die Kreistagsabgeordneten von CDU, SPD und PDS an. Eckfried Luth (PDS) erklärt, er sei "gegen eine solche Konzentration von Asylbewerbern". Andere Redner warnen vor "Afrikanern, die unsere Behinderten mit Messern angreifen".

Wie der Nordkurier berichtet, spricht die Pfarrerin von Ducherow in einer Sonntagspredigt von "Ausländern, die unsere Kriminalitätsrate drastisch ansteigen lassen und die wenig anpassungswillig sind". Bereits im Vorfeld war in Ducherow ein rechtes Flugblatt "gegen die Einführung von 150 Asylanten" verteilt worden.

Diese Vorgänge sorgen in den Medien bundesweit für Aufsehen.

Anklam, Juli 2002

Der Sozialausschuss des Kreistages befasst sich unter anderem mit dem geplanten Asylbewerberheim in Ducherow. Es liegt ein Schreiben des Regionalbüros Neubrandenburg des Vereins "Landesweite Opferberatung, Beistand und Information für Betroffene rechter Gewalt" (LOBBI e.V.) vor, das nachdrücklich davor warnt, das "Domitel" in Ducherow als Heim zu nutzen. "Wir haben den ganz deutlichen Eindruck, dass die Asylbewerber dort nicht willkommen sind. Und angesichts der gefestigten rechten Szene in dem Ort" sei möglicherweise auch die Sicherheit der Flüchtlinge nicht garantiert, meint Vereinsberater Kay Bolick. Eine Mitarbeiterin des Vereins sei bei der Einwohnerversammlung im April zugegen gewesen. Der Verein plädiert für eine dezentrale Unterbringung von Asylbewerbern in Wohnungen. Eine ähnliche Lösung schlägt auch der Wolgaster Bürgermeister Jürgen Kanehl (SPD) für seine Stadt vor. Vize-Landrat Gerwald Meesmann (CDU) wertet dies als Versuch, ein mögliches Asylbewerberheim in Wolgast zu vereiteln.

Anklam, September 2002

Ducherows Bürgermeister Bernd Schubert (CDU) nimmt als Gast an der Sitzung des Sozialausschusses des Landkreises teil, bei der u. a. die Asylplanung auf der Tagesordnung steht.

Der Ausschussvorsitzende Heinz-Peter Kissel (CDU) teilt mit, dass im Falle der Nutzung des Domitel als Asylbewerberunterkunft der Flächennutzungsplan der Gemeinde für das Gewerbegebiet, in dem die Herberge steht, geändert werden müsste. Und dazu seien die Gemeindevertreter wohl auf keinen Fall bereit. Kissel informiert darüber, dass die Greifswalder Wohnungsgenossenschaft angeboten habe, für Asylbewerber des Landkreises Ostvorpommern Wohnungen aus ihrem Bestand zur Verfügung zu stellen. Damit sei zugleich die Integration in eine größere Stadt möglich.

Vizelandrat Dr. Gerwald Meesmann berichtet, der Kreisverwaltung seien zwei weitere mögliche Standorte angetragen worden: ein ehemaliges Verwaltungsgebäude der Wolgaster Peene-Werft und die so genannte alte Kriegsschule in der Friedländer Straße in Anklam. Nur das Erdgeschoss dieses 1870 erbauten und seit längerer Zeit leer stehenden Gebäudes könne derzeit genutzt werden, aber die Stadt vertrete die Meinung, das sei erheblich besser, als den Bau weiter ungenutzt zu lassen und ihn damit weiterem Verfall preiszugeben.

Gespräche mit den beiden Wolgaster Wohnungsunternehmen seien bisher ergebnislos verlaufen.

Wolgast, Oktober 2002

Ein Flugblatt, entworfen von einer eigens gegründeten Initiative "Schöner wohnen in Wolgast", macht Stimmung gegen den Plan, ein Asylbewerberheim in der Stadt einzurichten.

Anklam, November 2002

Der CDU-Kreisvorstand befasst sich bei seiner Sitzung am 2. November unter anderem mit den in Anklam herrschenden Bedenken gegen die Nutzung der Alten Kriegsschule als Asylbewerberheim. "Jetzt ist die Politik gefordert", meint der Ortsvorsitzende Karl-Dieter Lehrkamp (auch im Kreisvorstand) gegenüber dem Nordkurier. Man habe Wortmeldungen aus der Bevölkerung gesammelt, bislang aber zu dem Thema geschwiegen: "Wir wollten nicht die ersten sein, die losschreien", so Lehrkamp.

"Unsensibel" nennen zwei Kreistagsabgeordnete der CDU das Vorhaben, "ausgerechnet an einer Hauptverkehrsstraße (B197) und ausgerechnet in unmittelbarer Nähe zur Südstadt als dem sozialen Brennpunkt Anklams" ein Heim unterzubringen; es sei dort "völlig deplaziert". Die beiden Abgeordneten wollen "vorerst noch" namentlich ungenannt bleiben.

Edwin Hübner, Inhaber der Diskothek "Club" in der Nachbarschaft der Alten Kriegsschule, spricht sich ebenfalls gegen die Heimpläne aus. "Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass man damit einen Brennpunkt schaffen würde", sagt er dem Nordkurier und betont, dass "wir das Ohr an der Masse haben". Er hält "den Standort in der Friedländer Landstraße für ungeeignet". In einem Telefongespräch habe er bereits Bürgermeister Michael Galander (parteilos) über seine Bedenken informiert; er will auch mit den anderen beteiligten Gremien sprechen. Eine Unterschriftensammlung, über deren Vorbereitung in Anklam spekuliert wird, sei für ihn erst das letzte Mittel.

Zirchow, 30. November 2002

In dem Asylbewerberheim auf der Insel Usedom bricht ein Feuer aus, durch das eines der beiden Gebäude - sie gehören dem Bundesvermögensamt, Rostock - halb zerstört wird. Ein 14-Jähriger kommt mit einer Rauchvergiftung ins Krankenhaus. Als Brandursache vermutet die Polizei Unvorsichtigkeit. Der Schaden wird auf eine halbe Million Euro geschätzt.

Anklam, Dezember 2002

Der CDU-Ortsverband wendet sich erneut gegen die Pläne, die Alte Kriegsschule als Asylbewerberheim zu nutzen. "Wir tragen das politisch nicht mit", sagt Ortsvorsitzender Karl-Dieter Lehrkamp dem Nordkurier. Es drohe die Gefahr, "Anklam mit Asylbewerbern zu überfrachten". Es werde nicht bei nur zwei Etagen in der Kriegsschule bleiben; sollten die Kapazitäten im Kreis künftig wieder knapp werden, dann sei klar, dass die dritte Etage hinzukomme. "Eine derartige Konzentration in der Südstadt führt unweigerlich zu Konflikten mit der Bevölkerung", prognostiziert Lehrkamp. Die Stadt habe in jüngster Zeit viele Spätaussiedler aufgenommen, so dass man nun "Angst vor Überfrachtung" habe. Lehrkamp plädiert für die Unterbringung der Flüchtlinge in kleineren Heimen, "möglichst getrennt nach ethnischen Gruppen".

Der frühere Anklamer Vize-Landrat Karl-Heinz Krüger, berufener Bürger im Sozialausschuss, behauptet, "die größten Bedenken in der Bevölkerung richten sich gegen die Anzahl der unterzubringenden Bewerber. Statt 150 könnten plötzlich 220 drin sein." Ein CDU-Abgeordneter kündigt während der Kreistagssitzung an, "dass er innerhalb von 14 Tagen 10.000 Unterschriften" vorlegen könne.

Die Kreistagsabgeordneten beschließen gleichwohl, Vertragsverhandlungen mit der städtischen Grundstücks- und Wohnungswirtschafts-GmbH (GWA) über die Nutzung der Alten Kriegsschule aufzunehmen. Zuvor scheitert ein SPD-Antrag, die Gespräche so lange zurückzustellen, bis in Anklam ein politischer Konsens zu dem Thema bestehe.

Inzwischen hat in der Stadt eine Unterschriftensammlung unter dem Motto "Sicher wohnen in Anklam" begonnen. Die Initiatoren verweisen auf Zwischenfälle "mit jugendlichen, gewaltbereiten Aussiedlern". Der Nordkurier berichtet, erstmals in der Anklamer Geschichte zeichne sich die Möglichkeit eines Bürgerbegehrens ab. Fünf Prozent der insgesamt 15.200 Einwohner müssten dafür unterschreiben, "und diese Hürde würden wir mit Sicherheit überspringen", so Edwin Hübner ("Club"), während der Einwohnerfragestunde der Stadtvertretung. Er übergibt Bürgermeister Michael Galander (parteilos) 1200 Unterschriften.

Hübner fürchtet "Spannungen angesichts der Nähe zur Südstadt als dem sozialen Brennpunkt Anklams". "Und wir wären wieder mittendrin", warnt er und verweist "auf die Probleme in Anklam mit gewaltbereiten Aussiedlern". "Krawalle sind vorprogrammiert", stimmt der Abgeordnete Wolfgang Krüger (CDU) zu. Bürgermeister Galander antwortet, als Aufsichtsratschef der GWA würde er es begrüßen, wenn die alte Kriegsschule nach langem Leerstand wieder vermietet werden könnte. Er fügt hinzu, die Asylbewerber in Anklam bereiteten kaum Probleme - wohl aber einige Spätaussiedler, denen er "organisierte Beschaffungskriminalität" bescheinigt.

Autohändler Dirk Engels behauptet, auf das Konto der im einstigen Hotel "Anklam" untergebrachten Asylbewerber gingen Ladendiebstähle in umliegenden Geschäften. Gewerbetreibende erlitten wegen der Nähe zum Heim Umsatzeinbußen. Daraufhin platzt Rolf Koehler (SPD) der Kragen: Es sei "etwas ganz Schlimmes", Schreckgespenster an die Wand zu malen. Auch dass während der Debatte den Rednern mehrfach der - falsche - Begriff "Asylant" herausrutschte, sieht Koehler als Beleg für "eine latente Einstellung" (sic).

Empörung löst die Diskussion ebenfalls bei den Vertretern des antifaschistischen Bündnisses "Bunt statt Braun" aus. Der Intendant des Anklamer Theaters, Piet Oltmanns, wird im Nordkurier zitiert: "Besorgte Bürger wie Herr Hübner machen damit die Arbeit der Rassisten, die sich entspannt zurücklehnen können."

Die linksalternative Homepage links-lang.de veröffentlicht am 20. Dezember eine Stellungnahme des Anklamer Stadtvertreters und PDS-Kreisvorstandsmitglieds Nico Lamprecht. Er zeigt sich "entsetzt" über die zurückliegende Stadtverordnetenversammlung, auf der vor allem Funktionäre der CDU massive Vorurteile offenbart hätten: Lamprecht spricht von "rassistischer Hetze".

Anklam, Januar 2003

Der CDU-Ortsvorsitzende Karl-Dieter Lehrkamp antwortet für die Vorwürfe, das Thema sei äußerst sensibel, Hysterie wolle man nicht verbreiten. "Politisch aber bleibe man bei der Ablehnung und werde dies auch im Abstimmungsverhalten demonstrieren, wenn ein Votum des Stadtparlaments nötig sei."

Vize-Landrat Armin Schönfelder (CDU) sagt dem Nordkurier, in der Kreisverwaltung sei man bereit, mit Bürgerinitiativen ins Gespräch zu kommen, die sich gegen mögliche Standorte für ein Asylbewerberheim richten. Bisher liege aber nichts Schriftliches vor. Er fügt hinzu: "Die Bürger sollten nicht nur Argumente gegen, sondern auch mal für eine solche Unterkunft sammeln und eine andersartige Kultur als Chance sehen."

Der Aufsichtsrat der GWA hat einer grundsätzlichen Vermietung als Asylbewerberheim zugestimmt. Mit Billigung des Kreistages beginnen Verhandlungen zwischen dem Landkreis Ostvorpommern als potenziellem Mieter und dem Eigentümer der Immobilie über Mietpreis und Konditionen. Die Kosten der Sanierung der ersten beiden Etagen werden auf über eine Million Euro geschätzt.

Das ehemalige Polizeigebäude neben der Kriegssschule wird nun ebenfalls als Standort für ein Asylbewerberheim angeboten. Der Besitzer Lutz Begrow (Hotel "Pirol" in Korswandt), berichtet dem Nordkurier, er habe diesen Vorschlag bereits im Mai des vergangenen Jahres dem damaligen Vize-Landrat Gerwald Meesmann (CDU) unterbreitet. Der habe mit der Begründung abgelehnt, durch die Lage wären "soziale Spannungen" vorprogrammiert.

Begrow plant eigentlich, das Polizeigebäude zu einem Wohnblock für ältere Menschen umzubauen, hält das Haus aber im Fall des benachbarten Betriebs eines Asylbewerberheims nicht für vermietbar.

Die linke Tageszeitung junge Welt (Berlin) publiziert am 25. Januar unter der Überschrift "Arbeit der Rassisten besorgt. In Mecklenburg-Vorpommern machen Bürger mobil gegen neue Asylbewerberheime" einen ausführlichen Artikel über die Auseinandersetzungen in der Region.

Auf der Homepage des Stralsunder Neo­nazis Axel Möller (stoertebeker.net) wird der "hartnäckige Widerstand breitester Bevölkerungskreise gegen die geplante Errichtung eines Asylantenheimes" gefeiert.

Wolgast, Januar 2003

Bürgermeister Jürgen Kanehl (SPD) weist die Verteilung des Flugblatts "Bürger, wacht auf!" der Initiative "Schöner wohnen in Wolgast" als untauglichen Versuch, unter der Stadtbevölkerung Stimmung und Unruhe zu schüren, zurück.

Anklam, Februar 2003

Ein Vertreter der Ostsee-Zeitung besucht das baufällige Asylbewerberheim in der Demminer Straße und stellt fest, dass die rund 60 Bewohner noch nicht über die geplante Schließung informiert sind. Die Leiterin des Heims gibt zu, anfangs von den baulichen Zuständen im Haus schockiert gewesen zu sein, die sie sogar als "menschenunwürdig" bezeichnet. Der Reporter registriert zugige Fenster, ungedämmte Wände, unansehnliche Wasch- und Duschräume.

Die Ungewissheit über ihre künftige Unterbringung beunruhigt die Flüchtlinge. Sie erzählen, dass sich anfängliche Anfeindungen von Einheimischen inzwischen gelegt hätten.

Wolgast, Februar 2003

Der Präventionsrat von Wolgast verständigt sich auf Schwerpunkte der Arbeit 2003. Eine Vielzahl von Veranstaltungen werden geplant, darunter "Sport statt Gewalt", Theateraufführungen und Ausstellungen, eine Antigewaltwoche im November, ein internationales Jugendcamp und ein Kinderferienspektakel. Sie sollen die Ideen der Toleranz und des gewaltfreien Miteinanders fördern.

In der Debatte wird deutlich, dass der Rat offensiver werden müsse, wenn es um das Zurückdrängen rechtsextremen Gedankengutes oder die Aufklärung über ein künftiges Asylbewerberheim in der Stadt geht.

Wolgast, April 2003

Die Ostsee-Zeitung bezeichnet das geplante Asylbewerberheim "als Chance für die Stadt und die Integration Fremder" und spricht die Erwartung aus, dass "uns dann ein neues Rostock-Lichtenhagen erspart" bleibe.

Die Initiative "Schöner wohnen in Wolgast" hat nach eigenen Angaben 384 Unterschriften gegen die Ansiedlung eines Asylbewerberheimes gesammelt. Bürgermeister Jürgen Kanehl hält das angesichts der Einwohnerzahl von Wolgast (rund 13.000) für "nicht gerade repräsentativ".

Wolgast, Juni 2003

Die Verhandlungen mit der Peene-Werft dauern an. Die Mitglieder des ostvorpommerschen Sozialausschusses besichtigen das ehemalige Verwaltungsgebäude unmittelbar neben der Werft, das 150 Asylbewerbern Raum böte. Über den baulichen Zustand äußern sie sich befriedigt. Ein Mietvertrag über eine Laufzeit von zehn Jahren soll geschlossen werden.

Anklam, Juni 2003

Lothar Salzsieder, Geschäftsführer der GWA, reicht ein überarbeitetes Angebot für den Standort Alte Kriegsschule ein.

Wolgast, Juli 2003

Vize-Landrat Armin Schönfelder (CDU) trifft mit Vertretern des Landesamtes für Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten, der Wolgaster Peenewerft als potenzieller Vermieterin und Verwaltungsmitarbeitern zusammen, um Details des Vertrages zu klären. Eine Entscheidung wird für Mitte Juli erwartet.

Am 17.07. berichtet die Berliner Zeitung ausführlich über rechtsextreme Aktionen gegen das geplante Asylbewerberheim ("Die Saubermänner von Wolgast"). In dem Artikel heißt es: "»Lichtenhagen, Solingen, Mölln, Wolgast?« haben Unbekannte in Schwarz an den leer stehenden Plattenbau im Wolgaster Hafen gepinselt. (...) Die Rechten haben Wurfsendungen verteilt und Plakate geklebt in der Stadt - nachts, wenn keiner es sah. Der Tenor war immer derselbe: Die Asylbewerber würden die Stadt krimineller machen und stellten eine Gefahr dar."

Die taz (Berlin) bringt am 23. Juli einen langen Artikel unter der Überschrift: "Integration stößt auf massiven Widerstand. Rechtsextremisten wollen Asylbewerberheim in Wolgast verhindern. Bürgermeister lässt sich nicht einschüchtern". Berichtet wird u.a., dass der Kreisverband Ostvorpommern der NPD auf seiner Homepage detailliert die geplante Lage des Heims beschreibe und unter Verweis auf den nahen Fluss Peene kommentiere: "Mal sehen, wann die ersten baden gehen."

Bürgermeister Kanehl äußert sich der taz gegenüber überzeugt, dass die Asylbewerber in ihrer neuen Unterkunft nicht akut gefährdet seien. "Die rechte Szene hier in der Gegend ist zurzeit in keiner Weise auf Gewalt aus", sagt er. Es sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Rechten versuchten, Jugendliche zu Straftaten gegen die Asylbewerber aufzuwiegeln. Sich selbst wollten sie derzeit als Saubermänner darstellen: "Die Rechten versuchen, Emotionen anzusprechen: Hier sind wir, die Deutschen - und dort die Ausländer, die sind krimineller als wir." In der Bevölkerung hätten sie mit dieser Strategie jedoch kaum Anhänger.

Am 26. Juli findet ein Aufmarsch von über 400 Rechtsextremen gegen die im nahe gelegenen Peenemünde eröffneten "Wehrmachtsausstellung" statt. Kanehl empfiehlt, die Demonstration zu ignorieren. Einziger Protest der Stadt Wolgast: ein "Fest der Kulturen" auf dem Marktplatz und eine damit verbundene Plakat­aktion; alle Plakate sind von Nazis umgehend wieder abgerissen worden.

Wolgast, August 2003

Wolf-Christoph Trzeba, Direktor des Landesamtes für Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten in Horst, erklärt die Verhandlungen mit der Peene-Werft für gescheitert. Der Wolgaster Stadtvertreter und stellvertretende PDS- Kreisvorsitzende Lars Bergemann fordert daraufhin: "Das Asylbewerberheim muss nach Wolgast. Alle Beteiligten sollten sich jetzt an einen Tisch setzen."

Nun äußert die Polizei Vorbehalte: Das Gelände sei viel zu abgelegen und begünstige damit die Ghetto-Bildung; außerdem könnte es einsatztaktische Schwierigkeiten geben, sollte es dort zu Zwischenfällen mit Rechten kommen. Deshalb, so ein höherer Beamter, "wäre uns ein Heim in der relativ zentral gelegenen alten Kriegsschule in Anklam lieber".

Die Jugendgruppe bei der PDS Wolgast bietet der Geschäftsführung der PeeneWerft an, die Losungen an dem als Asylbewerberheim geplanten Gebäude zu überstreichen. Man dürfe die jüngsten rechtsextremen Schmierereien in der Stadt Wolgast nicht tatenlos hinnehmen.

Anklam, August 2003

Die Alte Kriegsschule kommt als Standort wieder ins Gespräch. Und kein Ende in Sicht...

Cristina Fischer

Zusammengestellt nach Meldungen aus der Ostseezeitung, dem Nordkurier und anderen Medien.

Ein 60-seitiger Pressespiegel (Word-Datei) über die Auseinandersetzungen um die Asylbewerberheime in Mecklenburg-Vorpommern 2002 und 2003 sowie Hintergrundmaterial (23 Seiten) zur Situation von Flüchtlingen in Mecklenburg-Vorpommern können unter folgender Mail-Adresse angefordert werden: argumente@t-online.de.

Zur Startseite Hinweise zu Haftung, Urheberrecht und Datenschutz Kontakt/Impressum