(Gegenwind 178, Juli 2003

Preis für Toleranz und Solidarität

Wirklich verdient

Alle zwei Jahre verleihen die Gewerkschaft GEW (Schleswig-Holstein) und der Wilhelm-Strech-Fonds einen Preis für Toleranz und Solidarität. Der Preis, der mit 3000 Euro dotiert ist, wurde auch in diesem Jahr wieder gedrittelt. Das lag, wie vor zwei Jahren (vgl. Gegenwind 155, August 2001), daran, dass viele Menschen aus ganz Schleswig-Holstein so viele gute Initiativen und Projekte vorgeschlagen hatten, dass die Jury sich nicht entschließen konnte, alle bis auf eine leer ausgehen zu lassen.

Die drei Preisträger waren in diesem Jahr: Gruppe 33 (Ahrensbök), Fremde brauchen Freunde (Nordfriesland) und der Zirkus Steinetti (Mölln).

Gruppe 33

Gruppe 33

Die Arbeitsgemeinschaft für Zeitgeschichte in Ahrensbök hat sich die Aufarbeitung des Nationalsozialismus im Ort zum Ziel gesetzt. Kristallisationspunkt ist das einzige erhaltene KZ-Gebäude Schleswig-Holsteins, das im Ort steht und inzwischen zu einer Gedenkstätte umgewandelt werden konnte. Die Arbeit selbst ging aber weit darüber hinaus. So wurde in einer Ausstellung zur Eröffnung der Gedenkstätte nicht nur an die Geschichte des KZ erinnert, sondern auch an Zwangsarbeit und die Todesmärsche von KZ-Häftlingen zum Ende des Krieges, von denen einer durch Ahrensbök führte. Die Ausstellung verfolgte darüber hinaus bis in die achtziger Jahre nach, wie die Verantwortlichen von der deutschen Justiz behandelt oder, besser gesagt, geschützt wurden.

Innerhalb des Ortes begegnet die Initiative nicht nur Wohlwollen und Sympathie, eher im Gegenteil. So bedankte sich auch Barbara Braß als Vertreterin der Gruppe 33 bei dem Wilhelm-Strech-Fonds für die Auszeichnung mit dem Hinweis, dass eine solche Anerkennung relativ selten und in Ahrensbök selbst besonders selten erlebt wird.

Fremde brauchen Freunde

Fremde brauchen Freunde

Wenig spektakulär ist dieser Zusammenschluss in Nordfriesland. Seit mehr als zehn Jahren, seit der Abschaffung des Asylrechtes, unterstützt diese Bürgerinitiative hauptsächlich Flüchtlinge, aber setzt sich auch für alle anderen Ausländerinnen und Ausländer, "Fremde" eben, ein. Das geschieht durch persönliche Beratung und Unterstützung im Einzelfall, aber auch durch die Veranstaltung von offenen Feiern und Festen. Mehrere Jahre lang wurde ein großes Sommerfest im Schlosspark von Husum organisiert.

Gerade weil diese Arbeit wenig spektakulär ist, schien sie für den Wilhelm-Strech-Fonds eine Auszeichnung wert. Denn gerade die jahrelange Alltagsarbeit führt auch bei allen, die diese gelebte Solidarität aus der Nähe beobachten, zu einem Gewöhnungseffekt. Fremde brauchen Freunde gibt es eben schon seit so langer Zeit in Nordfriesland, dass sie kaum noch als "besonders" wahrgenommen wird - es sei denn, man schaut sich mal in Dithmarschen oder Lauenburg um.

Zirkus Steinetti

Steinetti

Die Schule Steinfeld in Mölln ist eine Schule für behinderte Kinder. "Toleranz" und "Solidarität" sind hier besonders schwer zu mobilisieren - die meisten Menschen haben Berührungsangst, die Wohlmeinenden kommen über Mitleid selten hinaus.

Mit dem Zirkus Steinetti, in dem die Kindern zaubern, jonglieren und artistische Kunststücke zeigen, wurden nicht nur Hunderte von anderen Schülerinnen und Schülern unterhalten, sondern hier haben auch Kinder mit Behinderung deutlich gezeigt, was sie können - sonst wird Behinderung ja nur als Mangel wahrgenommen. Damit ist sicherlich vielen anderen die Berührungsangst genommen worden, aber auch die kleinen Künstlerinnen und Künstler selbst haben für das, was sie in der Schule einstudiert haben, Beifall und Anerkennung bekommen. Auch nach der Preisvergabe hielten die Kinder keine lange Dankesrede, sondern zeigten einfach ein paar Kunststücke und bewiesen damit, dass sie mindestens ein Drittel des Preises auch verdient haben.

Reinhard Pohl

(Siehe dazu auch den Beitrag Ahrensbök im Nationalsozialismus)

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