(Gegenwind 178, Juli 2003

Schwarz-grüne Kooperation in der Ratsversammlung Kiel

"... nicht mit wechselnden Mehrheiten arbeiten"

Lutz Oschmann

Die Kommunalwahl in Kiel endete im März mit einer Überraschung: Die seit Ewigkeiten "rot" regierte Stadt erhielt eine CDU-Oberbürgermeisterin, Angelika Volquartz. Die CDU erhielt auch eine Mehrheit in der Ratversammlung, die 49 Sitze teilen sich drei Parteien. 24 Sitze gingen an die CDU, 18 an die SPD und 7 an die Grünen. Damit konnten rechnerisch jeweils zwei Parteien gemeinsam eine Mehrheit erreichen. Anfang Juni kam es überraschend zu einer schwarz-grünen Einigung, die Kooperationsvereinbarung soll für die gesamte Legislaturperiode gelten. Wir sprachen mit dem grünen Fraktionsvorsitzenden Lutz Oschmann.

Gegenwind:

Im März wurde die CDU-Kandidatin Angelika Volquartz mit absoluter Mehrheit als Oberbürgermeisterin gewählt. Jetzt gibt es eine schwarz-grüne Vereinbarung, die Politik in den nächsten Jahren gemeinsam zu gestalten. Wie kam es, dass die Grünen jetzt mit den Schwarzen kooperieren?

Lutz Oschmann:

Nach der Kommunalwahl, in der die SPD über 15 Prozent verlor und die CDU und die Grünen stark gewannen, haben wir mit beiden Fraktionen jeweils sechs Sondierungsgespräche geführt, um dann für uns zu entscheiden, mit wem wir weiter verhandeln. Bevor wir intern entschieden, gab es einen SPD-Parteitag. Dort beschloss die SPD ausdrücklich, mit den Grünen nicht weiter zu verhandeln, sondern man wollte eine punktuelle Zusammenarbeit mit der CDU. Wir hatten immer gesagt, wir brauchen eine feste Kooperation, man kann nicht fünf Jahre lang Politik zusammen machen, wenn man nur bestimmte Punkte vereinbart, es muss schon die gesamte Palette sein. Wechselnde Mehrheiten sind zwar interessant und spannend, bei knappen Finanzen aber sehr gefährlich, weil das noch viel teurer wird. Für uns war klar: Wenn die SPD nicht will, müssen wir gucken, ob wir uns mit der CDU einigen können. Das Ergebnis zeigt, dass das gelungen ist, mit dem Ergebnis können wir Grünen gut leben.

Gegenwind:

War die SPD ursprünglich dein Wunschpartner?

Lutz Oschmann:

Ich habe im Wahlkampf immer gesagt, dass die SPD erster Ansprechpartner ist. Das ist auch nicht überraschend - wir haben eine Koalition im Land und im Bund, und wir hatten vier Jahre rot-grüne Kooperation in der Ratsversammlung, die erfolgreich gelaufen ist. Aber die Sondierungsgespräche zeigten schon, dass es nicht die große Liebe war. Und den Sozialdemokraten ist es sehr schwer gefallen, die Realität zu akzeptieren, dass sie nun nicht mehr die stärkste Fraktion sind, dass sie nicht mehr die absolute Mehrheit haben. Da müssen sie noch etwas lernen.

Gegenwind:

Wo liegen denn die Gemeinsamkeiten mit der CDU?

Lutz Oschmann:

Wir wollen den Haushalt sanieren, wir wollen die Verwaltungsreform voran treiben, wir haben eine Einigung über die Prioritäten bei den Investitionen, das ist die Schulbausanierung, und wir wollen Kiel weiterentwickeln zu einer modernen, weltoffenen und toleranten Stadt.

Gegenwind:

Die Kommunalverfassung gibt der direkt gewählten Oberbürgermeisterin eine große Macht. Besteht nicht die Gefahr, dass die Oberbürgermeisterin im Alltag alleine handelt, durchzieht, und die Öffentlichkeit die Grünen mit dafür verantwortlich macht?

Lutz Oschmann:

Das ist sicherlich eine mögliche Gefahr, das wäre aber bei einem Oberbürgermeister der SPD genauso der Fall. Wir haben in der Kooperationsvereinbarung festgelegt, dass es keine Beschlüsse gibt, die nicht miteinander abgesprochen sind. Entweder gibt es gemeinsame Anträge von CDU und Grünen, beim Haushalt ist das ganz klar, oder es gibt Anträge, die abgesprochen sind. Es muss aber immer eine Einigung sein, insofern ist auch die Oberbürgermeisterin gehalten, ihre Mehrheit in der Ratsversammlung zu suchen. Wichtige Personalfragen müssen im Hauptausschuss geklärt werden, dort ist die schwarz-grüne Mehrheit gefordert.

Gegenwind:

Besteht die Gefahr, dass die CDU-Abgeordneten in einzelnen Fragen doch eine gemeinsame Mehrheit mit der SPD suchen?

Lutz Oschmann:

Im Moment sehe ich diese Gefahr überhaupt nicht. Die Vereinbarung wurden von beiden Parteien mit riesengroßen Mehrheiten verabschiedet. Ich habe zum Fraktionsvorsitzenden der CDU ein gutes, vertrauensvolles Verhältnis und kann mich da auf Absprachen verlassen. Wir haben vereinbart, dass wir nicht mit wechselnden Mehrheiten arbeiten.

Gegenwind:

Beim Lesen des Kooperationsvertrages fiel mir auf, dass er einerseits durchgehend "grün" klingt, aber bei Streitfragen bleibt er unkonkret. Wie ist diese Vereinbarung zustande gekommen, und reicht das für fünf Jahre?

Lutz Oschmann:

Sachpunkte, in denen es deutliche Unterschiede gibt, müssen besonders behandelt werden. Da ist es fair zu sagen, die CDU hat diese Vorstellung, die Grünen haben jene Vorstellungen, und da müssen wir uns auf ein Vorgehen einigen. Das ist in vielen Punkten gemacht worden, ich nenne den geplanten Flughafen-Ausbau und den Straßenbau, oder auch die innere Sicherheit. Wie soll es anders sein?

Gegenwind:

Bleiben wir doch bei diesem Punkt. Wie wird es mit dem Flughafen weiter gehen?

Lutz Oschmann:

Als nächstes muss der Bericht des Landesrechnungshofes über die Planungen und ihre Kosten vorgelegt werden. Wir werden ihn wahrscheinlich erst im August diskutieren, und da geht es hauptsächlich um die Investitionskosten. Dann stellt sich die Frage, wie realistisch sind bisher die Budget-Abschätzungen gewesen. Wir werden diesen Bericht auch in der Ratsversammlung diskutieren, und ich bin guten Mutes, dass unsere Behauptung, es ist schon immer mit getürkten Zahlen gearbeitet worden, dann auch noch mal für die Öffentlichkeit deutlich wird.

Gegenwind:

Welche Entwicklung haben wir bei der Inneren Sicherheit zu erwarten? Angelika Volquartz hat ja jetzt, gerade mal zwei Tage im Amt, die Zerschlagung der offenen Drogenszene mit polizeilichen Mitteln angekündigt.

Lutz Oschmann:

Was die Polizei jetzt machen will mit der Drogenszene am Sophienhof, das hat die Polizei schon länger angekündigt, auch schon vor einem halben Jahr. Das ist rechtlich in Ordnung, aber es wird natürlich damit die Drogenabhängigkeit nicht beseitigt. Die Leute werden verdrängt. Wir müssen genauso viel in der Prävention machen und in der Substitution, um die Menschen wieder in ein normales Leben zurückzuholen, mit Ausbildung und Arbeitsplätzen.

Kieler Rathaus

Gegenwind:

Bekanntermaßen gibt es ein Lieblingsprojekt des grünen Fraktionsvorsitzenden, das ist die StadtRegionalBahn. Was ist da mit der CDU machbar?

Lutz Oschmann:

Es wird weiter an der Voruntersuchung gearbeitet. Zwischenergebnisse wird es im Herbst geben, ein Endergebnis Ende 2003. Die CDU ist gegenüber der StadtRegionalBahn immer offener gewesen als die SPD, der SPD-Oberbürgermeisterkandidat Fenske war im Wahlkampf sehr reserviert gegenüber der StadtRegionalBahn. Dabei gibt es zwei einstimmige Beschlüsse des Rates, dass das als positives Projekt gesehen wird. Wenn die Voruntersuchung vorliegt, müssen wir entscheiden, ob wir noch mal Geld in die Hand nehmen für die standardisierte Bewertung, also eine Nutzen-Kosten-Analyse. Das ist die Voraussetzung dafür, um beim Bund Mittel beantragen zu können. Aber da sehe ich mit der CDU keine Probleme, weil sie das auch in der Vergangenheit immer mit getragen hat. Ich habe auch immer gesagt, es muss ein gutes Nutzen-Kosten-Verhältnis rauskommen, damit wir mit gutem Gewissen ein solch großes Projekt angehen können. Das kann man nicht nur machen, weil man die Schiene liebt, sondern es muss sich für Kiel auch wirklich rechnen. Die Gutachter haben immer gesagt, Kiel ist gut geeignet, und die Umlandgemeinden sind auch dafür. Für Kiel wäre es schön, wenn wir einen Öffentlichen Personennahverkehr hätten, der modern ist, bequem, die Leute anzieht, Verkehrsverlagerungen organisieren kann. Der Münchener Oberbürgermeister Ude hat in einem Referat gesagt, ein guter ÖPNV ist die beste Wirtschaftsförderung, die es gibt, und wichtiger als die Anbindung über eine Autobahn oder einen Flughafen.

Gegenwind:

Im letzten Herbst wurde über die weitere Finanzierung des Kommunikationszentrums Pumpe gestritten. Es gab Probleme mit der Vorstandsbesetzung und dem Konzept, dann wurden die Gelder gesperrt, einstimmig mit Zustimmung der Grünen. Dann kam überraschend der Antrag der CDU, die Pumpe zu schließen. Wird es jetzt unter CDU-Mehrheit mit der Pumpe weitergehen?

Lutz Oschmann:

Unter einer Mehrheit CDU-Grüne wird die Pumpe weitergeführt werden. Wir müssen natürlich ein neues Konzept haben. Außerdem müssen wir mehr Initiativen in die Pumpen-Arbeit einbinden. Es muss einen neuen Schwung geben. Aber die Pumpe ist für uns ein wichtiges Zentrum der Kommunikation, und das soll weitergeführt werden.

Gegenwind:

Wie soll die Haushaltssanierung weitergehen? Der bisherige Oberbürgermeister Gansel (SPD) hat ja Ausverkauf gemacht, der Verkauf städtischen Eigentums ist fast beendet, nur der Verkauf der Stadtwerke muss jetzt noch mal korrigiert werden, weil der Käufer TXU insolvent ist. Wenn nichts mehr zu verkaufen ist, was dann? Oder muss die Stadt vielleicht die Stadtwerke zurück kaufen?

Lutz Oschmann:

Die Finanzlage ist dramatisch. Der größte Teil des Tafelsilbers ist verkauft, und es kann nur einmal verkauft werden. Diese Politik ist auf keinen Fall nachhaltig. Wir werden die Anteile der Stadtwerke auf keinen Fall zurückkaufen, das ist absurd, wo sollen wir das Geld hernehmen! Es wird einen Nachfolger als Mehrheitsgesellschafter geben, und wir bekommen einen Ausgleich aus der Vertragsstrafe. Die TXU muss ja 20 Prozent des Verkaufspreises bezahlen, wenn sie sich vor Ablauf von 10 Jahren von ihrem Anteil trennt. Das muss man jetzt natürlich mit der Insolvenzquote von 50 oder 60 Prozent multiplizieren, aber das bringt doch eine echte Summe für den Haushalt ein. Ansonsten müssen wir den Haushalt intern sanieren. Dabei setzen wir auf die Gemeindefinanzreform mit einer modernisierten Gewerbesteuer und auf die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe, die dann der Bund bezahlen wird. Wir müssen eine Verwaltungsreform machen, wir werden die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rathaus verringern, natürlich ohne Kündigungen. Das wird nur gehen in Zusammenarbeit mit dem Personalrat und die natürliche Fluktuation eröffnet uns Spielräume. Aber wir müssen die Personalkosten senken.

Das Interview führte Reinhard Pohl.

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