(Gegenwind 171, Dezember 2002)
Ein relativ unspektakuläres Thema für seinen Dokumentarfilm Bowling for Columbine hatte Filmemacher Michael Moore sich da ausgesucht: Waffenbesitz gehört in den USA zum Alltag wie Auto oder Fernseher. Schließlich müssen Eigentum und Familie vor Verbrechern geschützt werden. Fast keiner regt sich darüber auf, fast jeder findet dies gut und richtig.
Und natürlich ist die Betroffenheit für ein paar Tage groß, wenn zwei Jugendliche Waffen horten, in ihrer Schule Amok laufen und dabei zwölf Mitschüler und einen Lehrer töten - wie zuletzt im Jahre 1999 an der Columbine High School in Littleton geschehen. Die Öffentlichkeit ist kurz geschockt, geht jedoch wenig später wieder zur Normalität über.
Das Besondere an Moores Film ist nun, dass er versucht, eine Analyse dieser waffenstarrenden US-Normalität zu liefern (die jährlich über 11.000 Tote fordert!) - und das auf eine ebenso witzige wie provokante Weise. So werden Werbefilmchen, Interviews mit Waffenlobbyisten, Opferschicksale und abseitige Selbstversuche zu einer schnellen, sarkastisch-pointierten Collage montiert, die zwar durchaus polemisch präsentiert wird, dennoch ein großes Spektrum von Meinungen zu Wort kommen lässt.
Doch Moore geht noch weiter: Er will nichts weniger als die Psyche eines gesamten Landes (am Beispiel der Befindlichkeit der weißen Mittelschicht der Vorstädte) anhand dieses auffälligen Phänomens bloßlegen. Er kommt dabei zu dem beunruhigenden Ergebnis, dass die Gesellschaft der USA anscheinend auf Paranoia, latenter Gewaltbereitschaft und Größenwahn aufgebaut ist - und mit diesen Charakteristika den Rest der Welt in Schach hält!
Dies ist ein eigenwilliger Film, der den Zuschauer fordert, aber ihn auch in erfrischender Unverblümtheit unterhält und ihn beklommen mit leisem Schaudern zurücklassen wird.
Christiane Bumann
Bowling for Columbine. USA 2002. Regie: Michael Moore.
Ab 5. Dezember im Trauma-Kino, Kiel: