(Gegenwind 167, August 2002)

Müllentsorgung im Kreis Pinneberg

Privatisierung um jeden Preis

Müllverbrennungsanlage

Der Atomkonsens machts möglich. Die Atomkonzerne können weiter mit ihren Rückstellungen für den AKW-Rückbau neue Monopole aufbauen. Der Einkauf in die Pinneberger Müllentsorgung ist ein weiterer Baustein in dieser Politik.

Bisher lag die Müllentsorgung im Kreis Pinneberg in der Hand der GAB. Diese gehörte zu 100 Prozent dem Kreis Pinneberg. Von der GAB und ihren Töchtern wurde die Müllverbrennungsanlage, eine Kompostierungsanlage, die Abfuhr des Mülls (bei 80.000 von 280.000 Einwohnern) sowie ein Teil der Sondermüllentsorgung übernommen. Außerdem war die GAB Vertragspartner von DSD ("Grüner Punkt") für den Kreis Pinneberg. Mit den Kreisen Steinburg und Dithmarschen gibt es den sogenannten AUE-Vertrag, der besagt, dass ab 2005 der Müll aus den Kreisen auch in Ahrenlohe (in der MVA) verbrannt wird.

Vor etwas mehr als zwei Jahren wurden dann die Bestrebungen des Landrates Harms konkreter, in die GAB auch Private einzubeziehen. Zwei potentielle Käufer wurden vom Aufsichtsrat der GAB per Rundflug durch Deutschland begutachtet. Doch schnell wurde klar, das es mehr Interessenten gab. Also wurde eine Firma eingeschaltet, die ein "Käuferfindungsverfahren" durchführen sollte. Eine Ausschreibung fand nicht statt. "Alle potentiellen Käufer wissen Bescheid", hieß es.

Was danach passierte, ist nicht so ganz klar, denn die Kreispolitiker erfuhren davon wenig, es sei denn sie waren Mitglieder des Aufsichtsrates. Und diesen Mitgliedern wurde unter anderem mit Haftstrafen gedroht, wenn sie etwas aus dem Aufsichtsrat herausgeben.

Es gab aber offensichtlich Angebote, Nachverhandlungen, höhere Angebote von anderen, neue Angebote, neue Überbietungen, usw. Teils geschah dies schriftlich, teils auch nur mündlich.

Kreistag verzichtet auf 20 Millionen

Dem Kreistag wurde dann ein Angebot der RWE vorgelegt. Für 49 Prozent der GAB Anteile sollte der Kreis 43 Millionen DM erhalten. Die Rendite für RWE sollte bei 8 Prozent liegen. (Eigentlich sind 10-15 Prozent üblich.) Die RWE hofft aber wohl auf eine Ausweitung des Geschäftes. So sollte z.B. nach Ablauf der Verträge die Müllabfuhr auf den ganzen Kreis ausgedehnt werden.

Zur entscheidenden Kreistagssitzung war den Kreistagsabgeordneten aber auch bekannt, dass ein anderer Anbieter, die Firma Rethman, dem Kreis über zwanzig Millionen mehr geboten hat. Es wurde jedoch zu Gunsten von RWE entschieden.

Bestechung auch im Kreis Pinneberg?

In Hamburg fand ein Prozess statt, der auch den Kreis Pinneberg berührte. Dr. Reimer, ehemaliger Mitinhaber des MVA-Planungsbüros Göpfert, Reimer und Partner soll Steuern hinterzogen haben. Von der Staatsanwaltschaft waren in seinem Ferienhaus am Mittelmeer Unterlagen beschlagnahmt worden, aus denen Zah­lungen an ihn hervorgehen sollten. In diesen Unterlagen kam auch Pinneberg vor. Über 1 Million soll in drei Beträgen geflossen sein. Dr. Reimer behauptete nun unter anderem, diese Gelder brauchte er gar nicht zu versteuern, da er sie ja nur an Kommunalpolitiker zur "Beatmung" weitergegeben hat. Das Gericht glaubte der Staatsanwaltschaft. In der Presse waren jedoch auch vage Andeutungen zu lesen, dass es schon hier mal einen Besuch in München und da mal eine Karte für ein Tennisturnier gegeben haben soll.

Die RWE ist schon in einer ganzen Reihe von Kreisen und kreisfreien Städten in Schleswig-Holstein in den einzelnen Abfallgesellschaften beteiligt. Durch die Ausweitung ihres Wirkungsbereiches auf die Kreise Dithmarschen, Steinburg und Pinneberg geht ohne die RWE in Schleswig-Holstein bald nichts mehr. Die RWE kann die Abfallpolitik im Lande diktieren. Die Firma Rethman hingegen hatte ein Interesse daran, in Schleswig-Holstein Fuß zu fassen. Daher auch das hohe Angebot. Mit einem neuen Anbieter hätte es in Schleswig-Holstein einen Wettbewerb gegeben. Mit RWE halt nicht.

Die BürgerInnen zahlen für den Profit der RWE

Ohne Wettbewerb wird es in Schleswig-Holstein vermutlich für alle teurer. Im Kreis Pinneberg ist es jedoch extrem. Die Zahlungen des Kreises an die GAB für die nächsten 15 Jahre wurde aus den durchschnittlichen Zahlungen der letzten drei Jahre ermittelt. In diesen drei Jahren gingen die Kosten von weit über 300 DM/Tonne auf 245 DM/Tonne runter.

Dieser Durchschnittspreis wurde mit dem jetzigen Müllaufkommen (70.000 Tonnen/Jahr) multipliziert und als Festpreis für die nächsten drei Jahre festgeschrieben. Nach diesen drei Jahren steigt der Preis um jeweils 1,5 Prozent. Dieser Preis muss aber bezahlt werden, egal ob 70.000 Tonnen oder auch nur eine Tonne Müll anfällt. Da das Müllaufkommen in den letzten Jahrzehnten immer gefallen ist, bedeutet dies für die GebührenzahlerInnen erhebliche Steigerungen.

Dabei könnten die Müllgebühren fallen. 1988 wurde die MVA für 80 Millionen DM saniert. Diese Gelder wurden über 15 Jahre abgeschrieben. Um 50-70 Mark könnte die Tonne Müll im nächsten Jahr also billiger werden. Doch diese Gelder gehen nun in den Gewinn der RWE.

Mit diesem Vertrag hätte die RWE 60 Prozent der Mülleinsammlung in Schleswig-Holstein unter Kontrolle. Daher misch­te sich das Kartellamt ein. Von RWE und dem Landrat wurden zunächst einige unwirksame Schritte unternommen, um diesen Vertrag doch durch zu bekommen. Da alles nichts brachte, wurde in einer kurzfristig einberufenen geheimen Kreistagssitzung beschlossen, die Ausweitung der Müllabfuhr erst mal auszuklammern.

Bei einer späteren Ausschreibung würde das Kartellamt denn nicht mehr gehört. RWE hätte bei dieser aber den Vorteil, das sie ja schon einen Teil des Mülls abfährt, und somit die Logistik im Kreis schon vorhält. In dem Kreistags-Beschluss wurde jedoch ausdrücklich auf die Ausklammerung der HAMEG (die GAB-Tochter, die den Müll bisher einsammelt) aus dem Vertrag verzichtet . Der Landrat erwartete, dass die RWE anderswo in Schleswig-Holstein auf die Abfuhr von Müll in der Größenordnung des HAMEG-Anteils (80000 Einwohner) verzichtet.

Das Monopol bei der Behandlung des Mülls wurde vom Kartellamt nicht thematisiert. Wohl auch weil die Kreise Dithmarschen und Steinburg erst 2005 dazukommen.

Der Landrat macht, was er will...

Die RWE dachte natürlich gar nicht daran, woanders auf die Müllabfuhr zu verzichten. Und so reichte dieser KT-Beschluss dem Kartellamt auch noch nicht.

Daraufhin kaufte Landrat Harms per Eil­entscheidung die HAMEG von der GAB. Für die Beteiligung oder den Kauf von Firmen ist nach der Kreisordnung eigentlich der Kreistag zuständig. Doch das störte Harms nicht. Diese Entscheidung ließ er sich im für Kreistagsabgeordnete nicht zugänglichen Aufsichtsrat der GAB genehmigen. Wenige Minuten vorher fand eine Sitzung des Hauptausschusses statt, auf der er kein Wort darüber verlor.

...der Innenminister rührt sich nicht

Eine Entscheidung eines Kreises in dieser Größenordnung muss von der Kommunalaufsicht, in diesem Fall dem Innenminister, genehmigt werden. Dieser hat dem Vorgehen bisher nicht widersprochen. Dies kann daran gelegen haben, dass in den dem Innenminister vorgelegten Protokollen wesentliche Inhalte fehlen. Zum Beispiel, dass ein Anbieter 20 Millionen DM mehr geboten hat. Doch auch auf meine Nachfragen beim Minister habe ich bisher außer einer Eingangsbestätigung keine Antwort bekommen. Noch nicht mal auf die Frage, wann ich eine Antwort bekomme. Bei diesem Geschäft bleiben viele Fragen offen:

Diese Fragen stellt sich der Kreistagsabgeordnete
Rainer Darkow

PS: Landrat Harms (dessen Amtszeit in Kürze endet), ließ sich schon mal als Person Harms zum Aufsichtsratsvorsitzenden der neuen GAB (mit RWE) wählen.

PPS: Das Oberlandesgericht Düsseldorf erließ auf Antrag der Firma Rethmann eine Einstweilige Verfügung gegen den Deal. Damit liegen die 22 Millionen Euro erstmal auf Eis. Wann das Geschäft rechtskräftig wird, ist ungewiss. Es kann sein, in einem Monat, es kann aber auch ein Jahr oder länger dauern.

Weitere Informationen über dieses Thema auch unter www.rainer-darkow.de.

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