(Gegenwind 166, Juli 2002)
Schleswig-Holstein ist ein Reiseland. Viele Menschen kommen gerne her, und auch wir wollen manchmal woanders hin. Wer dann fliegen muss, quält sich mit dem Auto durch den Stau auf der A7 nach Hamburg-Fuhlsbüttel. Der Linienbus (Kielius) fährt nur ab Kiel und Neumünster und sehr langsam. Er steht ja in demselben Stau.
Mit der Bahn sieht es nicht viel besser aus. Die Regionalexpresszüge (RE) Kiel - Hamburg fahren weiträumig am Flughafen vorbei über den Umweg und Engpass Elmshorn. Die Eisenbahn Altona-Kaltenkirchen-Neumünster (AKN) verläuft zwar direkter nach Hamburg, ist aber viel zu langsam.
Deshalb hatte das Land Schleswig-Holstein bereits 1990 eine Schienenverbindung Schleswig-Holstein - Hamburg-Flughafen untersuchen lassen (DEC, 1990).
Ergebnis: Die Fahrzeit Kiel - Hamburg-Flughafen kann auf der AKN-Trasse auf 49 Minuten reduziert werden. Dazu wären Investitionen von rund 100 Millionen Euro (Stand 1990) notwendig, aber schon alleine die Nachfragewirkungen der Fluggäste führen zu einem positiven Nutzen-Kosten-Verhältnis.
Letztes Jahr kam vor dem Hintergrund der Diskussion um den Flughafenausbau in Kiel-Holtenau ein weiteres Gutachten der Landesweiten Verkehrsservice Gesellschaft (LVS) hinzu (ITP, 2001). Da sollte das Ergebnis auf einmal ganz anders aussehen: Die Flughafenbahn sei als Alternative mit 70 Minuten Fahrzeit viel zu langsam, nicht in den Integralen Taktfahrplan (ITF) integrierbar und ökonomisch, ja sogar ökologisch schlechter als die bestehende Busverbindung. Nur 27 Fahrgäste säßen durchschnittlich in einem Zug und würden rund 10 Millionen Euro/Jahr kosten.
Der Fahrgastverband Pro Bahn hat die Gutachten analysiert. Ergebnis: Viele Hochrechnungen für Kosten oder die Wahl der Fahrzeuge bzw. die für notwendig angesehenen teuren Bauten des LVS-Gutachtens (ITP, 2001) sind fragwürdig. Viel schlimmer wirkten sich die Grundvoraussetzungen aus. Der Flughafenexpress wurde wie ein Fremdkörper im Bahnsystem behandelt. Er musste jeden Bummelzug vorlassen und sollte nur von Fluggästen benutzt werden. Damit wird gegen zwei Grundprinzipien des ÖPNV - Vernetzung mehrerer Linien und Nutzung durch alle Fahrgäste - verstoßen. So kam es zu langen Fahrzeiten und wenig Nutzern.
Sogar die Gutachter selbst erklären die gemachten Studien für unvollständig. Vermutlich ist die Ursache eher bei der Aufgabenstellung zu suchen als bei den Gutachtern.
Das Pro-Bahn-Konzept Der Flugzug (PBK, 2002) entwickelt daher einen Fahrplan, in dem Kiel und Neumünster in rund 50 bzw. rund 30 Minuten mit dem Flughafen Hamburg verbunden werden. Doch der eigentliche Trick liegt in der Erkenntnis, dass Schleswig-Holstein weder in Neumünster noch in Kiel zu Ende ist und dass der Flughafen Fuhlsbüttel nicht das Einzige ist, was Hamburg zu bieten hat.
Neumünster ist der zentrale Knoten, an dem fast alle Linien des Landes zusammenlaufen, und von Kiel geht es weiter nach Eckernförde, Schönberg, Ostholstein und Plön. Das Pro-Bahn-Konzept beweist anhand konkreter Fahrplanmodelle, dass eine Integration des Flugzuges in den ITF sehr wohl möglich ist und somit weit mehr Fahrgastpotential zur Verfügung steht als von ITP (1999) berücksichtigt.
Quasi nebenbei würden mit Norderstedt, Ulzburg, Kaltenkirchen und Bad Bramstedt rund 100.000 Schleswig-Hol_steiner erstmals durch schnelle Regionalexpresszüge mit Hamburg und über den Taktknoten Neumünster mit Schleswig-Holstein verbunden werden. Auch diese Fahrgäste wurden von der LVS im Gutachten (ITP, 2001) vernachlässigt.
"Hinter" dem Flughafen Fuhlsbüttel gibt es mehrere dichtbevölkerte Stadtteile wie Langenhorn und Barmbek, in denen wiederum interessante Ziele für Geschäftsreisende (z. B. City Nord) wie auch für Erholungssuchende (z. B. die Alster) liegen. Aber auch die Gegenrichtung ist interessant. Allein in den Bezirken Wandsbek und Hamburg-Nord wohnen rund 680.000 Menschen, die schneller in Schleswig-Holstein (z. B. den Stränden Kiels oder Nordfrieslands) ankommen wollen.
Pro Bahn hat daher aufgezeigt, wie der Flughafenzug aus Kiel über den Flughafen hinaus auf bestehenden Trassen bis in die Mitte Hamburgs zum Hauptbahnhof fahren kann. Die möglichen Stationen (beispielsweise in Ohlsdorf, Barmbek und Hasselbrook) erhöhen das Fahrgastpotential auf ein Vielfaches von dem, was die Gutachter bisher (auftragsgemäß) berücksichtigen (durften).
Die Fahrzeit eines solchen Zuges - Kiel - Neumünster - Ulzburg - Norderstedt - Flughafen - Ohlsdorf - Barmbek - Hamburg-Hauptbahnhof - läge bei entsprechenden Ausbau bei rund 70 Minuten. Dieses jedoch ist die Fahrzeit der ohnehin verkehrenden Regionalexpresszüge (RE) Kiel - Hamburg heute noch über das Nadelöhr Elmshorn. Damit wird es nun interessant, die RE Kiel - Hamburg auf dem Weg über Ulzburg und Flughafen ohne Umweg über den Engpass Elmshorn zu führen.
Damit stünden die Berechnungen zu den Betriebs- und Investitionskosten auf einer neuen Grundlage. Statt zusätzlicher Betriebskosten würden sogar welche eingespart, da die Strecke kürzer würde. Neue Fahrzeuge entfallen als Kostenfaktor, da sie im Rahmen des ITF ohnehin angeschafft werden müssen, und der Bau eines dritten Gleises (175 Millionen Euro, Schätzung LVS, 2002) zwischen Elmshorn und Pinneberg dürfte auch um einiges billiger werden.
Investitionskosten werden durch Einsparungen an anderen Stellen kompensiert. Der Betrieb würde billiger und die Einnahmen durch viel mehr Fahrgäste massiv gesteigert. Alle Schleswig-Holsteiner und Hamburger, Geschäftsleute wie auch Pendler und Touristen würden profitieren. Sogar, wenn sie den Zug selbst gerade nicht nutzen. Sei es, dass mit anderen Zügen besser zum Hamburger Hauptbahnhof kommen (z. B. Tornesch und Glückstadt) oder sei es nur, weil die A7 durch die attraktive Bahn massiv entlastet wurde. Der volkswirtschaftliche Nutzen dürfte die Kosten bei weitem überragen und somit die Steuerzahler entlasten.
Pro Bahn fordert daher die Verantwortlichen auf, das Konzept des Flugzuges mit in den Landesweiten Nahverkehrsplan aufzunehmen und zum Bundesverkehrswegeplan anzumelden. Pro Bahn ist gerne bei der Erarbeitung der Kriterien behilflich.
Holger Busche
Pro Bahn Schleswig-Holstein
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