(Gegenwind 165, Juni 2002)

Greifswald:

Widerstand gegen Schill

Die Schill-Partei breitet sich nach ihrem Wahlerfolg in Hamburg weiter aus. So ging es schon kurz nach der Wahl durch die Medien. Neue Landesverbände werden durch aus Hamburg abkommandierte Aufbaukoordinatoren ins Leben gerufen.

Tatsächlich finden sich auch in den anderen Bundesländern Anhänger für den Rechtsruck. Die Ortsverbände sprießen aus dem Boden wie Giftpilze, und wer sich da so alles als Freund des bürgerlichen Rechtsextremismus entpuppt - Ärzte, Rechtsanwälte, Industrielle und sogar der ein oder andere Student.

Widerstand gegen Schill

Schill also auf dem Vormarsch? Alles so reibungslos wie es scheint?

Bei weitem nicht. Zwar gab sich die Presse bis vor wenigen Tagen auch hier in Mecklenburg-Vorpommern noch als ganz neutral und stellte die rechte Partei kritik- und kommentarlos als ganz normalen Zusammenschluss dar, doch war das selbst für die Presse nach dem ersten Landesparteitag des Landesverbandes nicht mehr haltbar. Nachdem der Verband in diesem Bundesland erst vollmundig durch den Arzt und Vorsitzenden sowie Spitzenkandidaten Dr. Eckert verkünden ließ, der Landesverband werden ein eigenes Wahlprogramm erarbeiten, in dem sich ausschließlich landespolitische Schwerpunkte wiederfinden werden, zeigt der nun veröffentlichte Entwurf klar, dass dies nur ein Versuch der Beschwichtigung war.

Wieso Beschwichtigung? Nun, die Schill-Partei hat es in Mecklenburg-Vorpommern etwas schwerer als in anderen Bundesländern. Speziell in Greifswald regt sich Widerstand gegen Schill. Anfang April fand hier das erste größere Treffen der Partei statt. Doch noch bevor die Anhänger zum Treffen in einem italienischen Restaurant kamen, trafen dort Jugendliche ein, um gegen das Treffen zu protestieren. Obwohl Ort und Zeit des Treffens erst 24 Stunden vorher bekannt wurden, kamen dennoch über 20 Menschen aus Greifswald und damit mehr als Anhänger der Schill-Partei zusammen. Mit einem Transparent ("Die Reichen an die Macht/Die Armen in die Kerker/wer zu lange Haare hat/ der kriegt auch bald Ärger/Nicht mit uns! SCHILL STOPPEN") und eigens angefertigten Flugblättern wurden sowohl Passanten als auch Schill-Sympathisanten konfrontiert.

Zum Treffen der Partei kamen zunächst sichtbar wohlbetuchte Bürger, ein Herr, der auf Anhieb versichern konnte, dass aus seiner Familie seit 113 Jahren niemand in einer Partei gewesen sei (ob die Jahre 1933-45 inbegriffen sind?), weiterhin sehr böse dreinschauende Damen und Herren, wobei letztere entweder nach Stammtisch oder Bürotisch aussahen. Zudem besagter Dr. Eckert und sein Kollege aus Rostock Helmut Schmidt. Die Stimmung der Schill-Anhänger war von vorne herein nicht gut, verschlechterte sich aber mit zunehmendem Protest und erreichte schließlich ihren absoluten Tiefpunkt, als die Jugendlichen beschlossen, doch als "Interessenten" das Treffen kritisch zu begleiten. Der Zutritt zum Hinterzimmer im Restaurant wurde ihnen gewährt, und so hagelte es zahllose kritische Fragen auf die sichtlich in Bedrängnis geratene Landesparteispitze. Nach wenigen Minuten verließen daher bereits einige wirkliche Interessenten den Raum und die Anhänger brachen teilweise in wüste Empörung über die ProtestlerInnen aus, die "nur stänkern" wollten. In dieser Situation kam der Beschwichtigungsversuch des Vorsitzenden zustande.

Die gesamte Versammlung geriet dennoch aus dem Ruder der Schill-Partei. Die Anhänger waren empört und sichtbar verstört. Nach etwa zwei Stunden wurde die Versammlung daher von der Schill-Partei ergebnislos abgebrochen.

Dies war der erste bekannt gewordene Protest gegen ein Treffen der Partei in Mecklenburg-Vorpommern, sieht man von der "Verzierung" des Schweriner Büros mit Graffiti mal ab. Die Kontakte der Partei in der Region, die sich anscheinend auch auf geschäftliche Beziehungen gründen, spielten weiter und so kam schließlich doch noch ein Ortsverband zustande, allerdings nur unter erheblichem Personalmangel, der sie dazu zwang, gleich zwei weitere Landkreise in den Ortsverband einzubeziehen. Am Tag der Gründung protestierten erneut mehrere Jugendliche mit Flugblättern gegen die rechten Wahlparolen der Partei.

Bei den Aktionen hat sich gezeigt, dass es mit relativ geringen Mitteln, nämlich lediglich mit dem persönlichen Engagement, möglich ist, die Strukturen der Partei zu erschüttern und Treffen massiv zu stören. Gleichzeitig bieten die Wahlprogramme der Partei mit ihren Forderungen nach Streichung des Rechtes auf Asyl, rigorose Abschiebung, generelle Überwachung der Bevölkerung und Aufstockung der Polizei, bei gleichzeitiger totaler Ausrichtung von Bildung und Politik auf die Wirtschaft zahllose Angriffsflächen, die durch Flugblätter verständlich gemacht werden können.

In Greifswald wird es weitere Aktionen geben, auch unabhängig von den Aktidvitäten der Schill-Partei. Es bleibt zu hoffen, dass sich auch in anderen Städten Menschen finden, um gemeinsam etwas gegen Schill und seine Forderungen zu unternehmen.

Gleichzeitig bleibt natürlich das alte Problem NPD &Co in Greifswald und Umgebung. Am 1. September soll es erneut einen Aufmarsch der Neofaschisten geben. Diesmal versucht die NPD durch eine freiwillige Verlegung des Starts an den Rand der Stadt (Südbahnhof), sich den Blockaden zu entziehen. Hier zeigt sich, wie erfolgreich dauerhafter, massiver Protest sein kann...

Martin Schubert

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