(Gegenwind 165, Juni 2002)

Politische Beteiligung von Jugendlichen

"... dass Jugendliche wirklich anerkannt werden"

Priyanka AbbiDie Beteiligung von Kindern und Jugendlichen hat sich die Landesregierung auf die Fahnen geschrieben. Wie sehen die konkreten Möglichkeiten für Betroffene aus, also für Jugendliche, die mitentscheiden wollen? Wir besuchten Priyanka Abbi in Henstedt-Ulzburg. Sie geht dort zur Realschule und gehört zur Zeit dem Präsidium des Landesschülerparlaments der Realschulen an. Wir haben sie bereits in einem früheren Heft im Zusammenhang mit dem Aktionstag gegen Rassismus der Realschulen (27. Januar 2001) kurz vorgestellt (vgl. Gegenwind 155, Seite 22).

Gegenwind:

Ihr Engagement begannen Sie als Klassensprecherin. Wann sind Sie Klassensprecherin geworden? Wollten Sie unbedingt gewählt werden?

Priyanka Abbi:

Klassensprecherin wurde ich 1999, als ich vierzehn war. Ich wollte zuerst nicht, wurde dann überredet von meinen Klassenkameraden und letztendlich von meiner Klassenlehrerin. Dann kam die Einladung vom Landesschülerparlament, zwei Delegierte von unserer Schule zu schicken, ich habe dann die Abstimmung gewonnen. So wurde ich zum ersten Mal im Schuljahr 2000/2001 in die Landesschülervertretung geschickt.

Gegenwind:

Wussten Sie, was Sie in der Landesschülervertretung erwartet?

Priyanka Abbi:

Weniger. Ich bin da mehr oder weniger spontan hingefahren. Ich hatte die Tagesordnung dabei und wusste auch, was letztes Mal diskutiert worden war. Aber das war's auch. Ich wusste nicht, was letztendlich die Funktion des Landesschülerparlaments ist.

Gegenwind:

Weshalb haben Sie denn für das Landesschülerparlament kandidiert?

Priyanka Abbi:

Als ich die Tagesordnung zum ersten Mal sah, war dort der "Aktionstag gegen Rassismus" erwähnt. Das hat mich, gerade als Ausländerin, sehr angesprochen. Das war der Grund für meine Kandidatur.

Gegenwind:

Wollten Sie sich allgemein oder für andere gegen Rassismus engagieren, oder haben Sie auch selbst Erfahrung mit Rassismus gemacht?

Priyanka Abbi:

Erfahrung mit Rassismus würde ich nicht sagen, aber Feindseligkeiten, die man hinter dem eigenen Rücken mitbekommt, kleine Sticheleien, weil man anders ist. Aber aggressiven Rassismus gegen mich habe ich noch nicht erlebt.

Gegenwind:

Sind Sie wirklich anders? Oder sehen Sie anders aus?

Priyanka Abbi:

Beides, oder es kommt drauf an. Es sind zwei Rollen, in denen ich lebe. Es gibt einmal den Schulalltag, und dann mein Zuhause. Ich kann mich in der Schule nicht so geben, wie ich zu Hause bin, weil ich mich dort ein bisschen anpassen muss. Zu Hause muss ich mich so verhalten, wie meine Kultur es von mir erwartet, in der Schule bin ich so wie jede andere.

Gegenwind:

Woher kommen ihre Eltern?

Priyanka Abbi:

Mein Vater kommt aus Indien, oder ursprünglich aus Pakistan, meine Mutter kommt aus Surinam, lebte aber damals schon in Holland. Ich bin in Holland geboren.

Gegenwind:

Wie würden Sie die Kultur definieren?

Priyanka Abbi:

Gute Frage. Nächste Frage bitte... Vielleicht einfach erklärt: Respektvoll miteinander umzugehen. Respektvoll miteinander umzugehen, das finde ich sonst nirgendwo, auch nicht in der Schule. Ich merke das hier zu Hause: Ich habe Respekt vor meinen Eltern und meinem älteren Bruder, aber mein Bruder hat auch Respekt vor mir. Meinen Eltern haben auch einen gewissen Respekt vor mir. Meine Eltern sind stolz auf mich, auf das, was ich bisher erreicht habe, genauso wie ich stolz bin auf meine Eltern, auf das, was sie bisher erreicht haben. Und diese kleinen Feinheiten, das fehlt in der europäischen Kultur. Und ich könnte nicht jeden in der Schule anfangen zu siezen, aber ich sieze meine Eltern und meine älteren Verwandten.

Gegenwind:

Zurück zum Landesschülerparlament. Sie kamen dort also hin...

Priyanka Abbi:

Ja, wie gesagt, ich wurde gewählt und fuhr hin. Und dann wurde der Aktionstag besprochen, was wir davon halten, wie unsere Schule dazu steht. Wir haben ausgetauscht, ob wir an unseren Schulen schon in Kontakt gekommen sind mit solchen Themen, ob die Lehrer so was im Unterricht behandeln.

Gegenwind:

Wollten die anderen in Ihrer Schule von sich aus beim Aktionstag mitmachen, oder mussten Sie sehr dafür arbeiten?

Priyanka Abbi:

So sehr dafür arbeiten nicht. Ich musste das Projekt auf der Schulkonferenz vorstellen, dort musste es von allen drei Seiten angenommen werden. Die Eltern hatten wir schon vorher auf unserer Seite, die Schüler waren auch eingespannt, die Lehrerschaft musste noch ein bisschen überzeugt werden. Aber als sie gesehen haben, dass es wirklich eine Herzensangelegenheit ist, und als wir sie davon überzeugt hatten, waren alle einverstanden und auch sehr hilfsbereit.

Gegenwind:

Haben Sie es als Betroffene eher leichter oder eher schwerer, solch ein Projekt durchzusetzen?

Priyanka Abbi:

Beides, das ist sehr verschieden. Es gibt Leute, die sagen, noch eine Ausländerin, die etwas sagen will, aber dann gibt es auch Leute, die sagen, die hat wirklich Ahnung davon, wovon sie redet. Die hat das nicht nur in einem Buch gelesen. Es gibt beide Seiten, und ich habe auch beides mitbekommen, von den Lehrern oder von den Erwachsenen. Meine Eltern haben natürlich verstanden, warum ich so engagiert war bei diesem Thema. Unsere Nachbarn haben ein bisschen geguckt und gefragt, was das bringen soll. Wir wohnen hier ja in einer Siedlung von Einfamilienhäusern, ich glaube, wir sind die einzigen Ausländer hier.

Gegenwind:

Kamen Sie bei diesem Aktionstag zum ersten Mal in Kontakt mit Landespolitikern?

Priyanka Abbi:

Ja, das war mein erster Kontakt. Ich habe bei der Aktion Heide Simonis gesehen, die am Aktionstag, also am 27. Januar 2001 unsere Schule besucht hat.

Gegenwind:

Hatten Sie den Eindruck, dass die Ministerpräsidentin engagiert dabei war, oder war's für sie nur ein Termin?

Priyanka Abbi:

Es war ein Termin, und die Ministerpräsidentin war sehr im Stress, weil sie einen Flug in Fuhlsbüttel bekommen musste. Deswegen wurde auch die Schule in Henstedt-Ulzburg ausgewählt. Den offiziellen Teil hat sie sehr gut gemacht, vor der Presse war alles perfekt. Aber als die Schülerinnen und Schüler dann mit ihr reden wollten, war sie plötzlich verschwunden. Sie hat sich hier eine Theatervorstellung angeguckt, eine Show mit Tanzeinlagen, dann hat sie zwei Autogrammkarten für die Schülersprecherinnen hinterlassen und war weg.

Gegenwind:

Wir haben uns dann ja bei der zentralen Veranstaltung in Trappenkamp gesehen. Dort waren Abgeordnete und auch der Landtagspräsident. Wie war Ihr Eindruck dort?

Priyanka Abbi:

Herr Arens, der Landtagspräsident, war sehr freundlich, und ich merkte, dass ihm diese Thematik am Herzen lag. Ich habe hinterher mit ihm gesprochen, und er hat uns ermutigt und gesagt, macht weiter. Das war einer der wenigen, bei dem ich merkte, dass ihm das Thema am Herzen lag.

Gegenwind:

Was haben Sie mit dem Aktionstag erreicht? War die Zielgruppe die Mitschüler, oder Lehrer und Eltern, oder war es die Landespolitik?

Priyanka Abbi:

Für die Landespolitik wollten wir ein Zeichen setzen. Den Eltern und überhaupt den Erwachsenen wollten wir zeigen, dass wir uns als Jugendliche auch mit dem Thema auseinandersetzen, damit sie die Wichtigkeit dieses Themas anerkennen. Und bei den Schülern war das Anliegen der Landesschülervertretung und auch mein Anliegen, dass jeder sich mal damit befasst, auch in der Freizeit, und mal guckt, wann bin ich mit Rassismus in Berührung gekommen, wann habe ich selbst einen blöden Spruch gebracht, womit ich vielleicht einen ausländischen Schüler verletzt habe.

Gegenwind:

Haben Sie hinterher den Eindruck gehabt, es hat sich gelohnt?

Priyanka Abbi:

Ja, auf alle Fälle.

Gegenwind:

Haben Sie den Eindruck, die Landespolitiker haben davon etwas mitgenommen?

Priyanka Abbi:

Ich habe sehr wenig davon gehört. Es gab ein ganz kurzes Echo in der Presse. Dann kamen ein paar Briefe, aus der Staatskanzlei, auch von Heide Simonis, dass sie es sehr schön gefunden hat, aber das war's dann auch.

Gegenwind:

Welche Auswirkungen hatte der Aktionstag an der eigenen Schule?

Priyanka Abbi:

Immer, wenn irgendwas passiert, wenn man was in der Presse hört, wenn in Kaltenkirchen wieder was passiert, wird offen über das Thema geredet. Es ist nicht mehr negativ, es wird positiv und sehr offen über dieses Thema geredet. Die Lehrer haben auch viele Stunden geopfert, mit den Schülern darüber zu sprechen. Alle sprechen jetzt offener über dieses Thema, besonders natürlich die, die beim Aktionstag dabei waren, aber auch die, deren Geschwister mitgemacht haben.

Gegenwind:

Sie haben später einen Preis dafür bekommen?

Priyanka Abbi:

Ja, das war eine schöne Erfahrung. Wir haben viele Personen kennen gelernt, ich durfte meine Rede halten, davor und danach waren zwei Erwachsene dran. Es war schön, dass auch eine Aktion von uns Jugendlichen anerkannt wird. Ich habe Landtagspräsident Arens wieder getroffen, er hat sich an mich erinnert und gefragt, was wir in der Zwischenzeit gemacht haben, und das war auch schön. Er hat uns nicht einen Tag getroffen und dann wieder vergessen.

Gegenwind:

Welches Mitbestimmungsrecht haben Schüler im Schulalltag?

Priyanka Abbi:

Es gibt inzwischen, seit 1998, die Drittelparität in der Schulkonferenz. Das bedeutet, dass zehn Lehrer, zehn Eltern und zehn Schüler gemeinsam entscheiden.

Gegenwind:

Das ist aber vor Ihrer Zeit durchgesetzt worden?

Priyanka Abbi:

Ja, nicht nur das, wir haben das auch später hier an der Schule gar nicht mitgekriegt. Es gab eine Broschüre im Sekretariat für 700 Schüler, aber niemand wusste davon. Ich bin erst auf meine Rechte aufmerksam geworden, nachdem ich bei der Landesschülervertretung dabei war.

Gegenwind:

Und dieses Mitbestimmungsrecht wird an Ihrer Schule jetzt wahrgenommen?

Priyanka Abbi:

Auf alle Fälle. Früher wurde immer gesagt, Schüler und Eltern können sagen, was sie wollen, aber die Lehrer entscheiden letztlich mit ihrer Mehrheit. An meiner Schule wurde das dann auch wichtig, denn hier wurde ein sehr hoher Asbest-Wert festgestellt. Am Anfang hatte ich und hatten wir weniger mit der Thematik zu tun, bis dann in meinem Klassenraum ein sehr, sehr, sehr hoher Wert festgestellt wurde, denn die Deckenplatten fielen bei uns runter. Da war dann ein Thema, wo wir sagten, so, jetzt wollen wir wirklich mitreden. Es wurde eine offene Sitzung abgehalten. Das war eine Sitzung, wo auch der Bürgermeister da war und ein Beauftragter einer Firma, die die Messungen durchgeführt hat, und von einer Reinigungsfirma, die die Arbeiten erledigen sollte.

Gegenwind:

Hat sich was geändert dadurch, dass die Schüler da waren?

Priyanka Abbi:

Auf alle Fälle. Man hört jetzt auch uns, wir werden anerkannt. Nach diesen zwei Jahren, die ich jetzt dabei bin, wird auch nach unserer Meinung gefragt, manchmal hört man auch auf uns. Wir müssen immer noch Druck ausüben, aber es werden jetzt auch rechtzeitig Briefe an die SV weitergegeben, und die SV wird gefragt, was für eine Meinung sie dazu hat.

Gegenwind:

Sie waren im letzten Herbst ein paar Tage im Landtag. Wie kam das?

Priyanka Abbi:

Es wurden Einladungen für die Veranstaltung "Jugend im Landtag" verschickt, die Landesschülervertretung bekam zwei Plätze, und wir haben diskutiert, wer hinfahren soll. Wir entschieden uns für den Präsidenten und die stellvertretende Präsidentin, das bin ich.

Gegenwind:

Welche Themen wurden dort behandelt?

Priyanka Abbi:

Es waren drei Arbeitskreise, erstens "Bildung und Jugend", dann "Umwelt und Dienste", und drittens "Terror und Globalisierung".

Gegenwind:

Hatten Sie sich vorher entschieden, welches Thema Sie interessiert?

Priyanka Abbi:

Auf alle Fälle! Bei der Rückmeldung sollten wir schon Themen angeben, die uns interessieren würden, und ich hatte mich für "Terror und Globalisierung" eingetragen.

Gegenwind:

Kannten sich die Jugendlichen vorher, die dort zusammentrafen?

Priyanka Abbi:

Nein. Ich kannte einige vom Aktionstag oder den anderen Landesschülervertretungen, aber den Rest hat man erst dort kennen gelernt.

Gegenwind:

Wie lief die Veranstaltung ab?

Priyanka Abbi:

Es wurden diese drei Arbeitsforen eingerichtet, und bei uns gab es dann eine große Tafel mit den verschiedenen Vorschlägen und Forderungen. Es war sehr viel zum 11. September, sehr viel zur Integration, und sehr viel zum Alltag. Wir haben darüber besprochen, was uns passiert ist, was er dazu meint, was sie dazu meint. Wir haben alles ausdiskutiert und die Wichtigkeit für uns überlegt. Und die Ergebnisse haben wir schriftlich verfasst.

Gegenwind:

Wer bekam die Ergebnisse?

Priyanka Abbi:

Die wurden beim offiziellen Abschluss durchgesprochen, damit alle sie mitbekommen, und dann dem Landtag übergeben. Die Forderungen speziell zum 11. September waren, dass Leute nicht pauschal vorverurteilt werden. Das war ein Antrag, den ich formuliert hatte. Mir ging es drum, den Unterschied zwischen Muslimen und Islamisten zu erkennen - dass nicht alle, die an den Koran glauben, als Terroristen angesehen werden. Dann war Integration ein wichtiger Punkt - wie schaffen wir es, dass Leute die ausgegrenzt leben, einbezogen werden. Und wir haben überlegt, wie wir es schaffen können, das Verständnis zwischen den verschiedenen Völkern und den verschiedenen Kulturen zu erweitern. Die Ergebnisse wurden dem Landtag übergeben, und die sollten dann weiter bearbeitet werden von den richtigen Politikern. Alle Landtagsabgeordneten sollten ein Heft mit den Beschlüssen bekommen.

Gegenwind:

Haben Sie hinterher davon etwas gehört?

Priyanka Abbi:

Ich habe alle Beschlüsse schriftlich bekommen, ich bekam eine Einladung zum nächsten Jahr, zu Jugend im Landtag 2002, aber von den Abgeordneten habe ich nichts gehört. Ich hätte mir mehr gewünscht, dass wir jedenfalls erfahren, dass es zur Kenntnis genommen wird. Ich werde in diesem Jahr auf jeden Fall wieder hinfahren, und dann werden am Anfang wieder einige Abgeordnete da sitzen - aber ob sie sich innerhalb dieses einen Jahres wirklich damit befasst haben, das weiß ich nicht. Ich hätte mir wirklich irgendeine Reaktion gewünscht. Es müssen nicht alle Abgeordneten bei mir anrufen, aber vielleicht ein Brief, dass man merkt, es wird wirklich etwas damit gemacht, was wir drei Tage diskutiert und erarbeitet haben.

Gegenwind:

Waren denn bei der Schlussabstimmung noch Landtagsabgeordnete anwesend?

Priyanka Abbi:

Nein, niemand. Sogar der Landtagspräsident war nicht mehr da. Als wir es diskutiert haben, auch im Arbeitskreis 3 "Terror und Globalisierung", war er noch da, aber danach hat auch er sich verabschiedet.

Gegenwind:

Welche Beteiligung von Jugendlichen in der Politik wünschen Sie sich denn? Sollen Jugendliche bei Gesetzesvorhaben angehört oder auch von den Landtagsfraktionen eingeladen werden?

Priyanka Abbi:

Beides, aber das reicht nicht. Mir wäre es wichtig, dass die Jugendlichen nicht nur angehört, sondern auch wirklich anerkannt werden. Jetzt werden manchmal Jugendliche angehört, und man sagt, ja, wir werden was tun, aber mehr kommt - so scheint es mir - nicht raus. Das ist schade, denn es gibt wirklich Jugendliche, die sich dafür interessieren. Und wenn man das fördert und ihnen zeigt, wie sie ihre Meinung vertreten können, auch auf sie hört, das wäre etwas Positives.

Gegenwind:

Reicht es, wenn Sie im Präsidium des Landesschülerparlaments auf Einladungen warten, oder müssen Sie sich selbst um eine Beteiligung kümmern?

Priyanka Abbi:

Man muss da hinterher telefonieren. Man muss fragen, wie ist das mit dem Termin, wenn man etwas gehört hat. Im Landtag habe ich gehört, dass es nach Ostern ein Generationsforum für ältere und jüngere Menschen gibt, da musste ich hinterher telefonieren. Ich bekam die Einladung schließlich zwei Tage vorher, das war dann zu knapp.

Gegenwind:

Was sind Ihre nächsten Themen im Landesschülerparlament?

Priyanka Abbi:

Wir haben zuletzt vor vier Monaten getagt, da wurde über den letzten Aktionstag und den nächsten Aktionstag gesprochen. Beim nächsten Mal wird es wahrscheinlich unter anderem um die Ereignisse in Erfurt gehen.

Gegenwind:

Gerade zu Erfurt gibt es ja viele Erklärungen von Politikern, hat jemand auch bei der Schülervertretung gefragt?

Priyanka Abbi:

Nein, das hat mich sehr gewundert. Die Minister oder Ministerpräsidenten setzen sich auch auf Bundesebene zusammen, aber es ist keine Anfrage, nichts an die Landesschülervertretungen oder an Jugend im Parlament gegangen. Das ist sehr schade.

Gegenwind:

Beschäftigen Sie sich an der Schule damit?

Priyanka Abbi:

Auf alle Fälle. Es wurden nicht nur Schweigeminuten abgehalten, es wurde auch diskutiert, warum so was passiert, wie kommt so was zustande. Es gab getrennte Meinungen, ich finde, es sollte sehr viel mehr darüber diskutiert werden.

Gegenwind:

Haben Sie damit gerechnet? Oder passte ein solches Ereignis für Sie nur nach Amerika?

Priyanka Abbi:

Ich habe damit gerechnet. Nicht in diesem Ausmaß, ich habe eher gedacht, in zehn oder fünfzehn Jahren sind wir hier soweit. Ich finde es auch schade, dass man jetzt nur sagt, man sollte das Waffengesetz ändern oder Computerspiele abschaffen. Ich glaube, die Wurzeln liegen viel tiefer, und damit sollte man sich beschäftigen. Die Schwelle bei Schülern, auch zu Gewalt zu greifen, sinkt immer weiter. Die Politiker, die jetzt über Computerspiele sprechen, verstehen glaube ich gar nichts davon. Ich habe auch Computerspiele hier zu Hause, vielleicht nicht so extreme, aber auch solche, über die jetzt diskutiert wird. Aber deshalb laufe ich nicht durch die Schule und bringe Menschen um. Man sollte lieber gucken, was an unserem Schulsystem falsch ist, oder wie verzweifelt ein Mensch in unserer Gesellschaft sein muss, dass er zu so was wie in Erfurt fähig ist.

Interview: Reinhard Pohl

Mehr zum Thema "Beteiligung von Kindern und Jugendlichen" in der Juni-Ausgabe vom Gegenwind: Interview mit der Kinder- und Jugendbeauftragten des Landes, Sandra Redmann.

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